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Erst Einigung, dann Wahlkampf

Rafael Binkowski
STA)Es war zu erwarten, dass der Wahlkampf zunehmend die Sachpolitik überlagert. Spätestens wenn am Samstag Cem Özdemir offiziell zum Spitzenkandidaten der Grünen für die Landtagswahl 2026 ausgerufen wird, ist das Duell um die Kretschmann-Nachfolge eröffnet. Jede Frage wird fortan auch danach beurteilt, wie sich die beiden Kontrahenten Manuel Hagel und Cem Özdemir positionieren. Bei den Grünen vielleicht sogar danach, wie einig sich Partei und Kandidat sind.
Nun weist der Ministerpräsident zu Recht darauf hin, dass er noch fast ein Jahr regiert und er nicht vorzeitig gedenkt, „Tulpenzwiebeln zu stecken“. Und die wirtschaftliche Lage ist ja nun auch alles andere als dazu angetan, schon in den Wahlkampfmodus zu schalten. Dass dem so ist, bestreiten übrigens alle Akteure mit treuherzigem Augenaufschlag.
Aber natürlich steigt die Nervosität. Die Grünen fürchten den Verlust der Macht, viele Mitarbeiter könnten beim Einzug Hagels in die Villa Reitzenstein ihre Leitungsfunktionen verlieren. Für die Ökopartei wäre es eine Katastrophe, auch noch in Baden-Württemberg ganz aus der Regierung zu fallen. Die Umfragewerte sind schlecht, die einzige Hoffnung ist, dass Özdemirs Rhetorik und Leutseligkeit für demoskopischen Auftrieb sorgt. In der CDU weiß man um die Fähigkeiten des Uracher Grünen-Urgesteins, und dass er im direkten Vergleich punkten kann.
Das sind die natürlichen Mechanismen der Politik und der Machtverteilung, was an sich nicht zu kritisieren ist. Doch ein allzu kleinteiliger Streit um Gesetzesdetails, die abseits der landespolitischen Blase aus Journalisten und Politikern kaum auf Resonanz stoßen, schaden dem Bild der Landesregierung. Ihr Markenzeichen war doch, wie zuletzt 2024 in großen Gesetzespaketen zu Bildung, Bürokratieabbau und Digitalisierung, konstruktive Kompromisse zu finden und diese gemeinsam nach außen zu vertreten.
Genau das wäre jetzt auch vonnöten. Keine der beiden Parteien kann einen Vorteil daraus schöpfen, sich in tagespolitischen Fragen durchzusetzen. Vielmehr bleibt das Bild der Uneinigkeit der Regierung hängen. Die Ampelregierung war dazu ein abschreckendes Beispiel. Andererseits: Nicht jede Uneinigkeit zwischen den Koalitionsparteien muss gleich zur Staatskrise hochstilisiert werden. Dissens und unterschiedliche Positionen gehören zur Demokratie und sind nicht ehrenrührig, sondern sind ihr Wesensmerkmal.
Dennoch wäre es doch einfach sinnvoll, sich noch einmal zusammenzuraufen, die großen Themen abzuräumen, diese dann im Laufe des Jahres 2025 noch administrativ umzusetzen. Und ab Herbst kann dann leidenschaftlich im Wahlkampf um unterschiedliche Personen und Positionen gerungen werden. Wäre das nicht möglich?
Ein Kommentar von Rafael Binkowski