Übertragung des Tarifergebnisses

Beamtenbund fühlt sich vor den Kopf gestoßen

Längst ist die Doppelverdienerfamilie Normalität. Doch lässt sich dies auch mit dem Beamtenrecht vereinbaren, wo man immer noch davon ausgeht, dass in jeder Familie nur einer das Geld verdient? Das Land nimmt gerade einen Anlauf und stößt auf Widerstand. Auch, weil der Verdacht im Raum steht, man wolle nur an den Personalausgaben sparen.

Beamtenbund-Landeschef Kai Rosenberger war mit dem Tarifabschluss im Herbst zufrieden. Kritischer sieht er die geplante Übertragung auf die Beamten; gleich in mehreren Punkten fühlt er sich von der Politik übergangen.

dpa/Marijan Murat)

Stuttgart. Die Stimmung zwischen dem Land und dem Beamtenbund war auch schon mal besser. Unmittelbar nach dem Tarifabschluss am 9. Dezember 2023 hatte man sich auf einen Modus geeinigt, wie das Ergebnis auf die Beamten übertragen werden sollte: unter anderem durch die Umrechnung des 200-Euro-Sockelbetrags in eine prozentuale Gehaltserhöhung.

Dann kamen die Regierungsfraktionen und warfen alles über den Haufen. Und nun soll auch noch ein Grundpfeiler des Berufsbeamtentums fallen: die Fiktion der Alleinverdienerehe. Der Gesetzentwurf zur Übertragung des Tarifergebnisses geht nicht länger davon aus, dass es in Beamtenfamilien in der Regel nur ein Einkommen gibt. Dies hätte zur Folge, dass Beamtengehälter, die sich in der Nähe des Existenzminimums bewegen, gerade noch zulässig wären, sofern der Partner 6000 Euro im Jahr oder mehr verdient.

„Das trägt nicht zur Attraktivität des öffentlichen Dienstes bei“

Beamtenbund-Landeschef Kai Rosenberger machte aus seinem Herzen keine Mördergrube, als er kürzlich mit Vertretern der Regierungsfraktionen und des Finanzministeriums zusammenkam. Er hätte sich zumindest „einen Hinweis erwartet, dass wir unsere Bedenken frühzeitig einbringen können“. Seiner Ansicht nach muss ein Beamter jederzeit in der Lage sein, eine vierköpfige Familie zu ernähren. „Das sind die Dinge, die nicht zur Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Dienstes beitragen.“

Ähnlich wertet die gewerkschaftliche Konkurrenz die Pläne. Den DGB stört insbesondere der „Familienergänzungszuschlag“, mit dem das Land dem Fall begegnen will, dass der Lebenspartner nichts dazuverdient. „Für den DGB ist fraglich, ob mit der Einführung statt Sicherheit nicht unnötigerweise weitere Rechtsunsicherheit und damit weitere Unruhe in das System der Besoldung in Baden-Württemberg gebracht wird“, sagt DGB-Experte Dominik Gaugler.

Der Familienergänzungszuschlag könne sogar dazu führen, Minijobs unattraktiv zu machen. Darauf weist FDP-Finanzexperte Stephen Brauer hin. Die Einbeziehung des Partnereinkommens ist für ihn „nur ein fauler Trick“, um zu verhindern, dass die Besoldung verfassungswidrig wird. Kritisch sieht auch der finanzpolitische Sprecher der SPD, Nicolas Fink. die Pläne des Finanzministeriums. „Für einen leistungsfähigen Staat benötigen wir einen attraktiven öffentlichen Dienst“, sagt er. Dazu gehörte das Thema Wochenarbeitszeit ebenso wie eine angemessene Besoldung und Versorgung. Stattdessen „erleben wir von Grün-Schwarz eine permanente Flickschusterei“.

Etwas mehr Verständnis äußert der Emil Sänze (AfD): Es sei nachvollziehbar, dass als Bezugsgröße die Doppelverdienerehe gewählt wird. Der Sozialstaat dürfe jedoch nicht noch mehr aus den Fugen geraten.

Finanzministerium kann sich auch andere Anrechnungen vorstellen

Die Regierungsfraktionen und das Finanzministerium verteidigen ihren Vorstoß. Am vorsichtigsten argumentiert noch Albrecht Schütte (CDU). Seine Fraktion sei offen, „den gesellschaftlichen Wandel auch im Besoldungsrecht nachzuzeichnen, sofern dies zur heutigen Zeit passen sollte“.

Die Grünen-Finanzpolitiker Markus Rösler und Peter Seimer stellen dagegen die Dinge so dar, als seien sie schon beschlossen. Sie betonen, dass das Modell der Alleinverdienerfamilie seit vielen Jahren statistisch belegbar nicht mehr der gesellschaftlichen Realität entspreche. „Daher wenden wir in Zukunft wie schon sieben andere Bundesländer das Modell der Hinzuverdienerfamilie an.“

Das Finanzministerium versichert, es gehe nur darum, „die Besoldung durch eine zeitgemäße und die gesellschaftliche Realität deutlich besser widerspiegelnde Bezugsgröße“ weiterzuentwickeln. Finanzielle Einsparungen seien damit nicht verbunden. Laut Gesetzentwurf rechnet das Land sogar mit zusätzlichen Ausgaben von 150 000 Euro pro Jahr für den Familienergänzungszuschlag.

Der Sprecher von Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) ergänzt, dass es bei der Anrechnung von 6000 Euro pro Jahr nicht bleiben muss. „Grundsätzlich wäre eine Anrechnung eines höheren Hinzuverdienstes oder eine Berücksichtigung von Nebeneinkünften beispielsweise aus Kapitalvermögen oder Mieteinkünften denkbar.“

Finanzwissenschaftlerin: Leistungsprinzip muss gelten

Gisela Färber ist in Baden-Württemberg keine Unbekannte. Die Finanzwissenschaftlerin aus Speyer gehörte dem Normenkontrollrat an und beriet den Beamtenbund. In Sachen Weiterentwicklung des Besoldungsrechts hat sie eine klare Meinung. Für sie hat die Alleinverdienerehe als Bezugsgröße ausgedient, Doppelverdienerhaushalte seien längst die Regel. Färber rät, alle Familienzuschläge zu streichen – außer für Sonderfälle – und stattdessen die Grundbesoldung zu erhöhen. „Das Leistungsprinzip muss wieder mehr gelten“, sagt sie.

Michael Schwarz

Redakteur Politik und Verwaltung

0711 66601-599

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