Themen des Artikels

Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen

Essay

Die 41. Stunde oder warum die Beamten sauer aufs Land sind

Nach 22 Jahren gibt es kein Argument mehr, das rechtfertigen könnte, warum man als Beamter in Baden-Württemberg länger arbeiten muss als in anderen Bundesländern oder als Angestellter im öffentlichen Dienst. Diese Ansicht vertritt Michael Schwarz in seinem Essay.

Polizisten arbeiten in Baden-Württemberg 41 Stunden pro Woche.

dpa/onw-images)

Mit der Gerechtigkeit ist das so eine Sache. Natürlich müssen Staatsdiener damit rechnen, dass bei ihnen gespart wird, wenn das Geld knapp wird. Doch es darf nicht der Eindruck entstehen, dass diese Beziehung eine Einbahnstraße ist. Wenn sich der Dienstherr immer nur dann meldet, wenn er etwas von seinen Beamten will, sich in guten Zeiten aber nicht mehr ihrer erinnert, darf er sich nicht wundern, wenn die andere Seite grantig wird.

Etwa so lässt sich die Gefühlslage der 200 000 Landesbeamten beschreiben. Ihnen ist bewusst, dass sie Privilegien genießen, die nicht jedem zuteilwerden. Die private Krankenversicherung plus Beihilfe, keine Abzüge wegen der Rente und anderer Lebensrisiken – das ist schon was, das man gegenrechnen darf, wenn man die im Vergleich zur freien Wirtschaft teilweise deutlich niedrigeren Gehälter betrachtet. Von der Pension ganz zu schweigen.

Das Lebensarbeitskonto steht im Koalitionsvertrag

Dennoch geht es nicht an, wenn die Politik immer wieder Versprechungen macht, die sie nicht einlöst, wenn es ernst wird. Das Lebensarbeitskonto aus dem grün-schwarzen Koalitionsvertrag ist so eine Sache, aber in erster Linie die Wochenarbeitszeit. Seit 2003 arbeiten die Beamten in Baden-Württemberg 41 Stunden. Begründet wurde dies seinerzeit mit der Haushaltslage. Diese hat sich jedoch in den letzten Jahrzehnten teilweise hervorragend entwickelt. Dass sie jetzt wieder im Keller ist, liegt nicht an den Beamten.

Deshalb sind sie jetzt an der Reihe. Die Neiddebatte, die immer dann losgeht, wenn die Beamten etwas fordern, führt in die Irre. Allein schon deshalb, weil andere ebenfalls Vorteile genießen, über die niemand redet. Auch Daimler zahlt seinen Pensionären eine hübsche Betriebsrente. Und über die Frage, ob die Deutschen genug arbeiten, mag man ja streiten. Doch kann die Antwort darauf ja wohl nicht heißen, dass eine Beschäftigtengruppe für alle anderen die Kohlen aus dem Feuer holen muss.

Der DGB hat einmal errechnet, was diese 41. Wochenstunde wert ist, die es in dieser Form nur noch im Bund und in Baden-Württemberg gibt – überall sonst existieren Ausnahmen, etwa für ältere Beamte. So liegt der Südwesten im mittleren Dienst auf Platz zwei (Berufsanfänger) und vier (Endstufe), wenn man das Jahreseinkommen vergleicht. Legt man jedoch den Stundenlohn zugrunde, kommt Baden-Württemberg nur auf Platz drei und sechs. Im gehobenen und höheren Dienst sieht es noch schlechter aus. Da liegt der Stundenlohn teils unter Thüringen, wo die Lebenshaltungskosten deutlich niedriger sind. Ganz zu schweigen von Bayern, wo die Beamten am besten verdienen und wohin man aus dem Südwesten problemlos pendeln kann.

In Hessen kann man Stunden ansparen

Es spricht also einiges dafür, den Ankündigungen Taten folgen zu lassen. Im Schritt eins mit einem Lebensarbeitskonto, auf dem man nach dem Vorbild Hessens die 41. Stunde ansparen und vor Eintritt in den Ruhestand einlösen kann. Und im Schritt zwei mit der ersatzlosen Streichung der Extrastunde. Das mag einige Dienstpläne strapazieren, doch es muss ja nicht alles auf einmal geschehen. Insofern hat die Idee, erst einmal nur die Schwerbehinderten und die älteren Beamten zu entlasten, durchaus etwas für sich.

Letztlich geht es um so altmodische Tugenden wie Ehrlichkeit und Verlässlichkeit. Und darum, dass eine 41-Stundenwoche in diesen Zeiten auf dem Arbeitsmarkt schwer vermittelbar ist. Schließlich sollen die Stellen, die in den nächsten Jahren frei werden, weil die Babyboomer in Pension gehen, wieder besetzt werden.

Vielleicht sollte man den Beamtenbund beim Wort nehmen, der ja für eine Vier-Tage-Woche wirbt – mit dem Argument, dass Menschen, die einen Tag länger ausspannen können, konzentrierter arbeiten und am Ende genauso viel leisten. Einen Versuch wäre es wert.

Noch eine Anmerkung zu dieser Diskussion, in der die CDU Tempo macht und die Grünen bremsen, weil sie noch kein schlüssiges und durchfinanziertes Konzept erkennen. Nicht immer ist die Rollenverteilung dieselbe. Als es vor ein paar Wochen darum ging, die Altersgrenze für neue Beamte zu erhöhen, damit es Quereinsteiger leichter haben, war es die CDU-Fraktion, die sich querstellte.

Es ist also keine Frage der politischen Couleur, wie man zur Zukunft des öffentlichen Dienstes steht. Grundsätzlich scheinen beide Koalitionspartner den Handlungsbedarf erkannt zu haben. Jetzt müssen sie ihre Erkenntnis nur noch in Paragrafen gießen, bevor in einem Jahr die Legislaturperiode zu Ende geht.

Nutzen Sie die Vorteile unseres

Premium-Abos. Lesen Sie alle Artikel aus Print und Online für

0 € 4 Wochen / danach 199 € jährlich Nachrichten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren

Lesen Sie auch