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Das Land will das beschleunigte Verfahren weiter ausbauen

Am Amtsgericht Stuttgart werden seit 2020 beschleunigte Verfahren geführt.
dpa/Bernd Weißbrod)Stuttgart. Es ist ein elementarer Bestandteil der Kriminalprävention insbesondere beim Jugendstrafrecht: das sogenannte beschleunigte oder vereinfachte Verfahren. Ziel: Das Urteil soll der Tat auf dem Fuße folgen. „Es geht um Konsequenz, die Straftäter sehr eindrücklich vor Augen geführt bekommen. Wir legen einen klaren Schwerpunkt auf die beschleunigten Verfahren“, sagt Justizministerin Marion Gentges (CDU). Dafür wurden seit 2020 Amtsgerichte und Staatsanwaltschaften gezielt mit zusätzlichem Personal ausgestattet.
Wie sich diese zügige Aburteilung entwickelt hat, fragten nun SPD-Landtagsabgeordnete in einer parlamentarischen Anfrage ab. Und laut Auswertung des Justizministeriums verfünffachten sich die Anträge, in Strafsachen beschleunigt entscheiden zu dürfen, in den vergangenen fünf Jahren.
Die Zahl der beschleunigten Verfahren nimmt im Südwesten zu
Zur Orientierung: Insgesamt gingen zu Projektstart 65 888 Strafsachen ein, vergangenes Jahr waren es 62 278. Und wurden anfangs 230 neueingegangene Strafsachen beschleunigt behandelt, waren es 2024 dann 1230. Das entspricht einem Anstieg von 0,36 Prozent auf 1,98 Prozent. Die Riege der zehn geförderten Amtsgerichte, die in den vergangenen zwölf Monaten beschleunigten Verfahren hatten, führt Heilbronn mit sieben Prozent an, in Ulm – seit 2023 dabei – waren es knapp zwei Prozent.
Dass die allermeisten dieser Verfahren am Tag der Festnahme oder am Tag danach durchgeführt wurden, ist einer Übersicht zu entnehmen, die an den Gerichten händisch und zeitlich befristet statistisch gesondert erhoben wurde. Zwangsläufig gibt es Unterschiede bei Jugendstrafverfahren in den Landgerichtsbezirken – jeder Fall ist anders und nicht jeder eignet sich für eine schnelle Aburteilung. Im Landgerichtsbezirk Ulm wurde etwa 2024 für fast ein Viertel der Neuzugänge ein vereinfachtes Jugendverfahren beantragt, in Tübingen waren es für 2,2 Prozent.
Insgesamt gingen in diesem Zeitraum 9949 Fälle im Land bei Jugendrichtern ein, bei 11,37 Prozent davon wurde schneller gehandelt. Zum Vergleich: 2020 waren es 13 587 Neuzugänge und für 11,19 Prozent wurde ein vereinfachtes Jugendverfahren beantragt.
Im Land will man diesen Weg weiter beschreiten. „Über diese Gerichtsstandorte hinaus werden die Staatsanwaltschaften in Baden-Württemberg durch die im Doppelhaushalt 2025/2026 zugegangenen Neustellen für die Staatsanwaltschaften deutlich gestärkt“, so Gentges. Der Doppelhaushalt sehe weitere sechs Neustellen für das beschleunigte Verfahren vor, die hälftig bei den Gerichten und den Staatsanwaltschaften angesiedelt seien.
Best-Practice-Beispiele sollen ausgetauscht werden
„Damit werden die nach dem Projekt verbleibenden Standorte, an denen sowohl eine Staatsanwaltschaft als auch ein Amtsgericht ihren Sitz haben, bei Vorlage eines entsprechenden Konzepts zur Durchführung des beschleunigten Verfahrens verstärkt“, so die Justizministerin. Mehr Effektivität verspricht man sich auch, weil übrige Stellen dieser Standorte verteilt würden – und durch Neustellen für Staatsanwaltschaften im aktuellen Doppelhaushalt.
Neu hinzukommende profitierten indes vor allem auch von den Erfahrungen der bisherigen Projektstandorte. „Ziel ist der Austausch von sogenannten „Best Practice“-Ansätzen, abgestimmt auf die örtlichen Besonderheiten des jeweiligen Gerichtsstandorts“, heißt es.
An Amtsgerichtsstandorten ohne Sitz einer Staatsanwaltschaft sind allerdings – wie schon bislang – keine personellen Maßnahmen geplant, um das beschleunigte Verfahren verstärkt anzuwenden. Der organisatorische Aufwand in Bezug zum vergleichsweise geringen Fallaufkommen der Delikte, die dafür geeignet sind, sei zu groß. Aber an einzelnen Amtsgerichtsstandorten werde – all die genannten Punkte berücksichtigend – geprüft, wie das beschleunigter Verfahren zunehmend angewendet werden könne.
Das Ministerium fördert beschleunigte Verfahren
2020 startete das Justizministerium mit drei Modellprojekten an den Standorten Freiburg, Mannheim und Stuttgart, um an Gerichten das beschleunigte Verfahren zu stärken. Damit möglichst schon am ersten Tag geurteilt werden kann, arbeiten Staatsanwaltschaft, Amtsgericht und Polizei eng zusammen. Mittlerweile gehören auch Ulm, Heilbronn, Karlsruhe, Offenburg, Tübingen, Heidelberg, Konstanz zu den geförderten Gerichten und Staatsanwaltschaften.