Essay

Das Grundgesetz gilt für alle, auch für Muslime

Der ehemalige Amtschef im Integrationsministerium, Manfred Stehle, äußert sich in einem Gastbeitrag für den Staatsanzeiger zur Debatte über eine Leitkultur.

Mehrere hundert Demonstranten haben in Hamburg unter anderem für ein Kalifat demonstriert.

dpa/picture alliance / ABB)

Unser Grundgesetz wird am 23. Mai 75 Jahre alt. Es gibt viele Gründe zu feiern. Vor allem, dass in unserem Land Menschen verschiedener kultureller Herkunft und Religion frei und friedlich zusammenleben können.

Haben wir die Gewissheit, dass dies auch so bleibt? Zweifel sind begründet. Neben anderen bekannten Einflüssen, die unsere demokratische Ordnung gefährden und die hier außer Betracht bleiben sollen, gibt der politische Islam, der unsere Demokratie verachtet und bekämpft, Anlass zu großer Sorge.

Nach einer aktuellen Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen unter muslimischen Schülern der neunten Klasse glaubt die Hälfte von ihnen, nur der Islam sei in der Lage, die Probleme unserer Zeit zu lösen, fast 70 Prozent halten die Gesetze des Korans für wichtiger als die Deutschlands. Mehr als ein Drittel befürwortet sogar Gewalt im Namen des Islam.

Alarmieren müssen auch Forderungen nach einem deutschen Kalifat bei einer Demonstration in Hamburg. Ebenso die massive Hetze gegen unsere Demokratie in Teilen der sozialen Medien verbunden mit islamistischer Indoktrination. Auch die Kandidatur von Unterstützern der extremistischen Grauen Wölfe für den Gemeinderat in Filderstadt soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben.

Dieser Befund muss Politik und Gesellschaft wachrütteln. Es darf nicht sein, dass eine Minderheit die Freiheit, die ihnen unser Grundgesetz gewährt, dazu missbraucht, diese Freiheit zu beseitigen. Parallelgesellschaften nach den Gesetzen der Scharia darf es bei uns nicht geben. Alle Migranten müssen unsere Gesetze, unsere Kultur und unsere Werte respektieren.

Die Debatte über eine Leitkultur, wie sie aktuell wieder stattfindet, kann dazu einen gewichtigen Beitrag leisten. Nur auf das Grundgesetz zu verweisen, reicht für die demokratische und kulturelle Teilhabe jedenfalls nicht aus. Vielmehr geht es darum, im Alltag demokratische und kulturelle Werte zu leben und aktiver Teil der Zivilgesellschaft zu werden.

Was ist zu tun? Hier sind alle maßgeblichen Akteure, insbesondere auch die demokratischen Muslimverbände, gefordert. Es geht nicht nur um Fragen der inneren Sicherheit, sondern auch und vor allem um politische Bildung. Könnte etwa das Land, neben den schulischen Angeboten, nicht gezielt Kurse für jugendliche Migranten in Staatsbürgerkunde anbieten? Am besten in Kooperation mit den Volkshochschulen? Oder bei den lokalen Integrationsbeauftragten und Integrationsmanagern dafür werben, dass sie Konzepte und Projekte für demokratische Bildung entwickeln?

Es geht darum, den jugendlichen Migranten Lust auf unsere Werte und unsere Kultur zu vermitteln. Wir müssen uns vor allem um die bemühen, die unserem Rechtsstaat bisher gleichgültig gegenüberstehen. Keinesfalls aber sollten Personen und Strukturen, die unter dem Einfluss des politischen Islam stehen, mit öffentlichen Mitteln gefördert werden.

Eine Frage drängt sich in diesem Zusammenhang auf: Weshalb hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser den Expertenkreis politischer Islam abgeschafft? Er wäre das geeignete Format für eine zukunftsweisende Debatte über die maßgeblichen, den politischen Islam betreffenden Themen.

Diese Debatte ist auch deshalb wichtig, weil das Thema Migration insbesondere durch die hohen Flüchtlingszugänge emotional ohnehin stark aufgeladen ist. Die Akzeptanz in der Bevölkerung gegenüber Migranten ist schwächer geworden und es besteht die Gefahr, dass die Erfolge bei der Integration, die Länder, Kommunen und Bürgergesellschaft gemeinsam erzielt haben, zunehmend von den Problemen bei der Wohnungssuche, schulischen Versorgung, Kinderbetreuung sowie Arbeitssuche verdrängt werden, die zu einer Konkurrenz zwischen Migranten und Einheimischen führen.

Eine Bedrohung der inneren Sicherheit durch islamistische Gefährder würde diese Entwicklung noch verstärken. Der Ruf von Deutschland als einem weltoffenen Land wäre dann ernsthaft beschädigt und für die deutsche Wirtschaft würde es noch schwieriger, dringend benötigte Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben.

Eines sei aber nochmals betont: Die weit überwiegende Mehrheit der Muslime in Deutschland lebt in guter Nachbarschaft mit Einheimischen und anderen Migranten. Wir brauchen sie und sie sind in ihrer Mehrzahl ein Gewinn für unsere Gesellschaft.

Der ehemalige Amtschef im Integrationsministerium, Manfred Stehle.

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