Verfassungsresilienz

Wann dürfen Parteien verboten werden?

Das Verbot der NPD ist gescheitert, die rechtsextreme „Junge Alternative“ wird Ende März aufgelöst. Wann überhaupt Parteien verboten werden dürfen, darum ging es bei der Podiumsdiskussion an der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl.

Die Junge Alternative ist auch in Baden-Württemberg aktiv. Sie wird Ende März als rechtsextremer Verdachtsfall aufgelöst.

IMAGO/Arnulf Hettrich)

Stuttgart. „(Wann) Dürfen Parteien verboten werden?“ Um diese Frage ging es beim ersten Podium der Tagung. Darüber diskutierten Frank Decker, Professor am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn, und Mathias Hong, Professur für Öffentliches Recht an der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl. Hong sprach sich für ein Verbot der AfD aus, sah dieses als Pflicht an, vom Grundgesetz her geboten im Sinne der wehrhaften Demokratie.

Die Junge Alternative wird Ende März aufgelöst

Die Partei wird als gesichert rechtsextrem in den Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen von den jeweiligen Landesämtern für Verfassungsschutz geführt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz wiederum führt die Bundes-AfD und ihre Jugendorganisation, die Junge Alternative, die zum 31. März 2025 aufgelöst wird, als rechtsextremen Verdachtsfall. Der Verfassungsschutz darf sie überwachen – mit nachrichtendienstlichen Mitteln, also geheim Personen und Kommunikation beobachten sowie V-Leute einsetzen. Als Verdachtsfall darf sie indes weiter an Wahlen teilnehmen und in Parlamenten vertreten sein, sie ist ja nicht verboten.

Ein Verbot bezeichnete Decker als scharfes Schwert. Bevor man dieses große Besteck auspacke, sollten erst alle Möglichkeiten davor ausgeschöpft werden, etwa – wie damals bei der NPD – die Finanzierung zu entziehen. Der Anteil öffentlicher Mittel an den Gesamteinnahmen der AfD beträgt fast 45 Prozent gemäß des Rechenschaftsberichts der Parteien, den der Bundestag für das Jahr 2022 veröffentlichte. Auch Artikel 18 des Grundgesetzes könne man womöglich einsetzen, so Decker. Da steht: Wer die Grundrechte missbraucht, den darf der Staat bekämpfen. Das hatte auch der Publizist Heribert Prantl vorgeschlagen, nachdem die erste Sitzung des Thüringer Landtags im Chaos endete. Die AfD instrumentalisiere das Recht, so Prantl. Artikel 18 wurde für Parteien noch nie eingesetzt, hieß es bei der Tagung.

Mit Parteiverboten hat man leidliche Erfahrungen gemacht

Mit Parteiverboten indes hat man bisher in Deutschland leidige Erfahrungen gemacht. Gegen die rechtsextreme NPD ging das Verfahren zwei Mal schief. Am 18. März 2003 wurde es vom Bundesverfassungsgericht aus Verfahrensgründen eingestellt – V-Leute des Verfassungsschutzes waren auch in der Führungsebene der Partei tätig.

Und am 17. Januar 2017 lehnte das Bundesverfassungsgericht ein Verbot der NPD ab mit der Begründung: Es gebe keine Anhaltspunkte, um die verfassungsfeindlichen Ziele der Partei erfolgreich durchzusetzen. Zwar war für die Richter erwiesen, dass die Partei eine verfassungsfeindliche Gesinnung habe – aber nicht das „Potenzial“, die Demokratie in Deutschland zu beseitigen. (mos)

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