Essay

So ist die AfD keine Alternative für Deutschland

Selbst wenn sich die moderateren Kräfte am Ende durchsetzten: Der turbulente Landesparteitag in Rottweil hat gezeigt, dass die AfD immer noch ein „gäriger Haufen" ist, als den Alexander Gauland seine Partei einst bezeichnete.

Beim Landesparteitag in Rottweil ging es bisweilen ziemlich ruppig zu, insbesondere zu Anfang, als noch nicht klar war, ob die Veranstaltung in der überfüllten Halle überhaupt stattfinden konnte. Landeschef Markus Frohnmaier (vorne links) musste sich gegen Widerstände aus dem Lager seines Konkurrenten Dirk Spaniel den Weg zum Mikrofon bahnen.

dpa/Christoph Schmidt)

Was ist das nur für eine Partei? Diese Frage stellen sich nicht nur besorgte Bürger, die für Demokratie und gegen Rechtsextremismus auf die Straße gehen, sie beschäftigt nicht nur den Verfassungsschutz in Bund und Ländern, sondern sie macht auch manch einem Kopfzerbrechen, der sich der AfD verbunden fühlt – jener Partei, die vor elf Jahren von Euro-Kritikern gegründet wurde und seither immer weiter nach rechts driftet. Sogar nach den Maßstäben einer Marine Le Pen, die nicht mit Leuten in einen Topf geworfen werden möchte, die das Wort „Remigration“ im Munde führen.

Die AfD, die gerne betont, sich anders als Angela Merkel stets ans Grundgesetz gehalten zu haben, müsste sich endlich von jenen Mitgliedern trennen, deren Bestrebungen nicht vom Grundgesetz gedeckt sind. Doch da will sich niemand die Finger verbrennen. Niemand hat Lust, das Schicksal von Frauke Petry und Jörg Meuthen zu teilen, die die Partei im Streit verließen, nachdem sie vergeblich versucht hatten, die Extremisten rauszuschmeißen.

Auch nach dem turbulenten Landesparteitag am Wochenende in Rottweil ist keineswegs ausgemacht, dass es jetzt in die richtige Richtung geht, obwohl sich die Moderateren durchsetzen konnten. Denn zum einen könnten die Vorstandswahlen noch angefochten werden – von den Verlierern rund um den ehemaligen Landesvorsitzenden Dirk Spaniel. Und zum anderen sind auch die wiedergewählten Chefs Markus Frohnmaier und Emil Sänze nicht über jeden Zweifel erhaben, haben sie doch zumindest in der Vergangenheit die Grenzen des Sagbaren ausgetestet.

In gewisser Weise ist die AfD Opfer ihres eigenen Erfolgs. Bestünde nicht die Möglichkeit, dass sie ab Herbst in Thüringen, Sachsen und in Brandenburg mitregiert, hätte vielleicht der eine oder andere Funktionär den Mut, die Dinge beim Namen zu nennen. Und Björn Höcke nicht als verträumten Nationalisten, sondern als Rechtsextremisten zu bezeichnen.

Würde die AfD den Weg von Marine Le Pen gehen, die sich von ihren extremistischen Wurzeln verabschiedet hat (oder dies zumindest vorgibt), könnte sie tatsächlich eine Alternative für Deutschland sein, als die sie sich bekanntlich bezeichnet. Als möglicher Koalitionspartner für Union oder FDP, mit denen die AfD programmatisch einiges verbindet. Damit könnte jene Repräsentationslücke geschlossen werden, die sich aufgetan hat, seit ein Fünftel der Deutschen eine Partei präferiert, die zwar in den Parlamenten, nicht aber in den Regierungen sitzt. So könnte der Politikverdrossenheit Einhalt geboten werden. Und nicht durch ein Parteiverbot, das lediglich erreichen würde, dass die AfD-Wähler heimatlos würden – oder sich andere, noch radikalere Parteien suchten.

Man kann die Rückwärtsgewandtheit mancher AfDler belächeln. Und doch ist, wer Abtreibungen verbieten, Dieselfahrverbote aufheben und Atomkraftwerke wieder anschmeißen will, kein Verfassungsfeind. Mal abgesehen davon, dass andere Parteien das ähnlich sehen – man denke nur an Markus Söders Kampf für den letzten bayerischen Meiler.

Auch beim Thema Migration ist die AfD von der politischen Konkurrenz nicht mehr weit entfernt, zumindest wenn man die offiziellen Erklärungen der Rechtspopulisten zum Maßstab nimmt. Nahezu alle wollen inzwischen die Zuwandererzahlen deutlich senken. Auch die Forderung, Menschen ohne Bleiberecht „im großen Stil“ abzuschieben, wie es der Kanzler ausdrückt, ist beliebt. Und selbst die Idee, Asylverfahren in Afrika durchzuführen, gewinnt immer mehr Anhänger.

Anders sieht es da schon aus, sollte sich die AfD die Thesen eines Martin Sellner zu eigen machen. Thesen, die bei manchem durchaus ins Weltbild passen – etwa in der AfD-Jugendorganisation, der Jungen Alternative.

Der Rottweiler Parteitag nahm nur deshalb ein glimpfliches Ende, weil sich in den entscheidenden Momenten die Bundesvorsitzende Alice Weidel einschaltete und die Truppe um Spaniel in die Schranken wies.

Doch es war nicht zu übersehen, dass es im „gärigen Haufen“, als den Alexander Gauland seine Partei einst bezeichnete, immer noch arbeitet. Solange die AfD einen Flügel duldet, der Probleme mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung hat, solange sie sich nicht von ihren Höckes trennt, ist sie keine Alternative, jedenfalls keine, die Deutschland guttut.

Michael Schwarz

Redakteur Politik und Verwaltung

0711 66601-599

Nutzen Sie die Vorteile unseres

Premium-Abos. Lesen Sie alle Artikel aus Print und Online für

0 € 4 Wochen / danach 167,00 € jährlich Nachrichten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren

Lesermeinungen

Bitte loggen Sie sich ein, um zu kommentieren.