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Prämierung

Magst du meinen Most, magst du auch mich

Der Most ist das schwäbische Getränk schlechthin. Und wie der Schwabe macht er wenig Aufhebens um sich. Dabei kann er sich durchaus sehen, riechen, schmecken lassen, wie eine Verkostung samt Prämierung zeigt. Michael Schwarz hat sich persönlich davon überzeugt.

Ist er gut oder „mend“, was auf Schwäbisch schlecht heißt? Verdient er fünf Punkte oder nur einen einzigen? 32 Apfelweine kämpfen in Kuppingen um die „Mostkrone“. Und jeder der rund 50 Besucher darf sie testen.

Michael Schwarz)

Herrenberg-Kuppingen. „Magschd du mei Moschd, magschd du au mi.“ Artur Keller (74) aus Herrenberg versucht es in breitestem Schwäbisch, doch selbst da kann der Autor folgen, ist er doch selbst in Schwaben aufgewachsen, auch wenn man es ihm nicht anhört. Und natürlich kann er nicht anders, als diese Menschen zu mögen, die sich ihrem Lieblingsgetränk verschrieben haben und an diesem Abend ins evangelische Gemeindehaus von Kuppingen gekommen sind. Auch wenn die eine oder andere Bemerkung hier etwas derber klingt.

Nichts für zarte Gemüter und schwache Nerven

Doch es ist so: Wie man in den Wald hineinruft, so tönt es heraus. Und wer will schon nach zahllosen Gläsern genau wissen, was man von sich gegeben hat? Eine Mostprämierung ist nichts für zarte Gemüter und auch nichts für schwache Nerven. Zumal wenn es am Ende sogar noch ins Stechen geht. Und ein junges Ehepaar die Nase vorn hat, das so gar nicht ins Klischee zu passen scheint. Jutta (42) und Martin Skokan (46) aus Schönaich besitzen ihren Baum erst seit ein paar Jahren. Und dort wächst auch kein klassisches Mostobst, bei dessen „Genuss“ es einem den Gaumen zusammenzieht. Sondern „Weirouge“, ein roter Apfel russischen Ursprungs.

Insofern ist der Abend für Frank Röhm (49) aus Oberjettingen eigentlich ein Reinfall, hat er doch lange siegessicher geklungen. „Bisher habe ich noch keinen getrunken, der so gut war wie meiner“, sagt er. Gibt aber gleichzeitig zu, dass er bisher nur zwei Moste kannte – den des Nachbarn und den eigenen. Den anderen, die er durchprobiert, gibt er abwechselnd die Note „mend“ – Schwäbisch für schlecht – oder „maximal ein Punkt“. Selbst das auch Nichtschwaben geläufige „Sch“-Wort fällt. Es ist aber auch nicht einfach, die richtigen Worte zu finden, wenn man das erste Mal in einer Mostjury sitzt. Denn darum geht es: herauszufinden, was die 32 selbst gekelterten Apfelweine unterscheidet.

Früher wurde hier sogar Wein angebaut

Echte Connaisseure würden jetzt vielleicht von Abgang reden, von Bukett oder Textur. Artur Keller zieht es vor, von einem „Frauenwein“ zu reden, wenn das Getränk mehr nach Apfelsaft als nach Apfelwein schmeckt. Apropos Wein: Er besaß auch schon mal 150 Weinstöcke. Früher, so erinnert er sich, wurde bis Nagold Wein angebaut. Ohnehin ist man hier im Oberen Gäu klimatisch verwöhnt: 2024, als Spätfröste selbst im Remstal noch 30 Prozent der Apfelernte vernichteten und in Ostdeutschland und Polen gar nichts wuchs, blieb man rund um Herrenberg von Verlusten weitgehend verschont und durfte sich über die höchsten Preise seit Jahren freuen: 18 bis 22 Euro pro Doppelzentner, mehr als doppelt so viel wie sonst.

Trotzdem wird vom Most niemand reich und das hat nach Ansicht von Manfred Nuber, Fachberater für Obst- und Gartenbau im Kreis Böblingen, auch mit dem Marketing zu tun. Deshalb hat er sich den Wettbewerb ausgedacht. Die Zeiten, in denen extrem muffige oder essighaltige Proben eingereicht wurden, seien zum Glück vorbei. Inzwischen gibt es auch eine Apfelsaftprämierung, für die noch strengere Regeln gelten. Teilnehmen darf nur, wer seine Bäume pflegt und neue setzt.

Aber bitte nicht mit so viel Bohei wie Helmut Palmer. Der Vater des Tübinger Oberbürgermeisters war berüchtigt dafür, Bäume zu schneiden, die ihm nicht gehörten. Begleitet von Sprüchen wie: „Wir prämieren heute die am idiotischsten geschnittenen Bäume.“ Leute wie Artur Keller und Frank Röhm könnten auf die Idee kommen, so jemanden vom Grundstück zu jagen. Zumal sie die Bäume vermutlich ähnlich schneiden – der Palmer-Schnitt und der hiesige unterscheiden sich laut Nuber nur um „zwei bis drei Prozent“.

Apfelmost und Äppelwoi

Baden-Württemberg besitzt nicht nur ein Streuobstportal. Zwei Vereine bemühen sich darum, das Kulturgut zu promoten: der Schwäbisches Streuobstparadies e.V. und die Interessengemeinschaft Schwäbischer Cider, die sich zum Ziel gesetzt hat, dass in heimischen Restaurants nicht nur Bier und Wein, sondern auch Most angeboten wird – so selbstverständlich wie der Äppelwoi in Hessen.

https://streuobst.landwirtschaft-bw.de

https://www.streuobstparadies.de

https://www.schwaebischer-cider.de

Jutta Skokan ist die 19. Mostkönigin im Kreis Böblingen. Sie siegt mit einem reinen Apfelwein der Sorte „Weirouge“. Foto: Michael Schwarz

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