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Essay

Uns geht es auch deshalb so gut, weil wir Steuern zahlen

Hinterziehung von Steuern ist kein Kavaliersdelikt und Ehrlichkeit im Umgang mit diesem wichtigen Thema kein Zeichen mangelnder Intelligenz. Diese Ansicht vertritt Thomas Eigenthaler. Unser Gastautor stand elf Jahre lang, bis Mitte 2022, an der Spitze der Deutschen Steuergewerkschaft und lebt in Leinfelden-Echterdingen.

Thomas Eigenthaler stand elf Jahre lang an der Spitze der Deutschen Steuergewerkschaft.

Michael Schwarz)

Wenn man dem Lukas-Evangelium Glauben schenkt, beginnt die biblische Weihnachtsgeschichte mit einem handfesten Politikum: einer vom römischen Kaiser Augustus befohlenen Steuerschätzung. Dies war nach der christlichen Bibel der Grund, weshalb Josef und seine Maria nach Bethlehem zogen, wo Jesus geboren wurde.

Auch 2000 Jahre später ist die Steuerschätzung noch immer ein wichtiges Instrument der Mächtigen. Dabei sind die nüchternen Zahlen der Steuerschätzer das eine. Sie sorgen für Planbarkeit der Haushalte in Bund, Ländern und Kommunen. Genauso wichtig ist die Fiskal-Psychologie. Sprudelnde Steuerquellen machen Politiker glücklich. Dies gilt als Beleg einer „soliden“ Politik.

Häufig wird aber vergessen, dass der Steuersegen nicht wie Manna vom Himmel fällt. Es ist das Geld der Bürger und der Unternehmen. Es sind auferlegte Geldleistungen!

Typisch ist auch, dass ein Steuerplus die Fantasie der Politik beflügelt und rasch neue Wünsche produziert. Die Grenze zwischen wünschenswert und finanzierbar verschwimmt. Zum Job eines Finanzministers oder einer Finanzministerin gehört es, Zusatzwünsche möglichst abzublocken. Mit einem sorgenvollen „ja, aber…“ versteht es ein versierter Kassenhüter, ein Steuerplus wortreich und reflexartig so zu relativieren, als stünde die nächste Krise bereits mit dem Fuß in der Türe.

Wenn Wirtschaft und Konjunktur florieren, steigen die Steuereinnahmen unaufhaltsam. In vielen Bereichen durch sogenannte kalte Steuererhöhungen. Der steigende Geldsegen ergibt sich aus einer Kombination von Wachstum und Inflation.

Das Steuerrecht ist kompliziert, verwinkelt, für Laien undurchschaubar. Selbst Fachleuten fällt es schwer, sich im Steuerdschungel zu behaupten. Jede einzelne Steuerart ist im Laufe der Jahre komplexer geworden. Und gerade die Vielzahl an Steuern und deren häufige Verschränkung bilden ein wirres Knäuel.

So wird das Erwerbseinkommen besteuert sowie Renten und Erträge aus Erspartem. Der tägliche Konsum wird über die Mehrwertsteuer erfasst, und auf vielen Gütern des täglichen Bedarfs liegen Verbrauchsteuern. Das Wohnen wird über die Grundsteuer erfasst, der Erwerb einer Immobilie über die Grunderwerbsteuer. Nicht zu vergessen die Steuern an der Tankstelle. Beim Erben und Schenken greift der Staat ein. Selbst das Halten eines Hundes wird seit über 200 Jahren besteuert. Der Steuerstaat greift also vielfältig zu. Und er nimmt noch Kredite auf, weil es nicht reicht.

Also alles zu viel? Sind Staat und Kommunen zu gefräßig? Die Steuerquote, das Verhältnis von Steuereinnahmen und Bruttoinlandsprodukt, betrug im Krisenjahr 2022 24,5 Prozent. Im Jahr 2019, also vor Corona und Ukrainekrieg, waren es 23,8 Prozent. Vor zehn Jahren betrug die Steuerquote 23 Prozent.

Die absoluten Zahlen des Steueraufkommens schnellten unaufhörlich hoch, was aber Folge der guten Wirtschaftslage, einer hohen Beschäftigung und einer positiven Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts ist. Das Steueraufkommen wuchs parallel mit. Die Steuerquote blieb dagegen relativ konstant.

Auch ist ein Blick auf die öffentliche Ausgabenstruktur zu werfen. Unser hoher Lebensstandard kostet viel Geld. Äußere wie innere Sicherheit müssen finanziert werden. Ebenso eine stabile Infrastruktur, eine moderne medizinische Versorgung, das Verkehrswesen, die allgemeine, die berufliche und die frühkindliche Bildung. Dann verschlingt die soziale Sicherheit einen großen Batzen, die Rentenversicherung muss erheblich bezuschusst werden, und auch die Migration ist finanziell abzubilden.

Aber trotz allem kann man etwas Positives bilanzieren: Unter dem Strich profitieren wir in Deutschland vom höchsten Lebensstandard in unserer Geschichte. Es geht uns besser als jeder Generation vor uns. Das ist vielen nicht immer bewusst! Der fürsorgliche Staat hat eben seinen Preis. Und dieser Preis nennt sich Steuern. Um zu geben, muss der Staat vorher nehmen!

Ganz wichtig aber ist, dass es beim Steuerzahlen gerecht zugeht. Ohne Steuergerechtigkeit keine Grundakzeptanz für unsere Steuerordnung. Wer sich beim Steuerzahlen in die Büsche schlägt, wer das Schwarzgeld zu seiner persönlichen Währung macht, der ist kein kleiner Steuersünder.

Viel zu lange hat man verharmlosend von einem Kavaliersdelikt geredet. Wer Steuern hinterzieht, der betrügt die Gemeinschaft aller Steuerzahler. Wer dem Staat die Steuern auf kriminelle Weise vorenthält, treibt vor allem Schindluder auf dem Rücken aller Ehrlichen!

Thomas Eigenthaler

sta

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