Themen des Artikels
Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen
Mehr als ein Drittel der Schulwege sind nicht in Ordnung

Viele Schulwege in sind wegen der Elterntaxis zur Gefahrenzone geworden. Bundesweit starben im vergangenen Jahr bei Schulweg-Unfällen 53 Kinder.
IMAGO/Funke Foto Services)Stuttgart. Das Thema beschäftigt Kommunen, Schulverantwortliche und das Verkehrsministerium schon lange. Zufahrtsbeschränkungen werden ausprobiert und Zonen außerhalb des Schulgeländes eingerichtet, um sich dort verabschieden zu können. Per Erlass hat Minister Winfried Hermann (Grüne) vor Beginn des Schuljahrs dafür gesorgt, dass Städte und Gemeinden Beschränkungen „einfach, rechtssicher und ohne großen bürokratischen Aufwand“ vornehmen können.
Wie notwendig ein Umdenken ist, unterstreicht der „ACE-Schulweg-Index“. Immerhin wird kein einziger der untersuchten Schulwege im Land als „gefährlich“ eingestuft. „Nicht in Ordnung“ sind aber 35 Prozent. Abgeleitet werden die Ergebnisse aus der Detailanalyse der Situation an 26 Standorten und der üblichen Ankunft sowie dem Abholen von 7500 Kindern.
Die Eltern bekommen kein wirklich gutes Zeugnis
In einem von zwei Fällen kam es zu Verstößen gegen Verkehrsregeln. Am häufigsten wurde Halten auf Einfahrten registriert, auf Gehwegen oder in Halteverboten. Die Durchschnittswerte sagen wenig über die tatsächliche Lage vor Ort aus. So fielen bei der Thiebaut-Schule in Ettlingen nur fünf Prozent der Eltern negativ auf, bei der Nordstadtschule in Pforzheim waren es 86. Immerhin steigen aus 18 Prozent der Elterntaxis Kinder zur Straßen- und nicht zur Gehwegseite aus.
Bewertet wurde auch die Infrastruktur rund um die Standorte: von der Beleuchtung, die in hundert Prozent der Fälle als ordentlich zensiert wurde, bis zum Schulwegeplan, der bei 88 Prozent der Schulen vorlag. 92 Prozent haben keine Elternhaltestelle, 88 Prozent keine Schulweglotsen und 88 Prozent liegen auch nicht in verkehrsberuhigten Zonen.
Das Bewusstsein schärfen will der ACE mit einer bundesweiten Statistik, wonach 2024 rund 27 000 Kinder auf dem Schulweg verletzt wurden, dreitausend davon schwer. 53 Unfälle waren tödlich.
„Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Kinder in Baden-Württemberg sicher, gesund und eigenständig zur Schule kommen können“, appelliert der Verkehrsminister, „ganz egal auf welche Weise, zu Fuß, mit dem Roller oder dem Fahrrad.“ Den Kommunen sei die rechtliche Grundlage gegeben worden und auch praktische Unterstützung zur konkreten Situation vor Ort.
Das Land hat das Programm „Movers“ aufgelegt. In Abstimmung mit dem Innen- und dem Kultusministerium sind Positivbeispiele zusammengetragen. Erläutert wird unter anderem der Unterschied zwischen Schulstraßen und der temporären Sperrung von Streckenabschnitten im direkten Umfeld zu Beginn und zum Ende des Schultages oder Schulzonen. Für die muss eine dauerhafte Verkehrssperrung gelten. „Es gibt gute Vorbilder“, sagt Hermann, „die schnell und unkompliziert Wirklichkeit werden können.“
Der ACE appelliert, Schulwegepläne verpflichtend einzuführen
Der ACE lobt Baden-Württemberg, weil im Bildungsplan Grundschule Unterrichtseinheiten zu „Mobilität und Verkehr“ vorgesehen sind. Und an die Kommunen appelliert der Verkehrsclub, Schulwegpläne verpflichtend einzuführen und jährlich zu aktualisieren. So sollen Spielstraßen oder verkehrsberuhigte Zonen entstehen, der Bring- und Holverkehr häufiger kontrolliert oder Halteverbote durchgesetzt werden.
Betont wird die Rolle von Helfern an Brennpunkten zur Unterstützung von Polizei und Ordnungsämtern samt einer breiten Aufklärung. Es seien Fälle bekannt, in denen Mütter oder Väter Lotsen für ihr Tun und ihre Hinweise kritisiert oder aggressiv angegangen hätten. Bei regelmäßigen Anfeindungen, so der praktische Tipp im Schulweg-Index, könne eine Verlagerung von Verantwortung weg von Ehrenamtlichen hin zu Kommunen vorgenommen werden. Das führe zu mehr Verbindlichkeit, außerdem sei so ein aggressives Verhalten von Eltern besser zu sanktionieren.
Schulweg-Untersuchung des Auto Club Europa
Das Ziel der Schulweg-Untersuchung ist nach Angaben des Auto Club Europa (ACE) gewesen, „ein flächendeckendes Lagebild der Sicherheit sowohl im ländlichen Raum als auch in urbanen Regionen zu zeichnen“. Deshalb sei ein Verteilungsschlüssel entwickelt worden für eine gleichmäßige Umsetzung. Untersucht wurde an 167 ausgewählten Schulen in allen 16 Bundesländern. Beteiligt waren zwölf hauptamtliche ACE-Regionalbeauftragte sowie rund 700 Ehrenamtliche beteiligt. Und auch „engagierte Eltern, die auf uns zugegangen waren mit der Bitte, prekäre Situationen zu überprüfen“, schreibt der ACE.