Kommentar zur Kretschmann-Nachfolge

Özdemir, wer denn sonst?

Die Grünen im Südwesten brauchen Cem Özdemir, um die Chance zu wahren, die Villa Reitzenstein zu verteidigen. Daher wird die Entscheidung nach den Wahlen im Juni fallen, das gilt als sicher.

Cem Özdemir, hier mit Umweltministerin Steffi Lemke, gilt als aussichtsreichster Favorit für die Nachfolge von Winfried Kretschmann als Ministerpräsident von Baden-Württemberg.

dpa / Joerg Carstensen)

Stuttgart. Über die Osterpause ist eine Meldung der BILD-Zeitung geplatzt, wonach sich die Grünen angeblich auf den Bundesagrarminister Cem Özdemir als Nachfolger von Winfried Kretschmann festgelegt haben. Umgehend hat der grüne Landesverband dementiert: Es habe sich nichts geändert, die Lage sei offen.

Doch wer mit offenen Augen und Ohren die Tätigkeit des ehemaligen Grünen-Bundesvorsitzenden verfolgt, für den kann es kaum einen Zweifel haben. Bei einem Plausch am Frühstückstisch des Ringer-Weltmeisters Frank Stäbler lächelte Özdemir auf die Frage, ob er es wagen wolle, so charmant, dass man das schon fast als Bewerbung deuten konnte.

Sogar der Spiegel berichtet über Özdemirs Ambitionen

Überregionale Medien bis hin zum Spiegel verfolgen die Terminflut von Özdemir im Land. Bei den Südwest-Grünen ist schon lange klar: Wenn der aus Bad Urach stammende Politiker will, dann wird er es. Und dass er will, auch angesichts völlig unklarer Perspektiven für die Ökopartei und die Ampel nach der Bundestagswahl 2025, dass Regierungschef in „The Länd“ die Krönung seiner Karriere wäre, darf als gesetzt gelten. Nur können und dürfen die Grünen das noch nicht sagen.

Schließlich amtiert Winfried Kretschmann noch recht tatfreudig in der Villa Reitzenstein bis 2026. Dafür hat auch CDU-Chef Manuel Hagel gesorgt, der einem vorzeitigen Stabwechsel im Sommer vergangenen Jahres eine Absage erteilt hat.

Özdemir steht noch im Feuer der Bauernproteste

Zu früh soll Özdemir nicht verbrannt werden – zumal er noch im Feuer der abflauenden Bauernproteste steht, und zur Beschwichtigung der Landwirte zunehmend unökologische Politik machen muss. Aber auch das könnte ihm als Ausweis von Pragmatismus als Super-Realo und Landesvater-Fähigkeit zugute kommen – denn genauso hat schließlich Kretschmann die Macht für die Grünen erobert und bald 15 Jahre für sich reklamiert.

Nach den Kommunal- und Europawahlen, so hört man es bei den Grünen, könnten die Weichen gestellt werden. Denn im Herbst muss sich Özdemir entscheiden, ob er wieder für den Bundestag kandidiert, oder sich um ein Landtagsmandat bewirkt. Wie Innenministerin Nancy Faeser (SPD) im Land einschweben und nach der Wahl wieder verschwinden, kommt nicht in Frage.

Ein spannendes Duell: Özdemir gegen Hagel

So könnte es auf ein Duell Özdemir gegen Hagel herauslaufen. Die aktuellen Umfragen zeigen die CDU vorne, doch die politische Stimmung kann schnell umschlagen. Letztlich ist Özdemir der einzige, der mit seinem Charisma die große Lücke ohne den Übervater Kretschmann füllen könnte. Die Partei braucht ihn, um überhaupt eine Chance zu haben, die Villa Reitzenstein zu behalten.

Wer sonst als Özdemir käme in Frage? Das Duell wird reizvoll, die Bürger haben eine echte Wahl.

Rafael Binkowski

Chefredakteur des Staatsanzeigers

0711 66601 - 293

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