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Martina Braun hat ihre Wurzeln im Schwarzwald

Rund 80 Rinder leben auf dem Hof von Martina Braun und ihrer Familie im Schwarzwald. Im Sommer sind sie tagsüber auf der Weide.
Michael Stifter)Furtwangen. Die Fahrt zur Landtagsabgeordneten Martina Braun führt idyllisch über zunehmend schmaler werdende Straßen in den Schwarzwald. Entlang von kleinen Flüssen, Wald und Hängen, an denen Kühe weiden. Dann ein kleines Dorf. Etwa 140 Menschen leben im kleinsten Ortsteil von Furtwangen (Schwarzwald-Baar-Kreis). Neben dem Gemeindehaus, einer kleinen Kirche und einem Spielplatz liegt der Hof von Martina Braun und ihrer Familie. Ein Mehrgenerationenhaus, wie Braun sagt. Unten wohnt die Tochter mit Familie, oben ihr ältester Sohn, der den Hof inzwischen übernommen hat, und in der Mitte sie selbst mit ihrem Mann.
Martina Braun stammt selbst nicht aus der Landwirtschaft. Die pharmazeutisch-technische Assistentin hatte mehrere Jahre in einer Apotheke gearbeitet, bevor sie in den Hof eingeheiratet hat. Ihr Vater war Beamter bei der Post, ihre Mutter hat in der Fabrik gearbeitet. „Eine Herkunft, wie sie hier viele haben“, sagt die 65-Jährige, die auch im kommenden Jahr wieder für ihren Wahlkreis in den Landtag einziehen will. Ihr Kreisverband hat sie ohne Gegenstimme nominiert. Auf der Landesliste steht sie auf Platz 25.
Man kennt „die Martina“ in der Region
Viele, die ihr die Stimme bei den beiden vergangenen Landtagswahlen gaben, sind keine typischen Grünen-Wähler. Doch man kennt „die Martina“ in der Region. Sie ist hier aufgewachsen, zur Schule gegangen, hat ihre Ausbildung gemacht, gearbeitet. 1999 wurde sie als erste Frau in den Ortschaftsrat gewählt, bis 2009 war sie stellvertretende Ortsvorsteherin. Dann wurde sie in den Kreistag gewählt – „mit überraschend gutem Ergebnis“, wie sie selbst sagt.
Braun steht mit beiden Beinen fest im Leben und im Alltag. Sie packt an, ist zuverlässig. „Wer nicht anpackt, kann einpacken“, ist ihr Motto. Sie ist viel im Wahlkreis unterwegs, bietet Bürgerstammtische an. „Ich will mit den Leuten auf Augenhöhe sprechen, ihnen zuhören“, sagt Braun. Das Bild „die da oben“ mit Blick auf den Landtag in Stuttgart, will sie entkräften. „Ich bin nicht anders als vorher und nehme die Wahlkreisarbeit sehr ernst.“
„Der Küchentisch ist unsere Zentrale – dort landen die kleinen und großen Probleme“
Wobei Braun inzwischen durch die Arbeit im Landtag in zwei Welten lebt. Während der Sitzungszeit des Parlaments ist sie meist von Dienstag bis Donnerstag in Stuttgart. Das städtische Umfeld ist ihr fremd, vieles macht sie nachdenklich oder traurig, etwa die vielen Obdachlosen. Doch die Arbeit im Landtag, der Austausch mit den Kollegen macht ihr Spaß. Spannend sei, sich in neue Themen einzuarbeiten. Doch sie freut sich auch auf die Zeit zu Hause, auf die Sommerpause mit den vier Enkelkindern. Zu Hause kann sie Kraft tanken. „Der Küchentisch ist unsere Zentrale – dort landen die kleinen und großen Probleme.“
Im Landtag ist sie Sprecherin für Tierschutz der Grünen und Mitglied im Verkehrsausschuss sowie im Ausschuss für Ernährung, ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Themen, in denen sie zu Hause ist und in die sie ihren Sachverstand aus der Praxis mit einbringt. Sie und ihr Mann sind schon früh neue Wege in der Landwirtschaft gegangen. Bereits in den 1980er-Jahre haben sie ihren Betrieb extensiviert, Ende 1999 war er dann auf Biolandbau umgestellt. „Unser Tal war eine Keimzelle für die Ökoschiene bei der Schwarzwaldmilch. Fünf Haupterwerbsbetriebe haben damals gleichzeitig umgestellt“, erzählt sie.
