Kommentar zum CDU-Parteitag

Gelungener Stabwechsel mit Aufbruchsstimmung

Es ist vollbracht: Thomas Strobl ist in Ehren abgetreten als Landeschef, Manuel Hagel hat die Partei begeistert. Die CDU konzentriert die Kräfte, um das große Ziel zu erreichen: 2026 wieder in die Villa Reitzenstein einzuziehen. 

Manuel Hagel, Kandidat für den Landesvorsitz der CDU Baden-Württemberg, winkt beim Landesparteitag der CDU Baden-Württemberg nach seiner auf einem Stuhl stehend den Delegierten zu. Nach dem angekündigten Rückzug von T- Strobl will Manuel Hagel für den Landesvorsitz kandidieren.

Bernd Weißbrod)

Reutlingen. Es war die zentrale Frage im Raum: Wie tritt der designierte Parteivorsitzende auf? Trifft er den richtigen Ton? Kann er die Delegierten mitreißen? Die Antwort hat der 35-jährige Manuel Hagel gegeben: Ja, er kann. Er fand die richtige Mischung: Appell an identitätsstiftende Themen, klare Kante in der Migrationspolitik, hier forderte er gar eine „180-Grad-Wende“. Die Basis der CDU streichelte er rhetorisch, indem er auf die klassischen bürgerlichen Werte zurückgriff: Fleiß, anständige Arbeit, Ehrlichkeit.

Das kommt an bei den Delegierten, die Grunderzählung lautet: Wir sind die Partei derjenigen, die sich auf den Hosenboden setzen und etwas voranbringen. Und das Gegenmodell ordnete er – ohne sie groß zu benennen – den Grünen zu, oder diffus den linken Kräften: Nicht Chancengleichheit zum Start, sondern Ergebnisgleichheit am Ziel.

Viel Lametta über den Machtkampf gehängt

Hagel hat die richtige Tonart gefunden, teilweise Jubel ausgelöst und mit fast 92 Prozent ein nahezu realsozialistisches Ergebnis erzielt. Gleichzeitig ist es gelungen, Thomas Strobl in allen Ehren zu verabschieden. Der minutenlange Beifall im Stehen kam von Herzen, eine Hommage an einen Unermüdlichen. „Ein anständiger Kerl“, sagte Hagel über Strobl. So wurde mit viel Lametta der vorangegangene Machtkampf überdeckt. Nichts sollte das Bild der Harmonie an diesem Moment trüben.

Denn Hagel hat eines erkannt – und auch als Fraktionschef mit großer Verve verfolgt: Geschlossenheit ist die Voraussetzung zum Sieg. Das war in der Südwest-CDU früher eher selten der Fall. Mit dem Reutlinger Parteitag ist der Graben, der seit dem Mitgliederentscheid zwischen Günther Oettinger und Annette Schavan die Partei durchzogen hat, zumindest zugeschüttet.

Den Abschied von Thomas Strobl lesen Sie hier.

Der Graben in der Partei ist zugeschüttet

Der Gegensatz zwischen Liberalen und Konservativen, Großstädtern und dem ländlichen Raum – er spielt jetzt keine Rolle mehr. Alles wird dem großen Ziel untergeordnet, 2026 dann nach 15 Jahren wieder in die Villa Reitzenstein einzuziehen. Die betrachtete die CDU früher als ihre gute Stube, doch Winfried Kretschmann hat diese nicht nur zu seinem Wohnzimmer gemacht. Er hat auch einen erheblichen Teil des konservativen Wählerpotenzials gebunden, und so den natürlichen Regierungsanspruch der Union in Frage gestellt.

Die Grünen hat Manuel Hagel nur zwei mal kurz erwähnt. Und das mit einem rhetorischen Kniff: „Das Erbe von Winfried Kretschmann ist bei der CDU in guten Händen.“ Dieses Bonmot gefiel sogar dem Parteichef Friedrich Merz. So hat sich der neue starke Mann der Südwest-CDU von den Grünen abgegrenzt, fast ohne sie zu erwähnen. Oder zum „Hauptgegner“ zu erklären.

Profilierung und Pragmatismus sind nun gefragt

Nun gilt es, die beiden neuen Machtzentren im grün-schwarzen Bündnis, Strobl und Hagel, gut zu koordinieren. Und trotz aller Rhetorik beginnt ab Montag wieder der grün-schwarze Regierungsalltag, in dem konstruktives Miteinander statt Abgrenzung gefragt ist.

Doch die Partei hat die Reihen geschlossen, stellt sich hinter den 35-Jährigen aus Ehingen, dem die Spitzenkandidatur 2026 nach menschlichem Ermessen nicht mehr zu nehmen ist. Die Union hat die Machtfrage geklärt, während die Grünen an der Stelle unsortiert sind, und ihnen der Bundestrend ins Gesicht weht. Mit der Antrittsrede hat Hagel sein Gesellenstück geliefert. Wenn ihm bis 2026 die Gratwanderung zwischen Profilierung und Pragmatismus gelingt, winkt ihm der Meistertitel.

Rafael Binkowski

Chefredakteur des Staatsanzeigers

0711 66601 - 293

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