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Pflegeheime in Baden-Württemberg unter Druck?

Die Zahl der Pflegeheimplätze in Baden-Württemberg steigt seit Jahren. Trotzdem warnt das „Netzwerk Alter und Pflege“ im Caritasverband Stuttgart-Rottenburg vor steigenden Kosten für Heimbewohner und wegfallenden Pflegeplätzen.
IMAGO)Stuttgart. Die Zahl der Pflegeheimplätze in Baden-Württemberg steigt seit Jahren. Trotzdem warnt das „Netzwerk Alter und Pflege“ im Caritasverband Stuttgart-Rottenburg vor steigenden Kosten für Heimbewohner und wegfallenden Pflegeplätzen. Grund dafür seien die Landesheimbau- und die Landesheimpersonalverordnung. Das Sozialministerium zeigt sich „nachhaltig irritiert über die pauschale, unsubstantiierte und auch nicht durchdachte Kritik“.
Angespannte Personalsituation
Die aktuelle Pflegestatistik des Statistischen Landesamts belegt: Von den insgesamt etwa 625.000 pflegebedürftigen Menschen in Baden-Württemberg wurden 2023 nur etwa 15 Prozent in einem Pflegeheim betreut. So kommen auf über 110.000 verfügbare Plätze etwa 93.000 Bewohner. Wenn man der Statistik folgt, gibt es in Baden-Württemberg also keine Unterversorgung. Die angespannte Personalsituation in den Pflegeheimen und auch steigende Kosten durch Eigenanteile für Patienten verschärfen die Gesamtlage.
Die Caritas beklagt nun in einer Pressemitteilung, durch die Landesheimpersonalverordnung würde den Heimen Flexibilität in der Personalplanung verloren gehen. Außerdem würden zu viele Fachkräfte mit bürokratischen Aufgaben unnötig gebunden. „Derzeit legt die Landesheimpersonalverordnung viele Regularien fest, die gut qualifiziertes Personal mit Tätigkeiten verplant, die keinen Mehrwert bringen“, sagte Boris Strehle, Sprecher des Netzwerks Alter und Pflege.
Fachkräftemangel schlägt sich durch
Auch laut dem Anfang September veröffentlichten Indikator der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft berichten 86,3 Prozent der Pflegeheime, dass es schwierig oder sehr schwierig ist, offene Stellen für Pflegefachkräfte zu besetzen. Zusätzlich haben knapp 45 Prozent Probleme bei der Einstellung von Pflegehilfskräften und fast 60 Prozent Schwierigkeiten, Ausbildungsplätze in der Pflege zu besetzen.
Auf Nachfrage betonte das Sozialministerium, man dürfe die Situation des belasteten Personals in den Einrichtungen nicht ignorieren. Sollten freie Heimplätze nicht belegt werden können, dürfe dies regelmäßig auf den Fachkräftemangel zurückzuführen sein. Das Ministerium steuere mit verschiedenen Maßnahmen dagegen an. Das Land engagiere sich beispielsweise bei der Fachkräftegewinnung im Ausland, bei der Steigerung der Ausbildungskapazitäten und der Attraktivität des Pflegeberufs.
Verbindliche Einzelzimmer
Neben den Vorgaben für Pflegekräfte kritisiert die Caritas auch die Landesheimbauverordnung. Sie wurde 2009 eingeführt und schreibt unter anderem verbindlich vor, alle Doppelzimmer in Einzelzimmer umzuwandeln. Wo nicht möglich, sollten die Doppelzimmer eine Größe von mindestens 22 Quadratmetern aufweisen. Auch bereits vorhandene Einzelzimmer, die nicht eine bestimmte Mindestgröße oder Raumaufteilung aufweisen, sollen umgebaut werden oder künftig wegfallen.
Für die Maßnahmen war den Pflegeheimen ursprünglich eine Übergangsfrist von zehn Jahren bis 2019 eingeräumt worden. Einige Heime hatten bis zu 25 Jahren Fristverlängerung bewilligt bekommen. Die Caritas beklagt, die Vorgaben der Verordnung würden dazu führen, dass bis zu 5000 Pflegeplätze wegfallen könnten. Auch gestiegene Kosten durch den Ausbau müsste an die Patienten weitergegeben werden. Kleinere Träger könnten sich laut Caritas Neubauten außerdem kaum leisten.
Kein Rückgang von Pflegeplätzen
Laut Sozialministerium orientieren sich die Vorgaben der Verordnung an der „Erhaltung von Würde, Selbstbestimmung und Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner“. Den Einrichtungen sei Zeit genug geblieben, sich auf die veränderte Situation einzustellen. Für Sonderfälle habe sich in der Regel auch eine praktikable Lösung vor Ort finden lassen. Seit der Einführung der Verordnung sei es tatsächlich nicht zu einem Rückgang von Pflegeplätzen gekommen. Im Gegenteil: Es seien Plätze hinzugekommen. Grund hierfür sei, dass gleichzeitig neue Einrichtungen entstanden seien.
Das Sozialministerium weist auch die Kritik zurück, mit einer Überregulation für hohe Heimkosten verantwortlich zu sein. Hier sei der Bund in der Reformverpflichtung, da die gestiegenen Kosten in erster Linie auf gestiegene Personalkosten zurückzuführen seien. Deshalb erarbeite der Bund derzeit im „Zukunftspakt Pflege“ entsprechende Reformvorschläge. Dabei sollen unter anderem die Eigenanteile an den Pflegeheimkosten planbar gemacht und begrenzt werden. Erste Eckpunkte für eine Pflegereform könnten bereits bis Ende des Jahres entwickelt werden.
Investitionskosten für Pflegeplätze: SPD fordert Beteiligung des Landes
Nach einer Auswertung des Verbandes der Ersatzkosten liegt die Eigenbeteiligung der Pflegebedürftigen derzeit im Durchschnitt bei 3237 Euro. Das sind 208 Euro mehr als vor einem Jahr. Zudem liegt Baden-Württemberg damit über dem Bundesschnitt von 2984 Euro. Die SPD-Landtagsfraktion hat deshalb immer wieder gefordert, dass das Land sich wieder an den Investitionskosten für die Pflegeplätze beteiligen sollte. Das Land hatte sich 2009 aus dieser Förderung – anders als andere Bundesländer – nahezu verabschiedet. Auch der Sozialverband VdK hatte Sozialminister Manne Lucha (Grüne) vor der Sommerpause aufgefordert, dafür zu sorgen, dass das Land sich wieder an den Pflegekosten beteiligt. „Investitionskosten sind vom Land zu tragen, da die Pflege zur Daseinsvorsorge in unserem Sozialstaat gehört“, sagte der Vorsitzende Hans-Josef Hotz. Diese Investitionskosten machten 460 Euro der Pflegekosten aus.