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Sommerinterview: Hans-Ulrich Rülke

Hans-Ulrich Rülke: „Wir brechen niemals dauerhaft den Stab über die Grünen“

Eine Ampel vor 2026 wird es mit Hans-Ulrich Rülke nicht geben. Ansonsten schließt der FDP-Fraktionschef fast nichts aus – nicht einmal eine Zusammenarbeit mit der AfD, sofern sie sich von ihrem völkischen Flügel trennt, wofür er allerdings keine Anzeichen sieht: Derzeit gehe es eher in die entgegengesetzte Richtung, sagt Rülke dem Staatsanzeiger im Sommer-Interview.

Hans-Ulrich Rülke ist seit 14 Jahren FDP-Fraktionschef, zwölf davon in der Opposition. Er gilt als scharfzüngiger Regierungskritiker, kann sich jedoch zahlreiche Koalitionen vorstellen.

dpa/Bernd Weißbrod)

Staatsanzeiger: Hand aufs Herz. Opposition ist…, sagt Franz Müntefering.

Hans-Ulrich Rülke: Franz Müntefering sagt: Opposition ist Mist. Ich gebe ihm aber nicht Recht, Opposition ist eine demokratische Notwendigkeit. Die Wählerinnen und Wähler brauchen ja immer auch eine Alternative zur Regierung.

Hätten Sie sich die letzten zwölf Jahre so vorgestellt?

Bei jeder Wahl geht es natürlich darum, in Verantwortung gewählt zu werden. Aber die zwölf Jahre Opposition haben mich jetzt in keiner Weise demoralisiert.

Sind Sie manchmal auf den FDP-Landesvorsitzenden Michael Theurer neidisch, der als Verkehrsstaatssekretär im Bund jetzt so richtig was bewegen kann?

Das gönne ich ihm neidlos. Ich mache das, was ich mache, gerne. Wenn ich in die Bundespolitik hätte wechseln wollen, dann – da wage ich die Prognose – wäre mir das geglückt.

Die AfD läuft sich für künftige Regierungsbeteiligungen warm. Könnten Sie sich tatsächlich vorstellen, mit der AfD zu koalieren, wenn sie sich nur von Typen wie Emil Sänze und Björn Höcke trennt, wie Sie kürzlich andeuteten?

Wenn die AfD sich von ihrem völkisch-rassistischen Flügel trennen würde, dann wäre die AfD eine andere Partei. Und dann könnte man zumindest darüber nachdenken, mit der AfD über eine Zusammenarbeit zu reden. Aber wenn ich mir den jüngsten AfD-Parteitag anschaue, wer da alles gewählt wurde, um Deutschland in Brüssel zu vertreten, dann komme ich zu dem Ergebnis, dass die AfD den umgekehrten Weg geht, nämlich sich vom nationalkonservativen Flügel zu trennen und nur noch völkisch-rassistische Politik zu betreiben.

Gelten in der Kommunalpolitik andere Regeln, was die AfD angeht?

Nein, für mich nicht. Wir haben im Bundestag und im Landtag noch nie gemeinsam mit der AfD Anträge eingebracht. Und wir haben noch nie AfD-Anträgen zugestimmt. Und genauso handhabe ich das auch in der Kommunalpolitik in Pforzheim.

Wie bewerten Sie dann die neuesten Entwicklungen in Backnang und Stuttgart?

Ich halte das für eine Dummheit. Wenn man der Meinung ist, dass ein AfD-Anliegen richtig ist, bringt man selbst einen Antrag ein. Da muss man nicht einem AfD-Antrag zustimmen.

Sie würden eine mögliche Koalition mit der CDU auf Landesebene davon abhängig machen, dass Thomas Strobl geht. Messen Sie da nicht mit zweierlei Maß? Mit Stefan Mappus waren Sie gnädiger.

Nein. Stefan Mappus musste sich nie von der Justiz freikaufen.

Aber in der EnBW-Affäre hat er das Parlament übergangen.

Stefan Mappus hat – beraten von renommierten Anwälten – eine falsche Entscheidung getroffen. Aber es ist ein Unterschied, ob jemand politische Fehler macht oder ob er straffällig wird.

Müssten Sie nicht mit CDU-Fraktionschef Manuel Hagel pfleglicher umgehen, damit auch er mit Ihnen koalieren will und nicht nur Sie mit ihm?

Manuel Hagel und ich gehen pfleglich um. Er ist ein großes politisches Talent. Ich denke, dass er dazu in der Lage ist, der CDU nach den fürchterlichen Strobl-Jahren wieder politisches Profil zu geben. Ich traue ihm zu, die CDU wieder in die Villa Reitzenstein zu führen.

Manchmal klingt das im Landtag etwas anders. Da hat Hagel schon sehr empfindlich auf Ihre Attacken reagiert.

Ich empfehle die Lektüre der Pforzheimer Zeitung vom 29.7. Darin wird Manuel Hagel mit dem Satz zitiert, es mache einfach Freude mit mir im Landtag zu debattieren. Und so sehe ich das auch.

