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Doppelrolle Stadtrat und Fraktionsmitarbeiter

Wenn das Gemeinderatsmandat mit dem Job verschwimmt

Tagsüber die Arbeit in der Fraktionsgeschäftsstelle erledigen und am Abend das Gemeinderatsmandat als Ehrenamt wahrnehmen: Klingt erst einmal sehr effizient, ist aber nicht unumstritten. Kritiker verweisen auf Interessenkonflikte, die entstehen könnten. In Freiburg wollen mehrere Fraktionen solche Konstellationen in der Zukunft deshalb untersagen.

Das historische Neue Rathaus von Freiburg im Breisgau. Hier könnte es bald eine strikte Trennungs zwischen dem Job als Fraktionsmitarbeiter und dem Mandat geben

DPA/Daniel Kalker)

Freiburg. Für die Freiburger Gemeinderäte Timothy Simms (Grüne) und Felix Beuter (Eine Stadt für alle) gibt es mit Blick auf die Kommunalwahl am 9. Juni 2024 ungeachtet der persönlichen Entscheidung, ob sie noch einmal antreten wollen, gleich mehrere Ungewissheiten. Wenn sie ihren Hut in den Ring werfen, auf welchem Listenplatz werden sie das tun können? Erringen sie eines der Mandate im Gremium? Und können sie weiterhin gleichzeitig in der Fraktionsgeschäftsführung mitarbeiten? Denn genau das ist bei beiden der Fall. Ein interfraktioneller Antrag im Freiburger Gemeinderat könnte diesem Zustand ein Ende bereiten.

Für die Frage fehlt die einschlägige Rechtsprechung

Paragraf 29 der Gemeindeordnung erlaubt nicht, dass Arbeitnehmer der Kommune gleichzeitig im Gemeinderat sitzen (siehe Infokasten). In Freiburg haben SPD, CDU, FDP/Bürger für Freiburg, Freie Wähler und Freie Liste einen Antrag gestellt, nach der kommenden Kommunalwahl auch nicht mehr zu erlauben, dass Personen in der Geschäftsführung einer Fraktion mitarbeiten und gleichzeitig das Mandat wahrnehmen.

Das widerspreche grundlegend dem Selbstverständnis, dass das Gemeinderatsamt ein Ehrenamt sei, heißt es in dem Antrag. Ob ein Fraktionsmitarbeiter als Arbeitnehmer der Kommune anzusehen ist, sei „höchstgerichtlich bisher nicht entschieden“. Für diese Annahme spreche, dass die Mittel für die Entlohnung von Fraktionsmitarbeitern von der Gemeinde bereitgestellt würden und der Gemeinderat selbst ein Teil der Verwaltung sei.

Verwunderung über den Antrag der Ratsfraktionen

Die Anstellung bei der eigenen Fraktion sollte nach Ansicht der Antragsteller auch deshalb nicht möglich sein, weil der Angestellte in dieser Funktion einer besonderen Treue- und Loyalitätspflicht unterliege. Dies stehe in Gegensatz zum Prinzip der Unabhängigkeit und Unbeeinflussbarkeit des Gemeinderatsmandats. Ein gewählter Gemeinderat könne im Einzelfall anders abstimmen als die bei der Fraktion angestellte und damit in einem Abhängigkeitsverhältnis stehende Person. Angeführt wird von den Antragstellern auch die Chancengleichheit. Sie sehen bei einer Person mit „Doppelfunktion“ eine Benachteiligung aller anderen Gemeinderäte, die lediglich ihr Ehrenamt wahrnehmen. Fraktionsmitarbeiter könnten viel mehr Gremiensitzungen besuchen – während der von der Stadt bezahlten Arbeitszeit.

Die Fraktion „Eine Stadt für alle“ sieht das alles ganz anders. Man sei „verwundert“ über den Antrag und weise diesen als populistisch und wahlkampfmotiviert zurück, teilt Fraktionsgeschäftsführer Gregor Mohlberg gegenüber dem Staatsanzeiger mit. Im Kern wollten die Antragsteller wichtige Grundrechte wie die freie Berufswahl, die Ausübung des passiven Wahlrechts und die grundsätzliche Wählbarkeit von Personen einschränken. Mohlberg verweist auf Paragraf 32 der Gemeindeordnung, wonach niemand gehindert werden dürfe, Gemeinderat zu werden. Gleichzeitig bewertet die Fraktion die Konstellation nicht als Angestelltenverhältnis mit der Kommune.

Fraktion gewährt keine Vorteile aus Tarifverträgen

Fragen der inneren Organisation einer Fraktion obliegen grundsätzlich nur den Fraktionen selbst. Das betreffe auch die arbeitsvertraglichen Angelegenheiten, heißt es in der Stellungnahme. Es gebe kein arbeitsrechtliches Verhältnis mit der Stadt Freiburg in diesen Fällen. Anders als Beschäftigte der Stadt gebe es hier keine unbefristeten Verträge, keine entsprechende tarifliche Eingruppierung oder andere Vorteile einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst.

Noch nicht eindeutig positioniert hat sich die Fraktion JUPI. Eine Trennung von Mandat und Anstellung halte man für moralisch geboten, so Fraktionsgeschäftsführer Hannes Hein. Dies habe dazu geführt, dass Gemeinderat Simon Waldenspuhl als Nachrücker in den Gemeinderat seine Arbeit als Fraktionsgeschäftsführer aufgegeben habe. Unterstützt habe man den Antrag bisher nicht, „weil wir darin eine politische Einmischung in die Organisationsfreiheit der Fraktionen sehen“. Man wolle abwarten, wie sich die Verwaltung zu dem Antrag verhalte. Oberbürgermeister Martin Horn (parteilos) will eine Vorlage zu dem Thema Ende des Jahres oder Anfang des Jahres 2024 einbringen.

Wählbar, aber mit Hinderungsgrund

Von Gerichten nicht entschieden ist, ob Angestellte in den Fraktionsgeschäftsstellen zu den in Paragraf 29 Gemeindeordnung angeführten Kommunalbediensteten gehören. Pforzheim und Aalen haben die Fraktionsmitarbeit eines Stadtrats über die Satzungen zur Finanzierung der Fraktionsarbeit ausgeschlossen. Fraktionsmitarbeiter können sich zwar aufstellen lassen. Werden sie aber gewählt, liegt ein Hinderungsgrund vor, das Mandat anzutreten.

Marcus Dischinger

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