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Essay

Der Klimaschutz muss sozial abgefedert werden

Der CO2-Ausstoß muss gesenkt werden, sonst steigen die Folgekosten. Doch die Akzeptanz für den Klimaschutz ist wichtig. Gerade deshalb muss auch eine soziale Komponente bei dem Thema mitgedacht werden. 
Fassade eines Gebäudes mit vertikalem Garten, Balkonen und Graffiti. Eine Person geht vorbei.

Der CO2-Ausstoß muss gesenkt werden, sonst steigen die Folgekosten. Doch die Akzeptanz für den Klimaschutz ist wichtig. Gerade deshalb muss auch eine soziale Komponente bei dem Thema mitgedacht werden.

dpa/Kira Hofmann)

Das Klimaschutzgesetz des Landes gibt ehrgeizige Ziele vor. Doch angesichts zahlreicher Krisen – Corona, Angriffskrieg auf die Ukraine und der daraus folgenden Energiekrise sowie der aktuellen Wirtschaftskrise – rückt der Klimaschutz zunehmend in den Hintergrund. Wer allerdings deshalb meint, den Klimawandel erst einmal zurückstellen zu können, denkt zu kurz. Denn all diese Themen hängen auch in einer gewissen Weise zusammen. Und sie erfordern verlässliche, auf Dauer angelegte Rahmenbedingungen vonseiten der Politik, die mehrere Legislaturperioden überdauern, unabhängig davon, welche Partei gerade regiert. Wie das beim Klimaschutz und dem Ausbau der erneuerbaren Energien funktionieren kann, hat Dänemark vorgemacht.

Nach den Zahlen der Landesanstalt für Umwelt schreitet die Klimaerwärmung in Baden-Württemberg schneller voran als im globalen Schnitt. 2,2 Grad mehr sind es im Zeitraum von 2014 bis 2023 verglichen mit dem Zeitraum von 1881 bis 1910. Und das vergangene Jahr 2024 war das drittwärmste seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen.

Folgen des Klimawandels im Südwesten spürbar

Die Folgen davon bekommen die Menschen im Südwesten zu spüren: Erste Quellen versiegen im Sommer – bis 2050 wird es in mehr und mehr Gebieten zu Wasserknappheit kommen, wie Untersuchungen im Auftrag des Umweltministeriums zeigen. Stürme, Hagel, Starkregen und Überschwemmungen richten gewaltige wirtschaftliche Schäden an. 2024 war der Rems-Murr-Kreis besonders stark betroffen. Wälder und Landwirtschaft leiden. Schädlinge vermehren sich. Krankheitsüberträger wie die Tigermücke breiten sich aus. Die Beispiele ließen sich weiter fortsetzen. Der Sternreport hat bereits vor einigen Jahren die wirtschaftliche Dimension von Klimaschutz deutlich gemacht: Jeder in den Klimaschutz investierte Euro vermeidet Schäden in Höhe von 20 Euro.

Dennoch kommt das Land beim Klimaschutz nicht wie geplant voran. Das macht der jüngste Bericht des Klima-Sachverständigenrats deutlich. Er bewertet jedes Jahr den Fortschritt beim Klimaschutz mit Blick auf die im Klimaschutzgesetz festgelegten Ziele des Landes. Das Ergebnis ist erschreckend: Seit 1990 bis Ende 2024 wurde lediglich eine Reduktion der Treibhausgase um 33 Prozent erreicht. Bis 2030 sollen es laut Klimaschutzgesetz des Landes 65 Prozent sein. Das heißt, die gleiche Reduktion, die in 35 Jahren erreicht wurde, müsste nun noch einmal innerhalb von sechs Jahren geschafft werden.

Pragmatisch und mit Augenmaß handeln

Dies erscheint eher utopisch, angesichts dessen, dass bereits die deutliche Abweichung vom Zielpfad im vergangenen Jahr lediglich zwei Ministerien – Umwelt und Verkehr – dazu brachte, bei ihren Maßnahmen nachzusteuern. Wer angesichts der Krisen die Akzeptanz in der Bevölkerung nicht verlieren will, muss glaubhaft bleiben, auch pragmatisch und mit Augenmaß handeln.

So erscheint es angesichts der Wirtschaftskrise wenig sinnvoll, Autobauer auch noch mit EU-Strafzöllen zu überziehen. Zugleich muss aber auch die Richtung klar sein. Es ist fraglich, ob eine Diskussion um eine Rücknahme des Verbrenner-Aus, das in zehn Jahren für Neuwagen greifen soll, der schwächelnden Automobilindustrie hilft. Eine gewisse Flexibilität bei den Zielen schon. Denn wer nicht umstellt, wird international bald keinen Erfolg mehr haben. Und wer jetzt die synthetischen Kraftstoffe beschwört, muss auch Lösungen präsentieren, wie diese schnell in großer Menge produziert werden sollen.

Soziale Frage bislang vernachlässigt

Bislang völlig vernachlässigt ist die soziale Frage bei Energiewende und Klimaschutz. Denn gerade Menschen mit niedrigem Einkommen tragen vergleichsweise mehr Klimakosten ohne entsprechend davon zu profitieren. Wer kein eigenes Haus hat, profitiert nicht von Sanierungszuschüssen oder einer Solaranlage auf dem Dach. Im Gegenteil: Sie zahlen in ungedämmten Häusern häufig höhere Energiekosten.

Rückerstattungsmechanismen, wie das längst versprochene Klimageld, müssen schnell kommen. Ebenso wie eine einkommensgestaffelte Vergabe von Fördermitteln. Sonst zahlen die Menschen, die sich kein E-Auto leisten können und kein eigenes Haus haben, die PV-Anlage oder das E-Auto der Menschen mit, die sich deren Kauf leisten können.

Dies sind nur einige der Baustellen, die beim Klimaschutz, die dringend angegangen werden müssen. Denn wenn die Akzeptanz für Klimaschutz verloren geht, werden am Ende alle Menschen in Baden-Württemberg wichtige Lebensgrundlagen verlieren.

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