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Teilhabe an der Gesellschaft

Inklusion: Weder Nice-to-Have noch ein Sahnehäubchen

Inklusion bedeutet mehr als Barrierefreiheit. Es geht um die Möglichkeit der Teilhabe aller Menschen an der Gesellschaft. Das Zentrum für Kulturelle Teilhabe Baden-Württemberg fördert Inklusion und Vielfalt in Kultureinrichtungen. Ein Baustein ist das Förderprogramm „Kurswechsel Kultur“. Am Dienstag haben die Teilnehmenden der ersten Runde Bilanz gezogen.

„Alle Räume fliegen hoch“ vom Ensemble Divers im Zeitraumexit in Mannheim.

LYS Y. SENG)

Stuttgart. Gerade wurde „Kurswechsel Kultur – Netzwerk. Richtung. Inklusion.“ wieder neu ausgeschrieben. Das Kooperationsprojekt des Zentrums für Kulturelle Teilhabe Baden-Württemberg (ZfKT) und der Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (LKJ) startet ab September in die zweite Runde (siehe Kasten). Die Kultureinrichtungen der ersten Runde trafen sich am Dienstag im Hospitalhof in Stuttgart zur Abschlussveranstaltung.

„Inklusion ist kein Nice-to-Have, kein Sahnehäubchen, sie ist ein Recht, das immer noch vielen Menschen verwehrt bleibt“, sagt Markus Kosuch, Vorstandsvorsitzender der LKJ. Die Gesellschaft müsse Menschen mit Behinderung ganz selbstverständlich mitdenken.

Kunstministerin: „Ein wichtiges, oft zu wenig beachtetes Thema“

Auch Kunstministerin Petra Olschowski (Grüne) betont mit Blick auf den US-Präsidenten Donald Trump und sein Dekret gegen Initiativen für mehr Diversität und Inklusion in ihrem Video-Grußwort: „Gesellschaftliche Teilhabe und Inklusion ist nicht verhandelbar. Es ist ein wichtiges, oft genug zu wenig beachtetes Thema.“

Das Programm „Kurswechsel Kultur“ will dagegen steuern – zumindest, was die Inklusion in der Kultur anbelangt. 2023 bis heute wurden inklusive Projekte von sieben Kultureinrichtungen gefördert. Mit dabei sind das Junge Ensemble Stuttgart (JES), das Landestheater Württemberg-Hohenzollern Tübingen Reutlingen und das Nationaltheater Mannheim, ebenso das Theater Konstanz, das Theater RAMPE in Stuttgart, zeitraumexit aus Mannheim und das Zeppelin Museum Friedrichshafen.

Von Internetauftritten in Leichter Sprache über Audiodeskription für blinde und sehbehinderte Menschen und Training für taubes Führungspersonal bis hin zu Theaterinszenierungen mit Künstlerinnen und Künstlern mit Behinderung und dem Festival „Let’s Ally“ – insgesamt wurden 28 Projekte mit jeweils 15 000 Euro unterstützt.  „Ich persönlich finde besonders spannend zu verfolgen, welche künstlerischen Formen neu entstehen“, sagt dazu Birte Werner, Leiterin des ZfKT. „Denn wenn Barrierefreiheit in den Künsten von Beginn an gegeben ist, Künstler*innen mit Behinderung selbstverständlich beteiligt sind, entsteht ein Zuwachs an neuen ästhetischen Möglichkeiten.“

Inklusion braucht Zeit, Geld, Strukturen

Für die Projekte waren pro Einrichtung bis zu zwei Botschafterinnen und Botschafter verantwortlich. Diese trafen sich untereinander zum Netzwerken und Austausch. Es wurden bundesweit Kontakte zu Expertinnen und Experten geknüpft, Menschen mit Behinderungen wurden in die Projekte einbezogen. Das Annelie-Wellensiek-Zentrum für Inklusive Bildung der Pädagogischen Hochschule Heidelberg stand den Einrichtungen beratend zur Seite. Das neu entstandene Netzwerk wird vom Programmbüro der LKJ koordiniert und gepflegt. „Inklusion kann nicht nebenbei entstehen, sie braucht Zeit, Geld Strukturen“, sagt Kosuch.

Im Podiumsgespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der Kultureinrichtungen, moderiert von der Schauspielerin Kübra Sekin, die selbst im Rollstuhl sitzt, ging es dann zur Sache. Immer noch, so sagt etwa Christian Holtzhauer, Schauspielintendant am Nationaltheater Mannheim, werde darüber diskutiert, ob beim Bau eines neuen Gebäudes die Einrichtung eines behindertengerechten WCs notwendig sei oder nicht. Und Meike Sasse, Chefdramaturgin am Theater Konstanz, erzählt, wie sie mit dem Veranstaltungsservice „ Barrierefrei feiern“ ihr das für „Let’s Ally“ installierte Leitsystem begutachteten und sich herausstellte, dass es zu wenig Kontraste für Sehbehinderte gab – was dann schnell mit einem schwarzen Gaffa-Tape geändert wurde.

Das Wissen fehlt in vielen Kultureinrichtungen

Es ging um fehlendes Wissen in den Einrichtungen und um die Frage, wie nachhaltige Strukturen entstehen können. „Es braucht eine zuständige, verantwortliche Person“, sagt etwa Matthias Nagel, der beim JES die inklusiven Prozesse koordiniert und selber blind ist.

Die anwesenden Einrichtungen sind dabei auf einem guten Weg, wie auch die Diskussion am Ende zeigt: Mit „Kurswechsel“ habe sich die Haltung verändert, die Diskussionen seien anders. „Es ist mehr Selbstverständlichkeit eingezogen“, sind sich die Teilnehmenden einig.

Kurswechsel Kultur geht in die zweite Runde

Ab September 2025 startet die zweite Runde des Programms „Kurswechsel Kultur.“ Ab sofort können sich Kultureinrichtungen aus dem Land bewerben, die der Abteilung Kunst des Kunstministeriums zuzuordnen sind.

Aber auch Kommunen mit weniger als 40.000 Einwohnern beziehungsweise deren Kulturämter können teilnehmen. Die Bewerbungsfrist ist der 30. Juni. Das Programm dauert drei Jahre.

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