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Südwest-CDU gibt sich mit Carsten Linnemann selbstbewusst

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann (rechts) und Manuel Hagel, Landesvorsitzender der CDU Baden-Württemberg, laufen in der Alten Kelter beim Politischen Aschermittwoch der CDU Baden-Württemberg zu ihrem Platz.
dpa/Bernd Weißbrod)Fellbach. Die Alte Kelter in Fellbach ist bis auf den letzten Platz gefüllt, 1800 Gäste. Der CDU-Anhang kommt zahlreich zum Politischen Aschermittwoch. Nicht nur, weil mit Carsten Linnemann als CDU-Generalsekretär ein Vertrauter des wohl künftigen Kanzlers Friedrich Merz extra aus Berlin angereist ist. Die Union befindet sich im Aufwind. 800 neue Mitglieder, das Kanzleramt ist in Sichtweite. Und CDU-Landeschef Manuel Hagel hofft, in einem Jahr auch wieder die Villa Reitzenstein übernehmen zu können.
Seinen voraussichtlichen Herausforderer, den Noch-Agar- und Bildungsminister Cem Özdemir, nennt Hagel in seiner Eröffnungsrede nicht beim Namen. Den Ausputzer gibt der Rems-Murr-Kreisvorsitzende und Staatssekretär Siegfried Lorek: „Wir brauchen keinen gescheiterten Politimport aus Berlin als Trojanisches Pferd.“ Es ist Aschermittwoch, daher wird ausgeteilt bei Weißwürsten, Brezeln und Maultaschen in der Alten Kelter: „Er ist zurückgetreten wegen der Bonusmeilen, gescheitert als Minister, jetzt will er den nächsten Dienstwagen.“
Hagel nennt das Bundestagswahlrecht „undemokratisch“
Hagel beschwört die Geschlossenheit der Partei. „Wir kümmern uns als Baden-Württemberg-Partei zuerst ums Land, und nicht um uns selbst.“ Die Mordtat von Mannheim kommentiert Hagel so: „Es kann doch nicht sein, dass das neue Normal ist.“ Und er greift erneut das Wahlrecht zur Bundestagswahl an, wonach der Wahlkreissieger nicht automatisch im Parlament sitzt. Das hatte die Südwest-CDU am 23. Februar besonders stark getroffen: „Ich sage es wieder: Dieses Wahlrecht ist undemokratisch.“
Eine Einordnung der politischen Lage finden Sie hier.
Einmal mehr grenzt sich Hagel von der AfD ab, sie sei intellektuell, habituell das Gegenteil der CDU. „Wir schlagen sie aber nicht mit Kumbaya Mylord und Lichterketten.“ Ein wenig Kulturkampf darf es dann auch sein: Hagel berichtet, er sei gefragt worden, ob er die Fasnetszunft seiner Heimat Ehingen nicht statt „Wilder Weiber“ doch besser „Wilde Frauen“ nenne könnte: „Sie heißt nun mal so, das ist doch genau das, was uns alle nervt.“
Freundlicher Empfang für „Carschten“ Linnemann
Gleichzeitig bereitet Hagerl schon die sich in Berlin abzeichnende Groko vor: „Es kann mit den Sozialdemokraten gelingen.“ Grün-Schwarz in Baden-Württemberg könnte ein Vorbild sein, wie man ausgleichend zusammen arbeitet.
Das ist das Stichwort für Carsten Linnemann, frisch aus Berlin eingeflogen. „Ich weiß immer, wenn ich in Baden-Württemberg bin, da sagt man immer ‚Carschten‘ zu mir“, schmeichelt er das Publikum, und nennt den Aschermittwoch den „größten politischen Stammtisch Deutschlands“. Er freut sich, Berlin verlassen zu können: „Das schlimmste bei den Koalitionsverhandlungen ist das Essen.“
Lob für den Generationswechsel von Strobl und Hagl
Und er erzählt dazu die Anekdote, dass sich seine Mutter Sorgen macht, dass er genug isst – und er schickte ihr ein Foto per Whatsapp. „Aber es war nicht mein Teller, sondern der Teller von Peter Altmaier.“ Linnemann zählt die nicht gewählten Wahlkreissieger auf und sagt: „Das ist eine Sauerei!“ Es gibt viel Lob für den Generationswechsel von Ex-Parteichef Thomas Strobl zu seinen Nachfolger Manuel Hagel, der verständlich rede, klug und ein „feiner Kerl“ sei – und ruft ihn schon mal als „nächsten Ministerpräsidenten“ aus.
Aber was sagt Linnemann zu den Koalitionsverhandlungen in Berlin, die er entscheidend mitgestaltet? Erstmal watscht er die Grünen ab: „Die Fokussierung auf Elektro und die Wärmepumpe, das ist das Ergebnis grüner Politik.“ Özdemir nennt er einen „netten Kerl, ich schätze den wirklich“, aber Baden-Württemberg sei nicht das „Abklingbecken für gescheiterte Minister“.
Wie kann eine Koalition mit den Sozialdemokraten gelingen?
Der CDU-Politiker nennt Bedingungen für die Koalition mit der SPD: Mehr Netto vom Brutto etwa bei Überstunden: „Leistung muss sich wieder lohnen.“ Dazu mehr Eigenverantwortung, flexiblere Arbeitszeiten, mehr Druck für Arbeitslosengeldempfänger zu arbeiten – Linnemann ist bekannt für seine wirtschaftsliberalen Forderungen.
Zweitens fordert er, dass „die Politik den Menschen wieder vertrauen“ müsse, Stichwort Bürokratie, die er ein „Misstrauensvotum des Staates“ nennt. Und als drittes Thema nennt er „Null Toleranz“ bei Sicherheitsfragen.
Linnemann lobt die Justizministerin Marion Gentges (CDU), dass hier als einzigem Bundesland das beschleunigte Verfahren angewandt werde. „Wir brauchen eine Ausweitung auf ganz Deutschland.“ Und natürlich Migration: „Es muss mal Schluss sein mit diesen Fliegern aus Afghanistan mit angeblichen Ortskräften.“
Die Union hofft auf den doppelten Machtwechsel
Besonders viel Vorgehen auf den geplanten Koalitionspartner ist nicht zu vernehen. Gut, es ist Aschermttwoch, nicht die Zeit für differenzierte Botschaften. Zurück in Berlin beginnt die Fastenzeit, dann ist die Kompromissfähigkeit gefragt.
So hofft man auf einen doppelten Machtwechsel in Berlin und Stuttgart. Der Kreisvorsitzende Siegfried Lorek formuliert es so: „Lothar Späth, Erwin Teufel und Günther Oettinger waren alle Fraktionsvorsitzende, bevor sie Ministerpräsidenten wurden. Manu, bei dir habe ich ein gutes Gefühl.“
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