Glosse

So richtig schön hässlich

Manche Städte gelten als schön, andere als ausgesprochen hässlich. Ludwigshafen hat daraus augenzwinkernd einen Marketing-Gag gemacht. Und Reutlingen eifert dem nun nach. Motto: "Reutlingen muss man nicht mögen .... nur lieben". 

Der Werbespruch: "Leben, wo keiner Urlaub macht. - Reutlingen kannst Du nicht mögen." hängt am Bahnhof in Reutlingen.

dpa/Bernd Weißbrod)

„Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters“, wussten schon die alten Griechen. Das gilt auch für das Gegenteil. Ein hintersinniges Schmähgedicht der jüngeren deutschen Literatur handelt von der Stadt, in der der Kunde König und der Schnäppchenjäger Boss ist – und trägt den Titel  „Nachdem er durch Metzingen gegangen war“. Dann hebt der Dichter Robert Gernhardt an:  „Dich will ich loben, Hässliches, Du hast so was Verlässliches.“ Es endet mit: „Das Schöne gibt uns Grund zur Trauer, das Hässliche erfreut durch Dauer.“

Doch nach Urteil des Volkes ist Ludwigshafen, an der Landesgrenze von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, in punkto Anti-Ästhetik absolut konkurrenzfähig, ja überlegen. 2018 wurde Mannheims  Nachbar zur hässlichsten Stadt Deutschlands gekürt. Als augenzwinkernde Reaktion darauf bot die Verwaltung dann sogar Führungen zu besonders ekligen Ecken an.

Cleveres Marketing betreibt aktuell Metzingens Nachbarstadt Reutlingen, die als wesentlich schöner als Metzingen gilt, freilich dem gleichfalls benachbarten Tübingen hinterhinkt. Dort hängen seit Wochenanfang Schmähplakate mit provokanten Sprüchen wie „Leben, wo keiner Urlaub macht“, „Das s in Reutlingen steht für schön“ und „Das reu in Reutlingen steht für bereuen“. Die Stadt muss ihre kecke Kampagne mit dem Motto „Reutlingen muss man nicht mögen“ und dem späten Zusatz „… nur lieben“ freilich nicht bereuen. Die allgemeine Aufmerksamkeit ist der früheren Reichsstadt dadurch sicher. Das muss man nicht mögen oder gar lieben – doch die Werber sind entzückt.

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