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Polizeigesetz

IT-Experte hält Palantir derzeit für alternativlos

Der Innenausschuss hat Experten zum Entwurf des neuen Polizeigesetzes angehört. Thomas Berger, Präsident des Präsidiums Technik, Service, Logistik der Polizei machte deutlich, dass es darum gehe, Befähigungslücken der Polizei zu schließen.
Mehrere bunte Kabel sind in einen Netzwerk-Switch eingesteckt.

Im Innenausschuss ging es am Mittwoch um den Entwurf für das neue Polizeigesetz. Und darum, welche Befugnisse die Polizei zur automatisierten Auswertung von Daten erhalten soll.

dpa/Julian Stratenschulte)

Stuttgart. Thomas Berger stellt gerne die richtigen Fragen. An diesem Mittwoch im Innenausschuss des Landtags lauteten die zentralen Fragen für ihn: „Können wir verantworten, was wir tun? Und mit welchen Maßnahmen und mit welchen Maßgaben können wir diese Verantwortung tragen?“ Technologie habe immer das Potenzial, Schaden zuzufügen, so Berger. Worauf es ankomme, sei, in welchem Rahmen man die Dinge nutzen und in welchem Kontext.

Polizeipräsident Berger: „Müssen die Befähigungslücke schließen“

Berger geht es nicht darum, eine bestimmte Software, beispielsweise Palantir, einzusetzen. Es geht ihm darum, mit neuen Befugnissen die Befähigungslücke der Polizei zu schließen. „Wir müssen sie schließen. Weil die, die gegen uns arbeitet, gegen die Bürger, die haben diese Befähigungslücke nicht, sondern die gehen mit der Zeit.“ Die Polizei müsse in der Lage sein, die Menschen in allen Lebensbereichen zu beschützen. Und zwar so, dass sie die Sicherheit für selbstverständlich empfinden. „Wir werden die Verantwortung übernehmen für den Einsatz dieser Software, egal welche es sein wird, auf der Basis der Grundlage des Gesetzes, das wir dringend brauchen.“ Er hoffe darauf, dass dieses im November verabschiedet wird.

Der IT-Sachverständige Michael Weidner vom Fraunhofer-Institut für sichere Informationstechnologie begrüßt den Gesetzentwurf. Denn eine moderne Datenanalyse, mit oder ohne KI, sei in allen Bereichen unverzichtbar geworden. „Für die Polizeiarbeit bedeuten sie einen doppelten Gewinn. Quantitativ kann weniger Personal mehr Daten sichten, qualitativ werden existierende Datenberge überhaupt erst vollständig auswertbar, ohne Automatisierung ist das praktisch nicht mehr möglich.“ Entscheidend ist für ihn: „Wir sprechen von einem Werkzeug, wir sprechen nicht von einer Wunderwaffe, die die Arbeit der Polizei übernimmt.“ Werkzeuge hätten kein Eigenleben, sie suchten sich nicht selbstständig ihre Daten im Netz, sie dächten sich nicht selbstständig Regeln aus. Der Gesetzgeber definiere mit dem Gesetzentwurf einen abstrakten Rahmen, und die Polizei als Betreiber müsse darin agieren.

Experte: Risiko externer Angriffe ist gering

Das Risiko externer Angriffe hält Weidner für minimal, denn die Systeme werden in isolierten, abgeschotteten Rechenzentren der Polizei betrieben, nicht in der Cloud, nicht im Ausland. Technisch und organisatorisch werde sichergestellt, dass Daten nur hinein, nicht aber hinausfließen. „Die Befürchtungen mit Blick auf den US-Cloud-Act werden damit gegenstandslos.“ Weidner weist darauf hin, dass Verfügbarkeitsprobleme durch Schwachstellen oder verzögerte Updates aus seiner Sicht das verbleibende Risiko darstellten. Alternativen zu Palantir sieht er nicht, Palantir sei seit 2003 technologischer Marktführer. Der Unternehmenssitz in den USA bedeute Einflussmöglichkeiten durch die US-Regierung genauso wie es bei jedem anderen US-Konzern der Fall sei, etwa Microsoft.

Justus Vasel beschäftigt sich an der Universität Düsseldorf mit öffentlichem Recht. Auch er sieht bei der Polizei eine Befähigungslücke, die geschlossen werden müsse. Für den Gesetzentwurf findet er aus rechtswissenschaftlicher Perspektive vor allem lobende Worte. „Denn wir wissen, dass diese Software in mehreren Bundesländern bereits eingesetzt wird, zum Teil auch ohne eine ausreichende – jedenfalls aus verfassungsrechtlicher Perspektive ausreichende – Legitimationsgrundlage.“

Der Gesetzentwurf in Baden-Württemberg ist aus seiner Sicht überwiegend sehr gelungen. Man habe sowohl die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2023, was die Anforderungen an die automatisierte Datenanalyse angehe, reflektiert, als auch Lehren gezogen aus den Normen der anderen Bundesländer, so Vasel.

Anwaltsverband übt Kritik am Vorgehen bei der Software Palantir

Skeptischer zeigte sich Peter Kothe, der Präsident des Anwaltsverbandes Baden-Württemberg. Bereits das Vorgehen mit Blick auf Palantir wecke Bedenken, da der Gesetzgeber faktisch in Zugzwang gesetzt werde, weil anderenfalls erhebliche Finanzmittel in nicht nutzbringender Weise investiert würden. Die behauptete Alternativlosigkeit des Programms, mit der die Beschaffung gerechtfertigt werde, sieht der Verband nicht.

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