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Interview: Thorsten Frei (CDU)

„Wer arbeiten kann, der muss auch arbeiten“

Der Spitzenkandidat der CDU Baden-Württemberg, Thorsten Frei, erklärt im Interview, warum man nicht auf das Richtige verzichten darf, weil die Falschen auch dafür stimmen könnten. Und er plädiert für mehr Befugnisse für Strafverfolgungsbehörden.

Thorsten Frei schließt eine „wie auch immer geartete Zusammenarbeit“ mit der AfD aus.

Achim Zweygarth)

Staatsanzeiger: Wie viel Baden-Württemberg steckt in der Bundes-CDU?

Thorsten Frei: In der Bundes-CDU haben viele Baden-Württemberger wichtige Funktionen. Etwa Andreas Jung als stellvertretender Bundesvorsitzender, Ronja Kemmer als Präsidiumsmitglied oder Christina Stumpp als stellvertretende Generalsekretärin.

Und inhaltlich?

Ein Hauptthema dieses Wahlkampfes ist die Frage, wie wir es schaffen, zu wirtschaftlichem Wachstum zurückzukehren und bessere Standortbedingungen zu erreichen. Das betrifft Baden-Württemberg ganz besonders. Dazu gehört auch die künftige Rolle der Automobilwirtschaft. Aber auch an anderen Stellen wird sichtbar, dass wir als CDU Baden-Württemberg programmatische Taktgeber sind. Denken Sie an die Beschlüsse der CDU Baden-Württemberg zur Migrationspolitik, die heute Teil unseres Grundsatz-, aber auch des Regierungsprogramms sind.

Finden Sie, dass die Belange der Kommunen ausreichend Gehör finden?

Aus meiner Sicht müssen die kommunalen Belange zentral sein, wenn man erfolgreich Politik gestalten will. Bei uns in der Fraktion drückt sich das in der Arbeitsgruppe Kommunalpolitik aus. Die vielen Kollegen, die aus der Kommunalpolitik kommen und auch noch aktiv sind, lassen ihre Erfahrungen in die bundespolitischen Entscheidungen einfließen.

Sie kommen ja auch direkt von einem Termin beim Gemeindetag zu uns.

Genau, da ist mir das auch wieder sehr klar geworden. Die politische Ebene, die die Menschen am stärksten wahrnehmen, ist die kommunale Ebene. Da werden Entscheidungen getroffen, die für die Menschen wesentlich sind und da werden drei Viertel aller öffentlichen Investitionen verausgabt. Daher sind eine gute Finanzausstattung und die Beteiligung der Kommunen essenziell. Wir wollen daher das Konnexitätsprinzip, wie es in Baden-Württemberg selbstverständlich ist, auch auf Bundesebene verankern. Wer bestellt, bezahlt.

An der CDU arbeiten sich derzeit alle anderen Parteien ab. Wie fühlt man sich damit?

Es unterstreicht ja nur, dass wir die derzeit wichtigste politische Kraft sind. Ich rate dazu, nicht zu sehr nach links und nach rechts zu schauen, sondern auf uns und unsere Vorschläge. Die sind überzeugend genug.

Die CDU will verantwortungsvoller mit dem Steuergeld umgehen als die Ampel. Bleibt es beim Nein zur Schuldenbremse?

Wir dürfen die Schuldenbremse nicht anrühren. Sie ist essenziell, weil sie für Generationengerechtigkeit steht. Noch mehr Schulden sind der falsche Weg, weil nicht berücksichtigt wird, dass die, die nach uns politische Verantwortung tragen, vermutlich genauso große oder gar größere Herausforderungen zu bewältigen haben werden. Unsere Generation muss mit dem Geld, das zur Verfügung steht, auskommen. Im Übrigen ermöglicht die Schuldenbremse 2025 eine Nettoneuverschuldung von etwa 50 Milliarden Euro. Das ist erheblich und gibt der Regierung die notwendige Flexibilität. Die Ressourcen sind endlich und die Politik muss Schwerpunkte setzen. Dazu hatte die Ampel aber nie die Kraft.

Welche wollen Sie setzen?

Entscheidend ist äußere und innere Sicherheit. Sie ist Grundvoraussetzung dafür, dass wir unser Leben in Frieden, Freiheit und Wohlstand leben können. Der zweite Punkt sind Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur. Außerdem müssen wir die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes stärken.

Zur Migrationspolitik: Wer dauerhaft bleiben will, muss so viel verdienen, dass sich eine Rente oberhalb der Grundsicherung ergibt, sagen Sie. Wer soll dann die schlecht bezahlten Jobs machen?

Es geht da nicht um diejenigen, die im Wege der Fluchtmigration zu uns kommen. Wenn jemand vor Krieg, Tod, Folter, Verfolgung flieht, dann ist er schutzberechtigt, unabhängig von der Frage, wie leistungsfähig er ist. Liegt der Fluchtgrund irgendwann nicht mehr vor, dann müssen aber die Regeln des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes gelten. Es geht darum, aktiver Teil der Gesellschaft zu sein. Das passiert aber nur, wenn man dauerhaft nicht auf Sozialleistungen angewiesen ist. Die Migration von außerhalb Europas in den Arbeitsmarkt ist notwendig. Aber wir müssen das Potenzial, das im Land steckt, auch aktivieren. Wir haben 1,7 Millionen offene Stellen, die nicht besetzt werden können. Auf der anderen Seite gibt es etwa zwei Millionen arbeitsfähige, aber arbeitslose Bürgergeldempfänger. Das ist nicht akzeptabel. Wer arbeiten kann, der muss auch arbeiten.

