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Wie sicher ist der Südwesten?

Zwar droht kein direkter Angriff auf Deutschland, aber die zivilen und militärischen Strukturen müssen vorbereitet sein, damit es dazu gar nicht erst kommen kann.
dpa/Ulrich Baumgarten)Der „Spiegel“ schrieb 1962 über die Bundeswehr, sie sei nur „bedingt abwehrbereit“ und löste damit die Spiegel-Affäre aus, weil Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß (CSU) dies als „Landesverrat“ wertete, und gar Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein einsperren ließ. Später musste er selbst wegen Überschreitung seiner Befugnisse zurücktreten. Schließlich hatte das Magazin nichts anderes als die Wahrheit geschrieben.
Heute läuft die Debatte wesentlich transparenter ab. Als diese Woche rund 150 Vertreter von Militär, Sicherheitsbehörden, Katastrophenschutz und Blaulichtorganisationen zum BOS-Tag des Staatsanzeigers kamen (das Kürzel steht für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben), wurde deutlich: Es gibt bei der Bundeswehr und auch in Berlin die Erkenntnis, dass mehr getan werden muss. Die „Zeitenwende“ ist noch lange nicht dort angekommen, wo sie umgesetzt werden muss.
Das beginnt bei der Bundeswehr selbst, die nach Ende des Kalten Krieges abgespeckt und nur noch für Auslandseinsätze umgerüstet wurde. Die meisten Kasernen auch im Südwesten wurden geschlossen. Nun gilt es, radikal umzusteuern. Zwar wird Russland aller Wahrscheinlichkeit nach nicht Deutschland angreifen. Zumindest der Kommandeur des Landeskommandos und damit oberster Soldat im Südwesten, Michael Giss , rechnet aber mit weiteren Angriffen des russischen Diktators Putin in Osteuropa. Deutschland wäre dann Transit- und Versorgungsgebiet, müsste im Ernstfall Zehntausende Verwundete versorgen und enorme logistische Herausforderungen meistern. Im sogenannten Organisationsplan Deutschland wird das Szenario längst durchgespielt.
Aber was das konkret für Sicherheitskräfte und kommunale Verwaltungen bedeutet, ist nicht allen klar. Es scheint ein Paradebeispiel dafür zu sein, warum in unserem Land viele Dinge nicht vorankommen: In Berlin wird irgendwie geplant, es gibt aber keine klaren Vorgaben, die Länder reagieren oder auch nicht, und die Kommunen wissen nicht, wohin sie marschieren sollen.
Dass Kommandeur Michael Giss monatelang auf einen Termin beim Ministerpräsidenten warten musste, ist nur ein Symbol dafür. Notabene: Das Treffen hat stattgefunden, das Land hat reagiert und im Innenministerium Krisenstäbe eingerichtet. Dennoch verlaufen sich die Pläne oft in multipel verwobenen Zuständigkeiten des Föderalismus. Im Ernstfall muss aber alles eingeübt sein und schnell gehen. Man muss nicht in Panik verfallen. Die Warnungen der Bundeswehr sind aber ernst zu nehmen. Gut gerüstet zu sein, bedeutet, die Wahrscheinlichkeit eines Angriffs zu verringern. Aufrüsten, um den Krieg zu verhindern, das ist leider das Gegenteil von „Frieden schaffen ohne Waffen“. Beides ist nötig, militärische Stärke und Diplomatie.