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Nora Welsch ist die neue Beauftragte für Menschen mit Behinderung

Nora Welsch ist neue Beauftragte der Landesregierung für Menschen mit Behinderung.
Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration)Auf zwei Rädern und mit zwei Assistenten war sie sieben Monate unterwegs – rund um die Welt , um persönliche und berufliche Erfahrungen zu sammeln. Ende Mai hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ihr die Ernennungsurkunde überreicht: Nora Welsch ist die neue Beauftragte der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen , als Nachfolgerin der frischgewählten Stuttgarter Bundestagsabgeordneten Simone Fischer (Grüne).
Die 32-Jährige sitzt im Rollstuhl, ist dauerhaft auf Hilfe angewiesen, kann gerade deshalb ein selbstbestimmtes Leben führen. Mehr als fünf Jahre war sie die kommunale Behindertenbeauftragte der Stadt Baden-Baden und übte damit eine Tätigkeit aus, die ihr erlaubte, so viel Geld zu verdienen und zu sparen, dass sie ein Sabbatical auf eben jener Weltreise verbrachte. Diese Teilhabe am Arbeitsleben will sie zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit machen: einen Job zu haben, sagt sie, bedeute nicht nur Einkommen, sondern auch Selbstbestimmung und gesellschaftliche Anerkennung.
Welsch: Mehr Inklusion mache volkswirtschaftlich Sinn
Nora Welsch ist in Heidelberg geboren. Sie hat am Gymnasium in Walldorf die Fachholschulreife erworben, danach Publizistik und Spanisch sowie Medien- und Kommunikationsforschung an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz studiert. Vor allem Sprachen zu lernen, habe sie schon während der Schulzeit begeistert. Sie spricht Englisch und Französisch, büffelt gerade Arabisch. Sie war beim Softwareunternehmen SAP und dem Deutschen Kinderhospizverein tätig, beklagt die zu geringe Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderungen gerade auch in der Landesverwaltung. Mehr Inklusion mache volkswirtschaftlich gesehen einfach Sinn, „und es ist absolut fair“.
Sie weiß, dass es hohe Hürden abzubauen gilt. Schon allein baulich, weil noch immer so viele Gebäude nicht barrierefrei sind. Sie weiß aber auch, wie erfolgreich es sein kann, an kleinen Stellschrauben zu drehen. Gerade auch Ihre Zeit im Ausland hat ihr viele Beispiele gezeigt. So hat sie in Japan Rollstuhlabteile im Zug erlebt, in denen sich die Reisenden auch hinlegen können. Und in Italien hat sie an Bussen einen Knopf gesehen, mit dem Menschen, die aussteigen, zum Beispiel Senioren, signalisieren, dass sie sicher draußen sind und die Fahrer weiterfahren können.
Nach ihrer Rückkehr hat sie zugleich aber Errungenschaften in Deutschland wieder neu wahrgenommen, etwa dass ihr der Rollstuhl und die Assistenz finanziert werden. Horizonterweiterung, sagt sie, ist von großer Bedeutung. Und dafür will sie jetzt in ihrer neuen Position mit sorgen, damit „Menschen leben können, so frei wie möglich“. (bjhw)
Drei Fragen …
Welche Hürden müssen in der Arbeitswelt rasch beseitigt werden?
Es gibt eine Vielzahl davon, einen Wirrwarr an Zuständigkeiten bei Unterstützungsleistungen zum Beispiel. Oder ein starkes Sondersystem an Werkstätten für Menschen mit Behinderung in Baden-Württemberg, das kaum Übergänge auf den allgemeinen Arbeitsmarkt schafft. Die gute Nachricht ist aber: Es gibt auch eine Vielzahl an Lösungen. Darauf müssen wir uns fokussieren.
Ist die Landesverwaltung Vorbild?
Ich persönlich erfahre viel Unterstützung an meinem neuen Arbeitsplatz. Die allgemeine Inklusionsquote in der Landesverwaltung mit 3,88 Prozent schwerbehinderter Menschen im Jahr 2023 ist aber zu niedrig. Der Trend der letzten Jahre, dass die Beschäftigungsquote sinkt, macht mich nicht glücklich. Hier braucht es mehr Anstrengungen, die ich gerne unterstütze.
Was packen Sie als erstes an?
Ich werde mich ab sofort schwerpunktmäßig mit der Teilhabe am Arbeitsleben beschäftigen. Menschen mit Behinderung in Baden-Württemberg sind engagierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die sehr gute Arbeit leisten und leisten wollen.