Strobl tritt als CDU-Landeschef ab

Kann Manuel Hagel die Rolle als Hoffnungsträger erfüllen? 

Eine Ära geht zu Ende: Nach 18 Jahren als Generalsekretär und Parteichef tritt Thomas Strobl auf dem Parteitag in Reutlingen ab. Anders als früher lief das (fast) ohne Reibungen ab. Manuel Hagel übernimmt – und soll die Erwartungen erfüllen, die Partei wieder in die Villa Reitzenstein zu führen.

Florian Hummel ist Landesvorsitzender der Jungen Union - und erhofft sich vom künftigen Parteichef Manuel Hagel ein deutlich konservativeres Profil. Er selbst setzt auf eine deutlichere Abgrenzung zu den Grünen. Foto: Achim Zweygarth

dpa/Bernd Weißbrod)

Stuttgart. Wer Thomas Strobl in diesen Tagen und Wochen erlebt, kann eine gewisse Erleichterung wahrnehmen. Nach den angespannten Wochen eines internen Machtkampfes im Sommer ist die Entscheidung gefallen: Strobl wird am 18. November auf dem Landesparteitag nicht wieder antreten und macht den Weg für den 35-jährigen Fraktionschef Manuel Hagel frei.

Dass dieser Wechsel nicht zu einem Schisma in der Partei geführt hat, ist wohl sein letzter großer Dienst an der Landespartei. Einen Grabenkampf zu vermeiden, wie er 2006 beim Mitgliederentscheid zwischen Günther Oettinger und Anette Schavan entstand und die Partei bis heute teilweise prägt, war das oberste Ziel. Hagel und Strobl haben die Macht geteilt: Der Jüngere wird Parteichef, der Ältere bleibt Minister.

Sogar der Parteichef Friedrich Merz kommt am 18. November nach Reutlingen. Strobl war lange Zeit im Bundestag, war Vizefraktionschef und hat dort die Landesgruppe geleitet. Ehe er ins Land wechselte. Sein größtes Verdienst war wohl, die CDU 2016 zurück in die Regierung geführt zu haben. Gegen interne Widerstände – der damalige Spitzenkandidat Guido Wolf wollte die Grünen als Koalitionspartner ausschließen, was Strobl verhinderte. Zwar durfte er nie selbst Spitzenkandidat werden – doch gegen den „Menschenfischer“ Winfried Kretschmann hätte er wohl ohnehin keine Chance gehabt. So war und ist er ein Stabilitätsanker für Grün-Schwarz, hat die Partei zur Mitte geöffnet und modernisiert.

Wie sieht die Parteibasis diesen Wechsel? Das Echo ist zwiespältig, wenn man etwa in die Heimat von Strobl, nach Heilbronn, blickt. Thomas Randecker, Fraktionsvorsitzender der CDU im Gemeinderat, sagt: „Ich persönlich bedauere seine Entscheidung sehr, habe aber natürlich volles Verständnis.“

Zum potenziellen Nachfolger hat er aber eine klare Meinung: „Manuel Hagel halte ich für einen sehr geeigneten, jungen Mann, der sich jetzt so vor der kommenden Landtagswahl 2026 sicher gut in Stellung bringen kann.“ Die Stimmung sei gut.

Wie die Basis den Machtwechsel sieht

Und in der Heimat des designierten Parteichefs Manuel Hagel? Dort sieht Michael Mouratidis , der als CDU-Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat Ehingen die direkte Nachfolge von Hagel dort angetreten hat, Strobl weiter als wichtigen „Teamplayer“. Er bewertet seine Entscheidung so: „So wie ich Thomas Strobl kenne, macht er diesen Schritt aus voller Überzeugung und steht vollkommen hinter Manuel.“

Natürlich freut man sich hier an der Donau über „Rückenwind für Manuel Hagel“, Mouratidis beschreibt die emotionale Lage so: „Die Stimmung bei der CDU Alb-Donau-Ulm ist seit Jahren nicht mehr so gut gewesen.“ Aber auch auf neutralem Territorium, etwa in Stuttgart, stehen für den dortigen CDU-Fraktionsvorsitzenden im Gemeinderat, Alexander Kotz, die Chancen der Partei im Mittelpunkt. Kotz sagt: „Wie üblich nach einer langen Amtszeit eines Vorsitzenden gibt es mit einem Wechsel eine positive Aufbruchsstimmung.“

Besonders laut für den Wechsel getrommelt hat die Junge Union. Deren Landesvorsitzender Florian Hummel muss sich am Wochenende auf dem Landestag zunächst selbst der Wiederwahl stellen. Die Chancen stehen gut, wie man hört, bislang ist kein Gegenkandidat bekannt. Der 26-Jährige stammt aus Sinsheim, ist Büroleiter des Mannheimer Bundestagsabgeordneten Moritz Oppelt und führt seit 2021 den CDU-Nachwuchs. „Seit der Entscheidung nehme ich eine positive Stimmung in der Partei wahr“, sagt er. Von dem neuen Parteichef erwartet er sich mehr Profil. „Wir müssen die Partei weiter modernisieren und inhaltlich aufstellen“, so Hummels Forderung.

