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Rettungshubschrauber

Neuer Paragraf soll Verlegung erlauben

Mit der Novelle des Rettungsdienstgesetzes will das Innenministerium auch die geplante Verlegung von „Christoph 45“ legitimieren. Bisher müssen Rettungshubschrauber bei einer Klinik stationiert sein. In Zukunft soll die Standortfrage daran nicht gebunden sein.

Das Innenministerium will den Rettungshubschrauber „Christoph 45“ vom Bodensee ins Hinterland verlegen. Dagegen rührt sich in Friedrichshafen Widerstand.

Katy Cuko)

Friedrichshafen/Stuttgart. Das Land hat auf seinem Beteiligungsportal den Entwurf für das neue Rettungsdienstgesetz veröffentlicht. In Paragraf 3 findet sich ein Satz, der das Innenministerium aus einer juristischen Zwickmühle befreien soll. Die Änderung ist zwingend nötig, wenn die Landesregierung den neuen Standort für „Christoph 45“ durchsetzen will. Denn der Rettungshubschrauber soll am Klinikum Friedrichshafen abgezogen und nach Deggenhausertal-Wittenhofen verlegt werden. So hat es das Ministerium vor gut einem Jahr verkündet. Mit dem Umzug von etwa drei Flugminuten nach Nordwesten soll der Helikopter bei Einsätzen schneller beispielsweise im Raum Sigmaringen sein.

Doch diese Entscheidung hätte nie so nie ausfallen dürfen. Bisher legt das Rettungsdienstgesetz fest, dass Rettungshubschrauber „bei geeigneten Krankenhäusern“ stationiert sein müssen. In Wittenhofen mitten im Grünen gibt es aber keine Klinik. Auch deshalb ist eine Klägergruppe, darunter Notarzt Benjamin Conzen aus Friedrichshafen, vor das Verwaltungsgericht Stuttgart gezogen. In dem Verfahren hat das Land schriftlich erklärt, sich vorerst an geltendes Recht zu halten. Vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens werde eine Verlegung des Rettungshubschraubers Christoph 45 nicht erfolgen.

In Zukunft kann das Ministerium über den Standort frei entscheiden

Im Gesetzentwurf schafft das Innenministerium den rechtlichen Bremsklotz beiseite. „Die Standorte der Luftrettungsstationen werden landesweit durch das Innenministerium festgelegt“, steht nun im neuen Paragrafen 3. Weitere Vorgaben gibt es nicht. Geht das Gesetz so durch den Landtag, stünde der Verlegung von „Christoph 45“ zumindest juristisch nichts mehr im Weg.

Dies ist schon allein deshalb bemerkenswert, weil es unter dem rund 80 Standorten für die zivile Luftrettung in Deutschland bislang nur einen Rettungshubschrauber gibt, der weder an einer Klinik noch an einem Flugplatz stationiert ist, und zwar „Christoph 64“ in Angermünde (Brandenburg). Bei mehr als der Hälfte aller Rettungshubschrauber steht der Hangar direkt an einem Krankenhaus. Alle anderen sind zumindest an einem Flugplatz oder an einem Luftrettungszentrum, von denen zwölf der Bund betreibt, stationiert. Im neuen Standortkonzept für Baden-Württemberg möchte das Land neben Deggenhausertal-Wittenhofen auch in Osterburken (Neckar-Odenwald-Kreis) eine neue Station auf die grüne Wiese bauen.

Die Stationierung eines Rettungshubschraubers an einem Krankenhaus sei „grundsätzlich nicht notwendig“, begründet das Innenministerium auf Anfrage. Die Standortvorgabe sollte ursprünglich sicherstellen, dass genügend Notärzte für die Rettungshubschrauber da sind. Daneben müssten die Standorte aber auch gleichmäßig verteilt und die Hubschrauber einsatzfähig sein.

Ministerium verweist auf häufigen Nebel, Notarzt widerspricht

Erneut verweist das Innenministerium auf eine Argumentation, die am Klinikum Friedrichshafen seit Vorliegen des Gutachtens für Kritik sorgt: „Christoph 45“ habe im Jahr 2018 mit 34 Tagen landesweit am häufigsten wegen Nebel am Boden bleiben müssen. Das stimme nicht, sagt Benjamin Conzen, der auch Notarzt auf dem Rettungshubschrauber ist. „An 18 Tagen davon wurde der Hubschrauber von der Leitstelle schlichtweg nicht alarmiert“, sagt er. Damit blieben 16 Tage übrig, an denen wegen des Wetters nicht geflogen werden konnte – ähnlich wie an den Standorten Ulm (17 Tage) oder Leonberg (14 Tage).

Innenministerium argumentiert mit Zahlen von 2018

Das Innenministerium argumentiert, dass mit der Verlegung von „Christoph 45“ laut Gutachten auch mit einer deutlich besseren Auslastung des Hubschraubers zu rechnen sei. Vom neuen Standort in Deggenhausertal-Wittenhofen könnten „bis zu 200 zusätzliche Primäreinsätze“ jährlich geflogen werden. Die Gutachter gingen von rund 150 Primäreinsätzen mehr aus. Im Jahr 2018, Datengrundlage für das Gutachten, flog „Christoph 45“ zu 1050 Einsätzen. 2022 waren es bereits 1209 Einsätze, was einen Rekordwert in der fast 45-jährigen Fluggeschichte des in Friedrichshafen stationierten Helikopters darstellt. Häufiger hoben im Jahr 2022 im Land nur die Rettungshubschrauber in Villingen-Schwenningen (24-Stunden-Dienst), Ulm und Freiburg ab. Die Hubschrauber in Stuttgart, Leonberg, Mannheim und Karlsruhe hatten alle um die 1100 Einsätze.

Katy Cuko

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