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Flächenfraß

SPD: Man darf den Kommunen nicht den schwarzen Peter zuschieben

Die Diskussion um den Flächenverbrauch in Baden-Württemberg spitzt sich zu: Einerseits wird dringend mehr Fläche für die Energiewende, den Wohnungsbau und Gewerbeansiedlungen benötigt, andererseits warnen Umweltschützer vor einer weiteren Bodenversiegelung. Der Landesnaturschutzverband fordert klare gesetzliche Vorgaben. Die SPD warnt davor, den Kommunen wieder den schwarzen Peter zuzuschieben.

Flächenfraß - die einen wollen mehr wirtschaftliche Entwicklungen, die anderen sehen die Umwelt gefährdet.

dpa | Jens Büttner)

Stuttgart. Die einen sind „in großer Sorge“ um wirtschaftliche Entwicklung und Zukunftsfähigkeit des Landes, weil womöglich nicht genügend Flächen für die Energiewende, den Wohnungsbau oder Gewerbeansiedlungen zur Verfügung stehen. Andere warnen vor einem Scheitern des schon 2006 ausgegebenen Ziels, mittelfristig überhaupt keine Böden mehr zuzubetonieren.

„Wir nehmen die Forderung der Netto-Null gar nicht mehr in den Mund“, sagt Gerhard Bronner , der Vorsitzende des Landesnaturschutzverbandes Baden-Württemberg, aber es brauche klarere gesetzliche Vorgaben als bisher. Denn: Versiegelter Boden sei „unwiederbringlich für die Nahrungsmittelproduktion sowie für Umwelt, Naturschutz und Erholungszwecke verloren“. 20 Organisationen haben sich zusammengetan und mehr als 53.000 Unterschriften für den Volksantrag „Ländle leben lassen“ gesammelt. Der muss im Landtag behandelt werden. Bei der obligatorischen Anhörung am Freitag im Plenarsaal wurde jedoch klar, dass eine Mehrheit für die Begrenzung des täglichen Flächenverbrauchs auf 2,5 Hektar – dies entspricht mehr als drei Fußballfeldern – nicht erreicht wird. CDU-Abgeordnete warnen, vor den Negativfolgen für Wirtschaft und Mittelstand. „Das wäre Gift“, prognostiziert Winfried Mack, der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion.

„eine Fläche wie das halbe Saarland wurde zubetoniert“

Die Landwirte haben Mack oder Gemeindetagspräsident Steffen Jäger diesmal nicht an ihrer Seite. „Der Rückgang der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Baden-Württemberg in rund 40 Jahren beträgt 140.100 Hektar“, so Marco Eberle, der Hauptgeschäftsführer des Landesbauernverbands in der Anhörung am Freitag im Landtag, „das heißt, eine Fläche wie das halbe Saarland wurde zubetoniert.“ Der Bauernvertreter verlangt die Fixierung verbindlicher Ziele, weil „Grundsätze und Appelle nicht ausreichen“. Es bestehe ein Vollzugsdefizit beim Schutz von landwirtschaftlichem Boden vor Versiegelung, dabei „sind wir alle sind auf ihn angewiesen, auf diese 30 Zentimeter oder drei Handbreit Materie unter uns, die unsere Nahrung wachsen und reifen lässt, die unser Trinkwasser und alle Lebensmittel mit Mineralstoffen ausstattet“.

Bronner verweist auf die konkrete Forderung des Bündnisses, ins neue Landesplanungsgesetz das von der grün-schwarzen Regierungskoalition beschlossene Flächensparziel als Ziel aufzunehmen, nicht als Grundsatz bei der Raumplanung. Denn: „Ziele müssen umgesetzt werden, über Grundsätze kann man sich in der Abwägung hinwegsetzen.“ Die Befürworter strengerer Vorgaben argumentierten zudem mit Nachteilen für jene Gemeinden, die schon jetzt auf Innenverdichtung setzen, wenn Nachbarn in der Region „den viel einfacheren Weg gehen“ ( Bronner ) und neue Gebiete ausweisen: „Wer sich schon vernünftig verhält, wird eine Obergrenze nicht spüren, und die anderen müssen sie spüren.“

SPD: Es braucht gemeinsame Lösungen

Gerade die Vertreter der Kommunalen Spitzenverbände halten dagegen. „Das bestehenden Instrumentarium reicht völlig aus“, sagt Michael Makurath , OB in Ditzingen und stellvertretender Städtetagspräsident. Jäger fordert „differenzierte Werkzeuge“, um den Gegebenheiten vor Ort gerecht werden zu können, und eine Aufgabe des Netto-Null-Ziels, weil das in einer anderen Zeit und bei sinkenden Bevölkerungszahlen formuliert worden sei. Jonas Hoffmann, zuständiger Sprecher der SPD-Fraktion, wandelte das Motto des Volksantrags um: Wenn das Ländle leben solle, dürfe nicht jeglicher Handlungsspielraum verschwinden. Baden-Württemberg müsse viel bedachter mit Flächen umgehen, aber zugleich dürfe den Kommunen „nicht wieder der schwarze Peter zugeschoben werden“. Vielmehr gehe es um die Suche nach gemeinsamen Lösungen.

Nach den Regelungen der Volksgesetzgebung muss sich der Landtag mit dem bereits in die laufenden Drucksachen mit der Nummer 17/6428 aufgenommenen Volksantrag befassen. Wird er abgelehnt, steht den Initiatoren frei, ein Volksbegehren zu starten. Im Koalitionsvertrag 2021 („Jetzt für Morgen“) hatten Grüne und CDU versprochen, „weiterhin am Ziel der Netto-Null festzuhalten“. Und im Zusammenhang mit dem dem neuen Landesentwicklungsplan beschreiben Grüne und CDU als „ambitioniertes Ziel: max. 2,5 Hektar pro Tag“ und „bis 2035 Netto-Null“.

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