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Kommentar

Es geht nicht nur ums Rentenalter

Wenn es um die Sanierung der Finanzen der gesetzlichen Rentenversicherung geht, wird vor allem über das Renteneintrittsalter gestritten. Doch damit wird die wichtige Debatte nicht nur verkürzt, sondern dringend notwendige Reformen verhindert, meint Jürgen Schmidt.

Die Erhöhung des Renteneintrittsalters kann nicht die einzige Stellschraube sein, um die Probleme der gesetzlichen Rentenversicherung zu lösen.

IMAGO/Juan Alberto Ruiz)

Baden-Württembergs grüner Finanzminister Danyal Bayaz hatte schon vor zwei Jahren dafür plädiert, das Renteneintrittsalter anzuheben, Arbeitgebervertreter fordern dies schon lange und Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hat sich, kurz bevor sie 100 Tage im Amt war, klar für die Rente mit 70 ausgesprochen. Man könnte meinen, wenn man die öffentliche Debatte der vergangenen Monate verfolgt, die zweifellos großen Probleme der gesetzlichen Rentenversicherung ließen sich mit der Drehung an einer einzigen Stellschraube beheben.

Doch weil drei ungünstige Entwicklungen derzeit zusammentreffen, wird die Anhebung des Rentenalters nicht reichen, um die Finanzierung des Systems langfristig zu sichern. Da ist zum Ersten die niedrige Geburtenrate, die die Zahl der Beitragszahler schrumpfen lässt. Da ist zum Zweiten die kontinuierlich steigende Lebenserwartung in der deutschen Bevölkerung. Wer länger lebt, bezieht länger Rente. Das erhöht die Ausgaben der Rentenversicherungsträger. Und da ist zum Dritten der Sondereffekt durch die Babyboomer. Weil die geburtenstarken Jahrgänge der Nachkriegsgenerationen vor Kurzem in Rente gegangen sind oder demnächst gehen, werden die Rentenkassen zusätzlich belastet.

Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung anpassen

Was also ist politisch notwendig, um einerseits das Rentenniveau nicht erheblich weiter absinken lassen zu müssen und andererseits die Beiträge nicht weiter steigen zu lassen? Denn das würde die ohnehin schon kriselnde Wirtschaft noch weiter schwächen, weil die Lohnnebenkosten steigen und gleichzeitig weniger Geld beim Arbeitnehmer für Konsumausgaben bliebe. Zum einen muss das Renteneintrittsalter zwar nicht sofort auf 70 Jahre angehoben werden, aber dennoch steigen. Der Wirtschaftsweise Martin Werding schlägt vor, die Ausweitung an die Entwicklung der Lebenserwartung zu knüpfen. Dann käme alle zehn Jahre ein halbes Jahr dazu, was wohl sehr viel weniger Aufschrei erzeugen würde als der Vorstoß der Wirtschaftsministerin.

Zum Zweiten muss der Rentenanstieg gebremst werden, etwa indem die Erhöhung nicht mehr an die Lohnentwicklung, sondern an die Inflationsrate geknüpft wird. Wenn niedrige Renten durch eine angemessene Grundsicherung ergänzt werden, wäre dies auch sozial vertretbar. Zum Dritten muss das Umlageverfahren der Rentenversicherung durch eine Kapitaldeckung ergänzt werden. Ob dies für die Rentenkassen insgesamt, wie von der FDP in der Ampel angestrebt, oder durch eine verpflichtende reformierte Riester-Rente geschieht, ist zweitrangig.

Und last, but not least sollte sich die Politik endlich von Extrawünschen verabschieden, sei es die Mütterrente oder die Aktivrente. Diese kosten Milliarden und ihr sozialer oder arbeitsmarktpolitischer Nutzen ist mehr als zweifelhaft.

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