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Essay

Eine Staatsmodernisierung mit Tempo, Maß und Mitte

KI kann der Gamechanger sein, einen Kahlschlag à la Musk und Milei brauchen wir jedoch nicht. Diese Ansicht vertritt Michael Schwarz in seinem Essay.
Person hebt eine dekorative Kettensäge, rotes X über dem Bild.

Elon Musk und die Kettensäge stehen für einen rücksichtslosen Staatsabbau.

Kurt Amthor)

Minus acht Prozent bis 2030, minus 20 Prozent bis 2035 – wer bietet mehr? Die Politik überbietet sich gerade, wenn es darum geht, Stellenabbauziele für den öffentlichen Dienst zu formulieren, gerne verbunden mit einem Punkteplan zur Staatsmodernisierung . Die schöne, neue Welt baut auf KI und Digitalisierung, die immer wiederkehrende, andere würden auch sagen, stupide Tätigkeiten überflüssig machen sollen. Dagegen kann doch niemand sein, oder?

Tatsache ist, dass der Staat schon heute nicht in der Lage ist, alle Stellen zu besetzen. Der Deutsche Beamtenbund geht von 600.000 fehlenden Beschäftigten bundesweit aus. Und noch wechseln nur wenige aus der kriselnden Wirtschaft zum sicheren Arbeitgeber Staat, auch weil sie selten über die notwendigen Qualifikationen verfügen: Ein Bosch-Mitarbeiter kann nicht einfach mal so Kinder betreuen, Steuererklärungen prüfen oder alte Menschen pflegen.

Die Herausforderung der öffentlichen Hand besteht eher darin, mit dem Personal auszukommen, das man hat. Und das wird immer schwieriger. Schließlich hat die Pensionierungswelle erst gerade begonnen.

Digitalisierung hat in Behörden nicht den besten Klang

Das Wort Digitalisierung freilich kann man in vielen Ämtern nicht mehr hören, auch wenn darin vermutlich die Zukunft liegt. Wie oft wurde in den vergangenen Jahren der große Durchbruch versprochen? Und wie oft sind die Bemühungen krachend gescheitert? Man denke nur an die Bildungsplattform Ella.

Dass nun mit der Künstlichen Intelligenz ein Sprung gelingen könnte, der tatsächlich geeignet ist, die Arbeit zu erleichtern, ist eine Erkenntnis, die sich erst allmählich Bahn bricht. Viel zu oft haben Behördenmitarbeiter erlebt, dass eine neue Software nur zu Stress führte, ohne dass nachher alles besser war als zuvor. Doch KI scheint tatsächlich geeignet zu sein, dem Menschen Routinetätigkeiten abzunehmen. Etwa die Korrektur von Rechtschreibfehlern, die Erstellung von Standardbriefen oder das Durchforsten von juristischen Schriftsätzen nach Informationen, die tatsächlich für den Einzelfall relevant sind.

Eigentlich könnte dem öffentlichen Dienst nichts Besseres passieren als Künstliche Intelligenz: So können auch noch morgen die Aufgaben bewältigt werden – mit weniger Personal. Zumal, wenn auch noch der Bürokratieabbau dazukommt, von dem die Politik so gerne redet, der aber bislang weit weniger Dynamik entwickelt als KI.

Gleichwohl warnen die Gewerkschaften davor, die Rechnung ohne den Wirt zu machen. Die Bundesregierung habe einen entscheidenden Partner vergessen – die Beschäftigten. Ihnen werde „per Spiegelstrich“ mitgeteilt, dass bis 2030 acht Prozent des Personals gehen sollen, so Verdi. Und dies, obwohl aktuell bundesweit über 140 Millionen Überstunden aufgelaufen seien. Dies könne nur noch als Sarkasmus gewertet werden.

Wenn man die übliche Gewerkschaftslyrik einmal abzieht, bleibt da dennoch das Gefühl, dass die Betroffenen nicht ausreichend einbezogen wurden. Zumal auch der Deutsche Beamtenbund darauf hinweist, dass der öffentliche Dienst schon heute in weiten Teilen völlig überlastet sei. „Ein planloser und pauschaler Personalabbau ohne Aufgabenkritik“ sei mit ihm nicht zu machen.

Ähnliche Pläne gibt es im Land. Hier fordert die FDP eine Verwaltungsreform, die sich gewaschen hat. Sie sieht die Abschaffung von zwei Verwaltungsebenen, der Regionalverbände und Regierungspräsidien, ebenso vor wie die Streichung jeder fünften Stelle durch digitale Prozesse und intelligente Automatisierung. Auch CDU-Spitzenkandidat Manuel Hagel hatte sich, was die Zahl der Verwaltungsebenen angeht, in der Vergangenheit ähnlich geäußert.

Wer macht die Arbeit, wenn die Regierungspräsidien abgeschafft werden?

Und auch hier zeigt sich der Beamtenbund verwundert. Man sei nicht gegen Digitalisierung, sagt Landeschef Kai Rosenberger. Wie viele Stellen dabei eingespart werden könnten, müsse sich jedoch erst zeigen. Außerdem verweist er darauf, dass die beiden Verwaltungsebenen wichtige Arbeit tun. Diese müsse auch in Zukunft erledigt werden.

Deutschland braucht keinen Kahlschlag, der an Musk und Milei erinnert, ebenso wenig wie die zugehörige Kettensäge. Sinnvoll ist es dagegen, das bürokratische Brombeergestrüpp zu lichten und auf die Segnungen der KI zu setzen.

Gefragt ist eine Staatsmodernisierung mit Maß und Mitte. Das Tempo wird sowieso dazukommen. In ein paar Jahren wird es unmöglich sein, das Land zu verwalten, wenn Deutschland nicht endlich bei der Digitalisierung Fortschritte macht.

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