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AfD-Landeschef Emil Sänze: „Wenn wir regieren, wird es für uns nicht lustig“

Bernd Lucke, Frauke Petry, Jörg Meuthen: Emil Sänze hat alle erlebt und überlebt, die die AfD zähmen wollten. Im Interview greift der Parteivorsitzende Landtagspräsidentin Muhterem Aras an, distanziert sich aber von Abschiebungsplänen der Identitären Bewegung.

Emil Sänze ist seit 2016 im Landtag und steht seit 2022 zusammen mit Markus Frohnmaier an der Spitze der Landes-AfD.

Leif Piechowski)
Staatsanzeiger: Herr Sänze, wo waren Ihre Vorfahren, als Otto der Große im Jahr 955 auf dem Lechfeld die Ungarn schlug?

Emil Sänze: Da ein Teil meiner Vorfahren aus dem Südwesten stammt und erst später mit den Hohenzollern gen Osten zog, könnten sie dabei gewesen sein.

Die Vorfahren von Muhterem Aras waren vermutlich nicht vor Ort, wie Sie ihr einmal entgegenhielten. Welche Voraussetzungen muss eine Landtagspräsidentin erfüllen, damit sie im Namen von Emil Sänze über deutsche Geschichte und deutsche Schuld sprechen darf?

Von meinen väterlichen Verwandten lebt niemand mehr. Alle kamen Ende des Krieges um. Das verdanken wir dem „Dritten Reich“. Was das für mich heißt, kann Frau Aras, deren Familie aus Anatolien stammt, nicht ermessen. Sie hat kein Recht zu sagen, wie meine Befindlichkeiten auszusehen haben, das bestimme ich schon selbst und dies gilt auch für alle meine deutschen Landsleute.

Frau Aras hat Sie aufgefordert, sich für Ihre Bemerkungen zu entschuldigen.

Ich hasse es, wenn sich jemand aus unseren historischen leidvollen Erfahrungen einen parteipolitischen Vorteil verschaffen will. Frau Aras nimmt ihre Rolle als Parlamentspräsidentin nicht neutral wahr. Erst vor wenigen Tagen sagte sie in einem Interview, die AfD sei eine rassistische, nationalistische Partei mit faschistischem Ansatz. So etwas steht ihr nicht zu als Parlamentspräsidentin, zumal wir dem Grundgesetz viel näherstehen als alle anderen Parteien im Landtag von Baden-Württemberg, schlussendlich wurde das Grundgesetz in den letzten Jahren von diesen verbogen.

Ihnen wird Rassismus vorgeworfen.

Das spricht von vollkommener Unkenntnis meiner Person. Ich komme aus einer Familie, die immer schon europäische Wurzeln hatte. Meine Mutter war Niederländerin, sie lernte meinen Vater im Krieg kennen und verdankt ausgerechnet einem russischen Offizier ihr Überleben.

Aber völkisch sind Sie doch?

Wenn völkisch heißt, dass ich für das deutsche Volk und dessen Interesse eintrete, dann bin ich völkisch. Wenn d er Begriff so benutzt wird, wie der politische Gegner dies tut, dann muss ich das weit von mir weisen. Jeder, der die deutsche Staatszugehörigkeit hat und sich an deutsche Regeln und Gesetze hält, ist ein Deutscher, egal, welcher Herkunft oder Hautfarbe er ist.

Davon müssten Sie aber noch den Verfassungsschutz überzeugen. Müssten Sie nicht endlich entschlossen durchgreifen, damit die AfD nicht verboten wird?

Ich hatte das Vergnügen, die 4900 Seiten Klageschrift zu lesen, in denen es um die Einstufung der Landespartei ging, und war enttäuscht, wie wenig Substanz in den Vorwürfen des Verfassungsschutzes steckt. Er müsste endlich mal Beweise bringen. Doch das wird nicht gelingen.

Was muss eigentlich noch passieren, damit Björn Höcke aus der Partei fliegt? Einer, der sich für „wohltemperierte Grausamkeiten“ gegenüber Migranten und deren Unterstützern ausspricht und sich von „Teilen des Volkskörpers trennen“ will. Und das sind nur zwei Zitate.

