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Porträt der Woche

Grünen-Politiker Johannes Kretschmann im Porträt

Er trägt einen berühmten Namen und wandelt auf den Spuren seines Vaters. Der Sohn des Ministerpräsidenten schnuppert als Bundestagsabgeordneter der Grünen an der großen Politik. Aber nur kurz.

Johannes Kretschmann gehört seit 27. Januar dem Bundestag an.

dpa/Felix Kästle)

Bevor der Autor dieser Zeilen überhaupt dazu kommt, eine Frage zu stellen, trifft Johannes Kretschmann eine Feststellung: Der Fragesteller klinge, als ob er aus Berlin oder Brandenburg komme. Ob das stimme?

Und da wird klar, dass der Sohn des schwäbischen Ministerpräsidenten und der berlinernde Journalist ein gemeinsames Thema haben, das viele Menschen bewegt. Identität durch Sprache. Oder zumindest durch eine gewisse sprachliche Färbung, die die Herkunft verrät. Wer bin ich, wozu gehöre ich, wo bin ich zu Hause? Das scheint für Johannes Kretschmann ein Leitmotiv zu sein. Verbunden mit dem Drang, den Dingen auf den Grund zu gehen, nicht locker zu lassen, bis er die Antwort kennt.

Wie zum Beispiel nennt man die Schnur mit zwei Enden, die er statt einer Krawatte trägt? In seiner Musikkapelle sage man „Bändel“ dazu, es gebe aber auch die Bezeichnungen „Hemdkordel“, „Kragenschieber“ und „Texaspeitsche“.

Unser Gespräch findet am Montag im dritten Stock des Reichstags statt. Über uns die gläserne Kuppel, darunter der Plenarsaal. Herren in feinstem Zwirn und Damen im schicken Kostüm eilen zu den Fraktionssälen; Kretschmann ist in seinem gebrauchten Anzug eher underdressed. Es ist die zweite und letzte Plenarwoche für den 46-jährigen Grünen, der am 27. Januar für die verstorbene Bundestagsabgeordnete Stephanie Aeffner nachgerückt ist.

Am Tag danach um 12.51 Uhr ist schon alles vorbei. Da endet die letzte Sitzung. Präsidentin Bärbel Bas (SPD) ruft die Bürgerinnen und Bürger auf, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen und dankt den Schriftführern, Saaldienern und Stenografen – und den scheidenden Abgeordneten. Also auch Johannes Kretschmann, der für den neuen Bundestag nicht kandidiert.

Warum tut er sich so etwas an? Kretschmann hätte auch nein sagen können – ohne Angabe von Gründen. Wie Margit Stumpp, die vor Kretschmann auf der Landesliste stand und verzichtete.

Eine Antwort könnte lauten, dass der Geisteswissenschaftler noch immer auf der Suche ist. Er hat schon vieles ausprobiert, war Warm-Upper bei „hart aber fair“, Moster in Mössingen und Sargträger bei einem Bestattungsinstitut. Er hat sich bewusst gegen den sicheren Lehrerberuf entschieden – anders als die Eltern, die Geschwister und der Schwager. Er lebte zwölf Jahre in Berlin und jetzt wieder in Sigmaringen-Laiz in unmittelbarer Nähe seiner Eltern. Sein Geld verdient er, wenn er nicht gerade dem Bundestag angehört, mit Schwäbisch. Er hat eine Bühnenschau und gibt Mundartunterricht.

Die andere Antwort könnte lauten, dass er die Hoffnung, dass es mit der Politik doch noch etwas werden könnte, dass er einmal mehr sein könne als der Sohn des Ministerpräsidenten, nicht aufgegeben hat. Dafür spräche seine Hartnäckigkeit, die er auch bei seiner vergeblichen Bundestagskandidatur 2021 unter Beweis stellte. Außerdem sitzt er seit 2014 im Sigmaringer Kreistag und führt dort die Grünen-Fraktion an.

Falls es aber doch nichts werden sollte, wird Kretschmann Junior zumindest eine Erinnerung bleiben. An seine Jungfernrede am 31. Januar um 0.11 Uhr. Thema ist die Landwirtschaft. Drei Minuten darf er sprechen. Danach umarmt ihn Cem Özdemir – der Mann, der in einem Jahr Ministerpräsident von Baden-Württemberg wird, wenn es nach Kretschmann Senior geht.

Drei Fragen…

Was unterscheidet den Kreistag von Bundestag?

Mein Eindruck: nicht viel. Die kochen auch nur mit Wasser.

Was hätten Sie sich gewünscht?

Mehr inspirierende Reden. Mehr Aha-Effekte.

Der Ton ist aber doch ein anderer.

In der Tat. Wenn etwa Rolf Mützenich vom Tor zur Hölle spricht: Was will man dann noch sagen, wenn es noch ernster wird?

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