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Kommentar zu Verwaltungsreform

Die Verwaltung benötigt einen Turbo für die Digitalisierung

Faxgeräte in Amtsstuben, kaum digitale Dienstleistungen, Papier statt E-Akte - die Digitalisierung hinkt im Südwesten hinterher. Das hat strukturelle Ursachen. Ein Kommentar von Rafael Binkowski.
Zwei gelbe Wegweiser mit den Aufschriften "Digitalisierung" und "Aktenberge".

Die Digitalisierung der Verwaltung kommt nur schleppend voran.

dpa/SZ Photo/Wolfgang Filser)

Stuttgart. Gerade jetzt in der Wirtschaftskrise zeigt sich, dass die fehlende Digitalisierung der öffentlichen Verwaltungen und Dienstleistungen ein Hemmschuh auch für die Unternehmen ist. Die Meldung, dass in den Amtsstuben Faxgeräte im Einsatz sind, ist erst wenige Tage alt. Nun müssen wir hier nicht Flachwitze über Amtsschimmel reißen, das wird der Arbeit der Beschäftigten nicht gerecht.

Aber Fakt ist: Die Digitalisierung der Verwaltung hinkt kilometerweit hinter dem Rest der Gesellschaft hinterher. Viele Kommunen – wie die Landeshauptstadt Stuttgart – haben für die Bürgerbüros noch keine Online-Anmeldung. Den Führerschein digital zu beantragen, hat Jahre gedauert. Noch immer ist nur ein Teil der Dienstleistungen per Web oder App verfügbar.

Akten von Hand abgeheftet – und dann eingescannt?

Zwar gibt es die E-Akte in der Landesverwaltung, doch damit endet es auch schon an vielen Stellen. An Hochschulen werden Klausuren teils von Hand geschrieben, abgeheftet und einzeln eingescannt, wenn ein Student Einsicht nehmen will. Und nebenbei bemerkt: Ein Dokument in PDF zu fassen, ist noch keine Digitalisierung.

Lesen Sie hier: Interview mit Stefan Krebs, CIO des Landes

Es gilt der drastische, aber wahre Spruch von Thorsten Dirks, inzwischen CEO der Deutschen Glasfaser-Holding: „Wenn Sie einen Scheißprozess digitalisieren, dann haben Sie einen digitalen digitalen Scheißprozess.“ Es gilt also, erst die Strukturen zu vereinfachen, und dann in die digitale Welt zu transferieren. Künstliche Intelligenz ist geradezu prädestiniert, standardisierte Verwaltungsvorgänge zu automatisieren. Die spannende Frage ist: Warum dauert das alles so unendlich lange? Manchmal wirkt es wie ein Schneckenrennen, man steht daneben und verzweifelt. Nun gibt es durchaus Fortschritte, der ehemalige Staatsminister Florian Stegmann hat von oben versucht, ein Umdenken anzuschieben, der CIO des Landes, Stefan Krebs, hat vieles bewirkt.

Byzantinisch komplizierte Strukturen

Doch die verschachtelten Zuständigkeiten stehen einem Durchbruch im Weg. Es gibt nicht verbundene Datensätze und Register, einen allzu gut gemeinten Datenschutz bis hin zur überkorrekten Exekution der DSGVO, dazu kommen Sicherheitsdenken und Risikoaversität, was die Nutzung von auf dem Markt etablierter Software (auch wenn sie aus Kalifornien stammt) einschränkt. Große Strukturen entwickeln zudem ihr eigenes Beharrungsvermögen.

Wichtig ist: Nicht jede Behörde sollte eine Insellösung programmieren, nach dem „Einer für alle“-Prinzip sollten KI-Prozesse einmal entwickelt und auf alle angepasst werden. Das ist anstrengend, aber es ist unumgänglich. Nicht zuletzt die Wirtschaft benötigt eine moderne, leistungsfähige Verwaltung, die Anträge schnell bearbeitet. Und der Bürger fordert trotz Personalmangels einen funktionierenden Staat. Das ist am Ende sogar wesentlich für den Erhalt unserer Demokratie.

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