Wollen wir in einem Staat leben, wo Grenzen gezogen werden zwischen dem Sagbaren und dem Unsagbaren, wo ist die Grenze? Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut und viele Staaten gehen mit dieser verantwortlicher um, nach wie vor definiert das Grundgesetz die Meinungsfreiheit. Seine Wortwahl ist nicht die meine, dennoch trifft Höcke den Nerv der ostdeutschen Wähler. Höcke hat recht, falls wir Regierungsverantwortung übernehmen, wird es für uns nicht lustig. Seit 2015 sind zehn Millionen Menschen zugewandert. Und viele kommen nur aus ökonomischen Gründen, nicht durch Flucht und Vertreibung. So dass wir diese Herausforderung sowohl ökonomisch als auch soziologisch meistern müssen.

Spricht Martin Sellner, Chef der Identitären Bewegung und Organisator des extremistischen Treffens in Potsdam, nur das aus, was viele in der AfD denken, wenn er von „Remigration“ spricht?

Nein. Wir haben unsere eigene Programmatik. Fantasien à la Wannsee- Konferenz, das ist doch unmenschlich und perfide. Das kann man nur ablehnen, sofern die Bemerkungen überhaupt so gefallen sind. Ich kann es nicht beurteilen. Weder war ich dabei noch die Journalisten von Correctiv. Das wurde alles zu einer schönen Story aufgebauscht, um die Umfragewerte der AfD herunterzudrücken.

Das Thema spielte auch bei einem Grillfest in Erlenbach bei Heilbronn eine Rolle, an dem die Bundesvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla teilnahmen. Trifft es zu, dass sich die Beteiligten dort für Massenabschiebungen von illegal eingereisten Ausländern aussprachen?

Sowohl Frau Weidel als auch Herr Chrupalla machten deutlich, dass die Vorschläge zur Zurückführung von illegalen Einwanderern in unserer Programmatik vorgesehen sind und auf den gesetzlichen Normen und unserem Grundgesetz basieren. Auch wurde nachdrücklich auf unsere Erklärung zum deutschen Staatsvolk und zur deutschen Identität verwiesen.

Ist die AfD eine demokratische Partei?

Ja, und das erlebe ich jeden Tag. Bei uns wird wie wild diskutiert, es werden vielfältige Vorschläge diskutiert, es geht auch um Personen und das geht ja nur in einer demokratischen Partei. Wir sind der Basis viel näher als viele andere Parteien, etwa die CDU oder die SPD.

Warum ist dann am Wochenende eine Million Menschen auf die Straße gegangen, um die Demokratie zu verteidigen – ausdrücklich auch gegen die AfD?

Tja, das frage ich mich auch. Wer sind die Initiatoren? Zum Teil sind es Privatleute, aber da stehen auch Organisationen dahinter, die wir auf den Prüfstand stellen werden, wenn wir einmal Regierungsverantwortung übernehmen. Das Ganze wirkte groß orchestriert. Es war erschreckend, dass sich so viele Menschen haben manipulieren lassen mit Argumenten aus der Vergangenheit, mit der Schuld an der Vernichtung von Millionen von Menschen. Natürlich haben wir die Verantwortung für das, was unsere Vorfahren gemacht haben, aber man kann das doch nicht dauerhaft als Monstranz vor sich hertragen.

Sie haben angekündigt, im Frühjahr erneut für den Landesvorsitz zu kandidieren. Sie sind jetzt 73 Jahre alt. Wie lange wollen Sie noch Politik machen?

Bis ich in die Kiste steige. Oder zumindest, solange ich geistig gut unterwegs bin. Ich bringe ja eine gewisse Lebenserfahrung mit. Außerdem habe ich dank meiner Mutter eine calvinistische Erziehung genossen. Dazu gehören ein hohes Arbeitsethos, Aufrichtigkeit und Loyalität zur Verfassung.

Michael Schwarz

Redakteur Politik und Verwaltung

0711 66601-599

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Lesermeinungen

    von Fabian Kaufmann
    Wäre es nicht sinnvoll, die Aussagen dieses Herren kritisch einzuordnen? Oder will man das Ganze einfach so stehenlassen?

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