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Schauspielgewerkschaft und Verdi setzen Maßstäbe bei KI

Noch werden Schauspieler nicht von virtuellen Darstellern ersetzt - hier Anne Ratte-Polle und Schauspieler Clemens Schick kommen zum Eröffnungsabend der Berlinale.
dpa/Annette Riedl)Stuttgart/Berlin. Auf der Berlinale lief aktuell mit „What’s next“ ein erster komplett KI-generierter Langfilm. Die chinesische Filmemacherin Yiwen Cao hat den Animationsfilm in knapp einer Woche erstellt.
Wird es in zehn Jahren noch Schauspieler brauchen? Ein 3-D-Scan des Körpers, Kameras, die Bewegungsabläufe und Mimik der Person aufzeichnen, und schon ist das Rohmaterial da, um mittels KI eine Rollenfigur in eine Filmszene einzuarbeiten. Ein wenig komplizierter ist es vermutlich doch noch, aber die Möglichkeiten, die KI mittlerweile bietet, sind Legion. In Potsdam-Babelsberg stellt eine Firma KI-generierte Schauspielermodelle her, die – etwa als Komparsen – in Filme integriert werden. Entsprechende Sequenzen gibt es in einem Portfolio.
Finanzielle Kompensationen wurden ebenfalls festgelegt
KI verändert die Filmbranche. Gerade deshalb war es für die Gewerkschaft Verdi und die Schauspielgewerkschaft Bundesverband Schauspiel (BFFS) wichtig, mit der Produktionsallianz in einem ersten Tarifabschluss Bedingungen zum Einsatz von generativer KI in Filmproduktionen zu vereinbaren (siehe Kasten). Man habe Tarifmaßstäbe gesetzt, ist Christoph Schmitz-Dethlefsen von Verdi überzeugt. Erreicht wurde ein „maßgeblicher Schutz, mehr Mitbestimmung, die Pflicht zur Transparenz und auch finanzielle Kompensationen“ als Tarifansprüche „gegen negative Folgen der Transformation in Filmproduktionen“.
Das Ziel war, so Heinrich Schafmeister vom BFFS, „den Umgang mit generativer KI so verantwortlich zu gestalten“, dass „Arbeitgeber den technischen Fortschritt nicht verpassen“ und „ein angemessener Schutz unserer Arbeit gewährleistet bleibt“. Nicht zuletzt die Studie „KI-Nutzung in der Filmwirtschaft. Eine Befragung zu Stand und Perspektiven unter Führungskräften der deutschen Filmwirtschaft“ der Makromedia-Hochschule vom Juli 2024 zeigt: KI wird alle Bereiche der Filmproduktion und des Vertriebs betreffen.
Befragte Führungskräfte prognostizieren, dass in den nächsten fünf Jahren die Nettopersonalentwicklung durch den Einsatz von KI-Technologien zurückgehen werde. Ab 2038 könnte durch KI die Hälfte der bisherigen Arbeitsplätze in der Filmbranche wegfallen, in etwa 15 Jahren viele Schauspielrollen von virtuellen Darstellern besetzt werden. Die Leistungsfähigkeit von KI bei der Bewältigung komplexer Aufgaben und der Produktion kreativer Inhalte wird optimistisch eingeschätzt, gleichzeitig fordern 80 Prozent der Befragten internationale Standards, um ethische Normen zu gewährleisten und Risiken zu minimieren.
Auch Oliver Langewitz, Geschäftsführender Vorstand von Filmboard Karlsruhe, beobachtet, dass diverse KI-Tools schon genutzt werden: „Gerade bei kleinen Independent-Produktionen hat KI positive Effekte, weil sie schnell und kostengünstig eingesetzt werden kann.“ KI kann alle Phasen des Produktionsprozesses begleiten: von der Story-Findung über das Drehbuch, die Location- oder Schauspielerauswahl bis zur Aufnahme und Nachbearbeitung und dem Vertrieb. Das Filmboard Karlsruhe hat zu Möglichkeiten und Herausforderungen der KI in der Filmproduktion das Projekt „NextGen FilmmAIking“ initiiert. Gefördert wird es über den Innovationsfonds Kunst des Kunstministeriums. In Workshops wird Wissen zu KI vermittelt, eine Tagung im Mai stellt innovative KI-Tools vor und lotet auch ethische und rechtliche Fragen aus.
Der Schulungs- und Weiterbildungsbedarf ist groß
Dass Schulungen und Weiterbildung in Sachen KI ein Must sind, ist in der Branche Konsens. Auch die Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg (MfG) ist hier unterwegs und bietet etwa im März ein Seminar zu KI und Urheberrechtsschutz an.
Disruption und Wandel habe es in der Geschichte des Films immer gegeben, meint Langewitz. „Die digitale Technologie wird Produktionsweisen verändern, Berufe werden verschwinden, neue entstehen. Heute erzielen viele Tools noch nicht die hochwertigen Ergebnisse, aber die Kinderkrankheiten werden sicher überwunden.“
Tarifregelung gilt ab 1. März und soll evaluiert werden
Der Tarifabschluss betrifft die schauspielerische Arbeit, wenn diese mithilfe generativer KI bearbeitet, umgestaltet oder durch digitale Nachbildungen der Schauspieler ersetzt wird. Die Regelungen zur Einwilligung und Vergütung sollen sicherstellen, „dass nicht über den Kopf der Schauspielerinnen hinweg mit ihren digitalen Nachbildungen gearbeitet wird“. Die Tarifregelung tritt am 1. März 2025 in Kraft, gilt bis zum 30. Juni 2026 und soll halbjährlich evaluiert werden.