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Kommentar 

Bauernproteste als Bewährungsprobe für die Grünen

Wütende Landwirte, blockierte Autobahnen, eine aufgewühlte Stimmung: Der Südwesten ist eine der Hochburgen der Proteste in dieser Woche. Die Grünen stehen dabei besonders im Fokus.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann steht neben Landwirtschaftsminister Peter Hauk bei einem Besuch im Kuhstall des Bio Bauernhofes von Landwirt Friedhard Bühler (l).

dpa/Bernd Weißbrod)

Stuttgart. Der Aufruhr des ländlichen Raumes trifft auch die Landespolitik, auch wenn die Entscheidungen in Berlin fallen. Doch Baden-Württemberg ist mit seiner kleinteiligen Struktur von oft noch familiengeführten Betrieben sonders betroffen von den Kürzungen beim Agrardiesel. Und wenn man ehrlich ist, geht es nicht nur darum, die am Ende nur wenige Prozent der Kosten der Landwirte ausmachen.

Es geht um das langsame Höfesterben, um die fehlenden Unternehmensnachfolgen, und die Strukturen der Agrarpolitik. Wie können die Milliarden an Subventionen so zielgerichtet eingesetzt werden, dass die Landwirte ein gutes Auskommen haben, die Produkte ökologisch und mit Tierwohl erzeugt werden – und für die Verbraucher dennoch erschwinglich sind? Darüber müsste doch viel mehr diskutiert werden, als über Sinn und Unsinn eines einzelnen Zuschusses oder das Grüne Nummernschild.

Der Ampel Fehlen Kommunikation und Verlässlichkeit

Und es geht um Wertschätzung für Landwirtschaft, die nicht nur die Ernährung sichern, sondern auch die Kulturlandschaft erhält. Die Ampel in Berlin hat mit ihren überhasteten und schlecht erklärten Beschlüssen den Unmut entfacht. Allerdings hat sie längst zur Hälfte eingelenkt. Es fehlt wie immer an Kommunikation und Verlässlichkeit.

Auch für Grün-Schwarz im Land ist das ein weiteres Streitthema. Die CDU stellt sich an die Seite ihrer Kernklientel – im Bewusstsein, in Berlin nicht mitentscheiden zu müssen. Für die Grünen ist die Frage heikler. Winfried Kretschmann hat sich immer für eine Verständigung mit den Landwirten eingesetzt, führt Strategiedialoge mit den Verbänden, und kämpft für die Vereinbarkeit von Umwelt- und Tierschutz mit den Produktionsbedingungen. Dieses mühsam über Jahre aufgebaute Kapital droht, im Strom von Wutbürgern und Verdruss hinweg gefegt zu werden.

Cem Özdemir steht besonders im Brennpunkt

Und für Cem Özdemir ist der Bauernstreik eine Bewährungsprobe. Dass er sich auf Kundgebungen anschreien lässt, dem Druck stand hält und zusammen mit Kretschmann für Abmilderungen der Kürzungen wirbt, nötigt Respekt ab. Entweder er geht gestählt aus diesem Konflikt hervor und zeigt damit, dass er ein guter künftiger Ministerpräsident sein könnte. Oder aber er verscherzt es sich mit dem ländlichen Raum, ohne den im Südwesten keine Wahlen gewonnen werden.

Wichtig ist, dass es eine Verständigung gibt. Dauerhafte Massenproteste würden in der Bevölkerung den Rückhalt schwinden lassen, den Verdruss und die Wut weiter schüren. Das Miteinander von Spediteuren, Landwirten und Bahnstreik ist eine unheilvolle Mischung, aus der Rechtspopulisten und Rechtsextreme bereits Umsturzfantasien destillieren. Politik muss wieder Lösungen und Perspektiven anbieten.

Rafael Binkowski

Chefredakteur des Staatsanzeigers

0711 66601 - 293

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