Dass Hagel schon in der Vergangenheit am konservativen Profil geschärft hat, etwa mit Vorstößen zur Flüchtlingspolitik oder der Unterstützung der Volksinitiative gegen Gender-Sprache in der Verwaltung, wird vom Parteinachwuchs begrüßt. Hummel wünscht sich mehr davon: Er bekennt sich zu einem G-9-Abitur, in der Energiepolitik würde er gerne die jüngst abgeschalteten Kernkraftwerke wieder hochfahren, Fracking und CO 2 -Speicherung ausbauen. Und das Grundrecht auf Asyl in eine „Institutionsgarantie“ umwandeln.

Geht das alles mit den Grünen? Das ist für Florian Hummel gar nicht unbedingt erstrebenswert. „Ich werfe den Grünen Doppelzüngigkeit vor, weil man in Baden-Württemberg die Dinge anders erklärt als in Berlin“, sagt der 26-Jährige. Eine grün-schwarze oder schwarz-grüne Koalition nach der Landtagswahl ist für ihn also nicht das primäre Ziel. Das macht deutlich: Die Erwartungen an der Parteibasis sind groß, auch weil mit der AfD eine starke Konkurrenz am rechten Rand erwachsen ist. Die auch in Baden-Württemberg inzwischen bei knapp 20 Prozent liegt.

Nun gilt es zunächst, die kommenden drei Jahre Grün-Schwarz weiter zu gestalten. Dieses Bündnis will bis 2026 auch die Junge Union nicht platzen lassen. Und Manuel Hagel hat mit seinem Vorstoß in der Sommerpause, die Union werde „keinen anderen grünen Ministerpräsidenten als Winfried Kretschmann“ wählen, gewollt oder ungewollt für Stabilität in der Koalition gesorgt.

Zunächst gilt es also, die beiden Machtzentren in der Union zu koordinieren: Thomas Strobl als Innenminister und Vize-Ministerpräsident, Manuel Hagel als Partei- und Fraktionschef. Wen soll Kretschmann anrufen, wenn er eine Entscheidung trifft? In der Union verweist man dazu auf den Koalitionsausschuss, in dem ohnehin schon beide sitzen.

Strobl wirkt mit sich im Reinen und scheint, so berichten es Beobachter, bereit zu sein, der nächsten Generation das Feld zu überlassen. Immerhin hat er selbst Manuel Hagel einst als Generalsekretär vorgeschlagen und als Fraktionschef gefördert, lobt intern sein „großartiges Talent“. Dass Hagel noch am eigenen Profil und dem der Partei arbeiten muss, ist aber unbestritten.

Das sieht man auch an seiner „Homebase“ in Ehingen so. Dass Hagel 35 Jahre jung ist und auch jung aussieht, sieht etwa der Ehinger CDU-Fraktionschef Michael Mouratidis eher als Chance: „Manuel kann trotz seines jungen Alters gut mit Führungsaufgaben umgehen, das hat er schon immer bewiesen. Bisher hat er alles mit Bravour gemeistert.“

Bleibt Generalsekretärin Isabell Huber im Amt?

Mit Interesse wird auf dem Parteitag in Reutlingen schon auf eine erste Personalentscheidung geschaut: Wird er an Isabell Huber als Generalsekretärin festhalten? Die 36-Jährige wurde von Strobl berufen und stammt wie er aus Heilbronn. Auch der Parteivorstand wird neu gewählt, die Zahl der Stellvertreter könnte von drei auf vier aufgestockt werden.

Mit Spannung wird Hagels Bewerbungsrede erwartet. Kann er der Partei Hoffnung und Richtung geben? Gleichzeitig wird man Thomas Strobl danken – und das hat er verdient.

Ein Text von Marie Provencal und Rafael Binkowski

Foto: Achim Zweygarth
Florian Hummel ist Landeschef der Jungen Union – und erhofft sich für die CDU ein deutlich konservativeres Profil. Foto: Achim Zweygarth
Rafael Binkowski

Chefredakteur des Staatsanzeigers

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