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Verbände fordern vor allem eines: weniger Bürokratie

Bei Tanzinitiativen wie etwa im Mannheimer Künstlerhaus zeitraumexit wird kulturelle Teilhabe großgeschrieben. Allerdings gibt es auf kommunaler Ebene in der Regel keine spezifische finanzielle Förderung.
Lys Y. Seng)Stuttgart. Als erstes trat Luz Cornelius Weber vom Jazzverband Baden-Württemberg ans Rednerpult. Dem Verband gehören 43 Clubs und Spielstätten an, die von Ehrenamtlichen getragen werden. Die explodierenden Kosten, die gestiegenen Anforderungen an die Infrastruktur wie Brandschutz, Technik, Barrierefreiheit, seien mit die größten Herausforderungen. „Viele Clubs kämpfen ums Überleben“, sagt Weber.
Die Geschäftsstelle übernehme für das Ministerium viele Aufgaben, betont Weber, etwa die Abrechnung der Clubförderung, die Organisation und Abrechnung der Exportförderung und die Organisation des Landesjazzfests. Derzeit habe man 0,9 Personalstellen, benötige aber „1,4 Stellen und eine dauerhaft gesicherte Finanzierung“. Die Entbürokratisierung bei der Abwicklung der Kulturförderung sei „überfällig“.
Die Tanzszene regt einen runden Tisch Tanz an
Im Anschluss sprach Andrea Gern von der Tanzszene Baden-Württemberg. Sie legte den Fokus auf die Rolle von Tanzinitiativen, bei denen kulturelle Teilhabe großgeschrieben werde. Allerdings gebe es auf kommunaler Ebene in der Regel keine spezifische Förderung für Tanz, ein finanzielles Auskommen sei erst durch die Kombination verschiedener Förderungen in Reichweite. Auch sie plädiert für „Bürokratieabbau, Vereinheitlichung von Verfahren und Formularen, transparente, langfristige Förderstrategien, zeitige Ausschreibungen mit längeren Fristen und ein Verzicht auf Eigenanteile“.
Mehr Resilienz und Nachhaltigkeit im Tanzbereich lasse sich durch langfristige Fördermodelle erzielen. Außerdem fehle es an Residenz- und Austauschprogrammen. Sie schlägt einen Runden Tisch Tanz vor.
Eva Maj, Geschäftsführerin des Landesverbands Freie Tanz- und Theaterschaffende Baden-Württemberg (LAfT), der im Auftrag des Landes Fördermittel vergibt, verweist auf die just abgeschlossene Evaluation (siehe Artikel). Seit 2012 sei die Zahl der Soloselbständigen in Kultur- und Kreativberufen um 20 Prozent gesunken, so Maj. Zweidrittel der Künstlerinnen und Künstler bewerten ihre wirtschaftliche Lage als nicht gut. Die Sparmaßnahmen der Kommunen tun ihr übriges.
„Strukturen sterben bereits jetzt, es droht, dass weitere in naher Zukunft folgen und damit oft unwiederbringlich wegfallen,“ so Maj im Hinblick auf die kommunalen Sparmaßnahmen. Der LAfT arbeite eng mit dem Kunstministerium zusammen. Dabei sei es „ein besonderes Anliegen, die Förderverfahren zu überprüfen, zu entbürokratisieren und zukunftssicher aufzustellen.“ Siegfried Dittler von der Landesarbeitsgemeinschaft der Kulturinitiativen und Soziokulturellen Zentren (LAKS) weist ebenfalls auf die großen Herausforderungen hin, was die bauliche Infrastruktur der Zentren betrifft. Aktuell stünden umfangreiche Investitionen in die Gebäude an.
Auch ihm macht die 2:1 Förderstruktur, mit zwei Teilen kommunaler Förderung und einem Teil Landesförderung, Sorge. Diese sei erprobt und wirksam, habe aber den Makel, dass sie auf 350 000 Euro pro Zentrum gedeckelt sei. Er fordert, dass das Land die maximale Förderung anpasst und über Möglichkeiten der Kompensation nachdenkt, wenn die Sparmaßnahmen seitens der Kommunen greifen. Ebenso plädiert er für mehr Unterstützung von Ehrenamtlichen und für deren Entlastung von bürokratischen Hürden. „Weniger Bürokratie heißt mehr Wirksamkeit, mehr Motivation und mehr Menschen, die bereit sind, sich einzubringen“, so Dittler.
Ralf Püpcke, Geschäftsführer des Tonkünstlerverbands Baden-Württemberg, berichtet, dass die Rückzahlungen von Coronahilfen einigen Mitgliedern zu schaffen machen. Sein Verband fordert die Anpassung der Aktivrente, die aktuell Selbstständige und geringfügig Beschäftigte ausschließt, und eine angemessene Honorierung von Musikern und Lehrkräften. Dabei geht er auch auf das Herrenberg-Urteil ein. Der Verband fordert ein duales System (siehe Artikel). In Bayern gebe es ein Best-Practice-Beispiel, der dortige Tonkünstlerverband und das Kunstministerium förderten freie Musiklehrer und private Musikschulen.
Marcus Joos vom Landesverband Amateurtheater Baden-Württemberg (LABW) betont ebenfalls die Notwendigkeit zur Entbürokratisierung.
Landesverband drängt auf die Einführung eines Schulfachs Theater
Ebenso sei die Zusammenarbeit mit Schulen wichtig, allerdings wäre hier die Zurückhaltung der Schulen noch groß. Der LABW plädiert für die Einführung eines Schulfachs Theater, und im Hinblick auf das Herrenberg-Urteil ebenso für die Wahlfreiheit der Künstler, selbst zu entscheiden, ob sie selbstständig arbeiten oder fest angestellt sein wollen.
Mini Schulz, Präsidiumsmitglied Landesmusikrat Baden-Württemberg, geht ebenfalls ein auf das Herrenberg-Urteil und nennt Bayern als gutes Beispiel. Außerdem fällt wieder das Stichwort Komplementärförderung. „Was macht das Land, wenn die Kommunen runtergehen?“, fragt er. Außerdem lenkt er den Fokus auf die Laienmusik, deren Mittel für die Fort- und Weiterbildung gekürzt wurden. Hier, so Schulz, gebe es einen großen Bedarf. Denn: „Wenn wir die Breite nicht fördern, wird auch die Spitze einbrechen“, so Schulz. Auch für ihn ist die Entbürokratisierung ein wichtiges Thema. Er fordert die Umsatzsteuerbefreiung für Freie und die Vereinfachung von Anträgen.
Danach kommt die Fragerunde. Eines aber ist jetzt schon klar: Die Kreativen brauchen mehr Geld und weniger Bürokratie.