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Prävention von Antisemitismus

Analyse der Bildungspläne steht bevor

Baden-Württemberg könnte bundesweit das erste Land mit Mindeststandards für den Unterricht über Antisemitismus werden. Dafür müssen auch die Bildungspläne durchforstet werden. Und in manchen Schularten findet das Thema bisher nahezu gar nicht statt.

Besuche von Schülern in Gedenkstätten sind schon seit Langem Bestandteil von Antisemitismusprävention.

dpa/Markus Scholz)

Stuttgart. Möglichkeiten zu seiner Behandlung gibt es viele: beispielsweise bei „Europa im Mittelalter – Leben in der Agrargesellschaft und Begegnungen mit dem Fremden“, im Zusammenhang mit „Festen, Versammlungsorten, Bräuchen und Ritualen im Judentum“, mit der Geschichte vieler Jahrhunderte oder einzelnen Kapiteln zu Verfolgung, Zweitem Weltkrieg und Shoa.

„Inhaltsbezogene Kompetenzen der Bildungspläne aller Schularten weisen Bezüge zu Judentum und Antisemitismus auf“, heißt es im Kultusministerium. Das Fach Gemeinschaftskunde etwa sehe die Behandlung von politischem Extremismus vor, und in diesem Kontext auch die Beschäftigung mit Freund-Feind-Stereotypen. Das Judentum sei zudem bildungsplangemäß in größerem Umfang verpflichtender Unterrichtsgegenstand in den Religionslehren und im Fach Ethik.

Handlungsbedarf gibt es allerdings dennoch. Ministerin Theresa Schopper (Grüne) hat sich bereits mit Micheal Blume getroffen, dem Antisemitismusbeauftragten des Landes. Eine Analyse der Bildungspläne ist angekündigt. „Eine ordentliche Bildungsarbeit muss in die Themen und Tiefen einsteigen und geht nicht nebenher“, verlangt Blume.

Der Antisemitismusbeauftragte soll mehr Mittel vom Land erhalten

I m November hatte sich der Landtag ausführlich mit dem zweiten Tätigkeitsbericht des Beauftragten befasst. Blume verwies auf die Fortbildungen für Lehrkräfte und die Ansprechstelle im Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung, „bevor der Messengerdienst Telegram zu Terrorgram wurde“. Und er stellte den Landtagsabgeordneten in Aussicht, „wenn Sie uns dabei unterstützen, dass Baden-Württemberg das erste Land sein wird, das Mindeststandards dialogischer, interreligiöser Bildung für Kindergärten, Schulen, Hochschulen und auch Integrationskurse definiert“. Blume sind zusätzliche Mittel zugesagt sowie Mitarbeiter, die auch an diesen Standards arbeiten.

Mit dem Ist-Stand befassen sich auch mehrere parlamentarische Anträge. Unter anderem wollte die SPD-Fraktion Details zu antisemitischen Vorfällen in Erfahrung bringen. „Schulen und Kindertageseinrichtungen müssen und können eine Schlüsselrolle beim Kampf gegen Antisemitismus einnehmen, sind sie doch eine wichtige Säule im Alltag und in der Entwicklung aller Kinder und Jugendlichen“, schreiben die Bildungspolitiker in ihrer Begründung.

Gerade deshalb müssten antisemitische Artikulationen und Übergriffe an Schulen und Kindertageseinrichtungen eine konsequente Reaktion zur Folge haben und Lehrkräfte sowie pädagogisches Fachpersonal an Schulen und Kindertageseinrichtungen geschult und weitergebildet werden. Das Kultusministerium verweist auf rund 90 Veranstaltungen des Zentrums für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) zum Thema mit 900 Teilnehmenden seit dem Jahr 2020, vor allem aber auf das ausgebaute Angebot seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober.

Beratungsangebot ist seit dem Hamas-Angriff ausgebaut worden

Kurzfristig habe das ZSL Online-Beratungen für Lehrkräfte und Online-Vorträge angeboten, die sich mit Antisemitismus und Nahost-Konflikt beschäftigten.

Auch stehe die von ZSL, Kultusministerium und Landeszentrale für politische Bildung (LpB) erarbeitete Handreichung „Wahrnehmen – Benennen – Handeln“ zur Verfügung. Das Kultusministerium verstehe Antisemitismus „als einen besonders relevanten und deshalb besonders engagiert zu bekämpfenden Aspekt von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“, so Schopper. Die Gegenstrategie spiegele dies wider, darunter „die weitreichenden und vielfältigen Maßnahmen, von der Entwicklung des Schulklimas bis hin zu einer Intervention durch Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen“.

Aus der Antwort des Ministeriums auf einen fraktionsübergreifenden Antrag von Grünen, CDU, SPD und FDP geht allerdings auch hervor, wo nachgearbeitet werden könnte. Denn ausgerechnet in der Berufsschule gibt es das Fach Geschichte überhaupt nicht, sondern allein Gemeinschaftskunde, welche naheliegenderweise einen politischen Schwerpunkt hat: „Die Zeit des Nationalsozialismus wird nicht behandelt, die historische Beschäftigung beginnt mit der Geschichte der Bundesrepublik.“

Im Zusammenhang mit der Thematik Menschenrechte/Antidiskriminierung/Populismus könne dort  das Thema Antisemitismus durchaus behandelt  werden. Allerdings gilt derzeit eben: „Jüdische Geschichte selbst ist kein Thema.“

Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer

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