Auch bei der Tierhaltung war ihr Hof einer der ersten mit einem Boxenlaufstall, wo sich die Tiere auch im Winter frei bewegen können. Im Sommer sind die Kühe tagsüber ohnehin auf der Weide.
Vorderwälder aus dem Schwarzwald gehalten
Was für Besucher und Urlauber idyllisch anmutet, ist aber harte Arbeit. Auf dem Hof der Brauns werden Vorderwälder gehalten, eine alte Zweinutzungsrasse aus dem Schwarzwald. Das bedeutet, dass diese Tiere sowohl Milch als auch Fleisch liefern. Zugleich gelten die Vorderwälder als gefährdete Nutztierrasse. Wichtig ist Braun, dass die Tiere gut aufwachsen. So behalten sie auf dem Hof alle Kälber und ziehen sie groß, auch die männlichen. Diese werden kastriert und gehen zwei Sommer mit auf die Weide. Erst im Alter von etwa 2,5 Jahren werden sie geschlachtet. Das ist ein Thema, das ihr am Herzen liegt, auch politisch: Keine Kälbertransporte ins Ausland. „Wir machen seit vielen Jahren Direktvermarktung von Fleisch“, sagt sie. So sei auch der Weg zum Schlachter für die Tiere stressfrei.
Wie sie als Sprecherin für Tierschutz ihre Kühe zum Schlachter bringen und essen kann? Wer die Kulturlandschaft im Schwarzwald erhalten will, wer die Täler frei halten will, braucht Viehwirtschaft, sagt Braun. Denn der Wechsel zwischen Wald und offenen Flächen ist durch die Weidehaltung entstanden und die Nutzung der Tiere zur Milch- und Fleischerzeugung. Wichtig sei jedoch, den Tieren ein gutes Leben zu ermöglichen.
„Mit meiner praktischen Erfahrung weiß ich, wo die Schwachstellen sind. Das hilft, wenn man Verbesserungen erreichen will“, sagt Braun über ihre politische Arbeit. Wobei sie einräumt, dass es, gerade in Teilen der Grünen-Partei, keine leichte Aufgabe sei, für den Tierschutz zu sprechen, wenn man selbst Nutztiere hält und schlachtet. „Aber ich weiß, wie man maximal guten Tierschutz machen kann, insbesondere in der Nutztierhaltung.“
„Ich lebe von der Natur und arbeite mitten in der Natur“
Weitere Themen, die sie beschäftigen, sind etwa die Erzeugerpreise und das Geld, das Landwirte für ihre Produkte bekommen. Noch hat sie auch die Hoffnung nicht aufgegeben, dass die Ergebnisse des Strategiedialogs Landwirtschaft entsprechend aufgegriffen werden. Denn wenn der Handel mit „regional“ wirbt, dürfe es nicht sein, dass auf der anderen Seite mehr und mehr Höfe aufgeben.
Auch die Bürokratie ist eine Herausforderung. „Wenn ein paar Quadratmeter Fläche falsch eingetragen sind, gilt man schon als Subventionsbetrüger“, sagt sie mit Hinblick auf die Flächenprämien der EU. Ein weiteres Problem sei, dass Flächen neu kartiert würden, etwa bei EU-Naturschutzrichtlinien wie Flora-Fauna-Habitat, ohne dass die betroffenen Landwirte informiert würden. Das sei eine falsche Herangehensweise.
„Landwirtschaft geht uns alle an – wir essen, trinken, wollen tolle Landschaft, sauberes Wasser, gute Böden, Klimaschutz“, sagt sie und kritisiert, dass Landwirtschaft in den Köpfen der Menschen unterrepräsentiert sei. „Landwirtschaft muss präsenter sein, nicht nur bei Skandalen. Das sehe ich als meinen Auftrag“, sagt Braun. „Ich lebe von der Natur und arbeite mitten in der Natur. Deshalb ist mir der Schutz von Umwelt, Natur und Tieren wichtig.“
Zur Person
Martina Braun, Jahrgang 1960, hat zunächst eine Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin gemacht und in der Apotheke gearbeitet. 1983 übernahm sie mit ihrem Mann den Bauernhof seiner Familie.
Ihr politisches Engagement begann im Ortschaftsrat, später folgte der Kreistag. Auch war sie von 2001 bis 2008 im Vorstand des Bioland-Landesverbands. 2016 zog sie erstmals in den Landtag ein. Braun setzt sich besonders für die Landwirtschaft und die Zukunft des ländlichen Raums ein.