Sie schließen eine Wahl von Cem Özdemir zum Ministerpräsidenten während der laufenden Legislaturperiode aus. Wie sähe es denn danach aus? Können Sie sich 2026 so etwas vorstellen?

Das hat zunächst mal mit Cem Özdemir persönlich nichts zu tun. Wir als FDP-Fraktion haben gesagt, dass wir innerhalb dieser Legislaturperiode nicht für eine Ampelkoalition zur Verfügung stehen. Das gilt für den Fall, dass Grün-Schwarz scheitert und Winfried Kretschmann uns ein Angebot macht. Das gilt für Cem Özdemir, und das gilt für alle anderen Grünen. Es liegt ja nicht in unserer Hand, wer die Grünen in Baden-Württemberg anführt. Das Problem sind die grünen Inhalte. Die Grünen stehen für eine dirigistische Politik mit Solarpflicht auf jedem Dach, mit Windrädern, wo kein Wind weht, mit Vorschriften, welches Auto man noch fahren darf und welches nicht.

Und wofür stehen Sie?

Wir stehen für Technologie-Offenheit. Wir stehen dafür, dass man zurückkehrt zur verbindlichen Grundschulempfehlung und zum Gymnasium in neun Jahren. Und all das sehen wir momentan bei den Grünen nicht. Wie das 2026 aussieht, ist eine ganz andere Frage. Wir sind ja gute Christen und brechen niemals dauerhaft den Stab über andere.

Bevor Hans-Ulrich Rülke (vorne) mit der Familie an den Bodensee reiste, traf er Staatsanzeiger-Redakteur Michael Schwarz in Stuttgart zum Sommerinterview. Foto: Morfinoudi

Noch kurz zu G 9. Das Thema hat die FDP auch schon mal anders gesehen.

Wir haben ja, das sage ich durchaus selbstkritisch, vor 20 Jahren zusammen mit der CDU G 8 eingeführt. Der Hauptgrund war der Eindruck, den uns die Wirtschaft widergespiegelt hat, die Absolventen seien zu alt. 20 Jahre später stellen wir fest: Es gibt zunehmend junge Leute, die nach dem Abitur sagen: Ich möchte jetzt noch nicht die Weichen für mein Leben stellen, sondern mache erst mal ein Freiwilliges Soziales Jahr oder gehe auf Weltreise. Außerdem ist sowohl bei den Eltern als auch bei den Schülern der Wunsch nach G 9 übermächtig. Die meisten anderen Bundesländer haben das G 9 wieder eingeführt. Also wird es höchste Zeit einzusehen, dass G 8 ein Fehler war.

Im Bund nähert sich die FDP der Fünf-Prozent-Marke. Muss die Partei nicht langsam die Reißleine ziehen, damit sich 2013 nicht wiederholt?

Die FDP macht nicht Politik aufgrund von Umfragen, sondern hat in einer Zeit multipler Krisen die Verantwortung für Deutschland übernommen. Und diese Verantwortung gilt bis 2025, bis zum Ende der Legislaturperiode. Außerdem denke ich, dass die FDP einiges erreicht hat, etwa eine Steuerentlastung im Bereich der kalten Progression, ein Zuwanderungsgesetz, das dem Arbeitsmarkt zugute kommt und eine Vereinbarung mit Brüssel, die das Ziel hat, die illegale Migration zu begrenzen. Außerdem haben wir die Tür offengehalten für den Verbrennungsmotor ab 2035, wenn er denn umweltfreundlich betrieben werden kann. Im Übrigen hat die FDP auch manchen grünen Unsinn verhindert, wie zum Beispiel die schlimmsten Auswüchse des Gebäudeenergiegesetzes.

Auch im Land reißen Sie gerade, demoskopisch gesehen, keine Bäume aus. Hat das liberale Stammland als FDP-Hochburg ausgedient?

Im Mai waren wir in Umfragen noch zweistellig. Und jetzt gibt es eine einzige Umfrage, die uns bei sieben Prozent sieht. Wenn ich das jetzt zum Anlass nehmen würde, in Panik zu verfallen, wäre ich fehl am Platze.

Grün-Schwarz geht demnächst in die zweite Halbzeit. Eines müssen Sie der Landesregierung doch lassen: Sie streitet sich weniger laut als die Ampel.

Das stimmt. Das liegt daran, dass Thomas Strobl eine Koalition mit einer Leibeigenschaft verwechselt. Die CDU hilft, Dinge umzusetzen, die die Grünen in der Ampel in Berlin nicht durchsetzen können wie die Solarpflicht auf Dächern und eine Wärmeplanung, wie sie der ursprüngliche Gesetzentwurf von Habeck vorsah.

Zum Abschluss eine Sommerfrage: Wohin fahren Sie in Urlaub? Und womit?

Ende August für eine Woche an den Bodensee. Mit der ganzen Familie. Und mit zwei Autos, weil für fünf Menschen und das ganze Gepäck ein Auto nicht reicht.

Fünf Fraktionschefs – fünf Sommerinterviews

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