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Studie: Migranten schätzen die Demokratie

Die Wertschätzung für Demokratie und Grundwerte ist laut einer aktuellen Studie bei Migratinnen und Migranten so hoch wie in der Gesamtbevölkerung.
IMAGO/Depositphotos)Mannheim. Die aktuelle, von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) begonnene Stadtbild-Debatte dreht sich auch um Fragen der Migration und deren Folgen. Bisweilen wird bezweifelt, dass Zuwanderer Demokratie und Grundwerte ebenso hoch schätzen wie die Gesamtbevölkerung.
Fast wie ein Beitrag dazu liest sich das Ergebnis einer neuen Studie des Soziologen Marc Helbling von der Universität Mannheim . Migranten in Europa bekennen sich demnach klar zu liberal-demokratischen Grundwerten – und zwar nahezu genauso stark wie Menschen ohne Migrationshintergrund.
Aktuelle Studie bestätigt frühere Vergleichserhebungen zum Thema
Helbling ist Vorstandsmitglied des Mannheimer Zentrums für Europäische Sozialforschung (MZES) und hat mit seinem Team zwei umfangreiche Datensätze zum Thema ausgewertet: den European Social Survey (ESS) und das Integrationsbarometer des deutschen Sachverständigenrats für Integration und Migration. „Unsere Ergebnisse zeigen: Zugewanderte bekennen sich ähnlich stark zu den zentralen demokratischen Prinzipien wie Personen ohne Migrationshintergrund“, sagt Helbling.
Denn beim ESS erreichen Migranten im Schnitt 8,56 von 10 Punkten, Nicht-Migranten 8,48; beim Integrationsbarometer betragen die Werte 2,67 respektive 2,66 auf einer Skala von null bis drei. „Diese jeweils sehr hohen Durchschnittswerte unterscheiden sich kaum“, so Helbling.
Der Befund, dass Demokratieerfahrung im Herkunfts- oder Aufnahmeland Überzeugungen festigt, passt zu Ansätzen der politischen Sozialisation und zum Befund großer, früherer Vergleichserhebungen wie dem World Values Survey, der über längere Zeiträume stabile Unterstützung für Normen wie freie Wahlen und Rechtsstaatlichkeit belegt. Helbling betont gleichwohl Nuancen: „Wer viele Jahre in einem sehr autoritären System lebt, entwickelt tendenziell etwas schwächere demokratische Einstellungen… Der Unterschied ist allerdings wirklich klein.“
Zugewanderte aus stärker autoritären Staaten kommen etwa aus Eritrea, Saudi-Arabien und Iran; eher demokratische Länder sind Indien, die Türkei und Rumänien. „Grundsätzlich werden demokratische Grundüberzeugungen über kulturelle und nationale Grenzen hinweg geteilt und sie verfestigten sich in der Regel mit zunehmender demokratischer Lebenserfahrung“, so Helbling.
Herkunft ist ein weniger wichtiger Aspekt bei Vertrauen in Demokratie
Pauschalurteile sind fehl am Platz. Die Forscher ermittelten antidemokratische Minderheiten im mittleren einstelligen Bereich – und zwar in allen Gruppen. „Unsere Analysen zeigen, dass antidemokratische Haltungen kein spezifisches Migrationsphänomen sind“, so Helbling. Damit widerspricht die Studie alarmistischen Deutungen und stützt die wissenschaftliche Forschung, die Einstellungen eher durch soziale Lage, Bildung, Mediennutzung und Vertrauen in Institutionen erklären als allein durch die Herkunft.
Eben sind zwei weitere Studien zum Vertrauen in die Demokratie erschienen. Mit dem Funktionieren der Demokratie auf Landesebene sind laut dem neuen Demokratie-Monitor der Uni Hohenheim in Baden-Württemberg 63 Prozent der Menschen zufrieden. Im Durchschnitt aller Bundesländer sind es nur 53 Prozent.
Eine aktuelle Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung konstatiert wachsenden Demokratieverdruss. Danach zweifeln doppelt so viele Bürgerinnen wie 2019 daran, dass die Demokratie funktioniert.