Die Zahl der Asylbewerber sank zuletzt. Sie haben 2023 gefordert, dass man das Individualrecht auf Asyl abschafft.

Das Entscheidende ist, dass der Staat die Kontrolle über das Migrationsgeschehen zurückgewinnt. Wir haben das Modell der sicheren Drittstaaten in den Mittelpunkt gerückt. Die Frage, ob es eine Schutzgewährung gibt, muss man nicht in Deutschland entscheiden. Das kann man überall entscheiden, wo Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit gewährleistet sind. Kurzfristig möchten wir, dass an den deutschen Binnengrenzen nicht nur Grenzkontrollen stattfinden, sondern dass, wenn jemand aus einem anderen EU-Staat kommt und Asyl begehrt, zurückgewiesen wird. So steht es in Artikel 16a Absatz 2 des Grundgesetzes.

Mit dem Dublin-Verfahren gibt es ja bereits eine europäische Regelung.

Dublin ist gescheitert. Außer Deutschland hat sich kein für dieses System relevantes Land an die Vorschriften gehalten. Das sehen wir, wenn wir nach Italien, Griechenland oder Bulgarien rückführen möchten. Seit Amtsantritt von Georgia Meloni gibt es keine Rücküberstellungen nach Italien, obwohl dort ganz offensichtlich viele Menschen das erste Mal europäischen Boden betreten.

In Österreich läuft die ÖVP Gefahr, mit ihrer Kehrtwende gegenüber den Nationalisten ihre Grundwerte aufzugeben. Ist die CDU mit Blick auf die jüngsten Ereignisse auf einem ähnlichen Kurs?

Die Situation in Österreich ist mit der in Deutschland nicht vergleichbar. Für uns ist klar, dass eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit der AfD als eine in Teilen gesichert rechtsextremistische Partei nicht in Betracht kommt.

Genau das fürchten derzeit Kritiker. Für sie ist der Damm gebrochen, als der Entschließungsantrag der CDU mit den Stimmen der AfD verabschiedet wurde.

Man darf nicht auf das Richtige verzichten, weil die Falschen auch dafür stimmen könnten. Dass die Zustimmung der AfD keine Zusammenarbeit ist, hat auch Olaf Scholz im August 2023 gegenüber der Thüringer Allgemeinen betont. Vor allem sollten wir nicht die ganze Zeit über die AfD reden, sondern die objektiv vorhandenen Probleme lösen, deretwegen sie von vielen Menschen gewählt wird.

Welche Lehren kann man dennoch aus Österreich ziehen?

Dass es die politischen Ränder stärkt, wenn man Politik an den Sorgen und Nöten der Menschen vorbei macht. Zum Start der Ampel lag die AfD bei zehn Prozent, heute sind es knapp 23 Prozent.

Die CDU versteht sich als Law-and-Order-Partei. Kommt mit der CDU die Speicherung von IP-Adressen?

Dafür setzen wir uns ein. Mir fehlt jegliches Verständnis, dass wir nicht die Spielräume, die der EuGH gelassen hat, nutzen. Es ist inakzeptabel, dass es das bis heute nicht gibt, weil so Ermittlungsansätze nicht weiterverfolgt werden können, wenn die Spuren im Netz fehlen.

Ohne Blaulicht hätte es die Polizei im Verkehr schwer. Braucht es auch in der digitalen Welt mehr Befugnisse für die Strafverfolgungsbehörden?

Ja. Jedenfalls muss man die Regeln aus der analogen Welt auf die digitale übertragen. Da geht es nicht nur um die IP-Adressen, sondern auch um Onlinedurchsuchung, Quellen-TKÜ und vieles andere mehr. Man darf nicht vergessen, da bedarf es in der Regel immer noch eines richterlichen Beschlusses.

Wie erklären Sie sich das Misstrauen gegenüber Strafverfolgungsbehörden?

Ich finde jedes Misstrauen gegenüber unseren Sicherheitsbehörden verfehlt. Wenn man aber die Ampelkoalition anguckt und die Gesetzgebung im Bereich der inneren Sicherheit, dann atmet das genau dieses Misstrauen gegenüber unseren Sicherheitsbehörden.

Braucht es eine Zeitenwende 2.0?

Die Zeitenwende 1.0 würde ja schon reichen. Olaf Scholz hat am 27. Februar 2022 im Deutschen Bundestag eine historische Rede gehalten und dafür viel Applaus, auch von unserer Fraktion, bekommen. Aber die Zeitenwende ist nie gekommen, wenn man davon absieht, dass 100 Milliarden Euro Kredite aufgenommen wurden. Zeitenwende hätte vorausgesetzt, dass man Prioritäten neu justiert und für eine dauerhafte Finanzierung der Bundeswehr entlang des Zwei-Prozent-Ziels der NATO sorgt. Das ist wegen der Widerstände bei der SPD nicht erfolgt.

Das Gespräch führte Jennifer Reich

Zur Person

Thorsten Frei ist seit 2013 Mitglied des Deutschen Bundestags, seit 2021 Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Seit 2007 ist er stellvertretender Landesvorsitzender der CDU Baden-Württemberg und seit 2017 Kreisvorsitzender der CDU Schwarzwald-Baar. Von 2004 bis 2013 war er Oberbürgermeister von Donaueschingen. Frei ist verheiratet, hat drei Kinder und einen Hund.

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