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Rektor Joachim Beck: „Wir sollten das Verfahren bei der Bewerbung umgestalten“

Joachim Beck, Rektor der Hochschule Kehl.
Hochschule Kehl)Staatsanzeiger: Sie haben gerade die Ernennungsurkunde für Ihre zweite Amtszeit erhalten. Die Ausweitung der Studienplätze zählt sicherlich zu Ihren nächsten Zielen dafür …
Joachim Beck : Schon der Aufwuchs auf 900 Studierende war im Haushalt 2025/2026 ein extremer Kraftakt. Ich möchte explizit unserer Wissenschaftsministerin Petra Olschowski danken für diesen Aufwuchs und natürlich auch unserem Innenminister Thomas Strobl und den anderen Politikern, die das ermöglicht haben. Und Frau Olschowski persönlich dafür – das ist ein großer Erfolg –, dass auch wir als Verwaltungshochschulen vom Hochschulfinanzierungsvertrag III profitieren können. Denn der stabilisiert uns jetzt für die nächsten Jahre.
Sind Sie optimistisch, dass der Aufwuchs auf 1000 Studierende dann auch kommt?
Da sind wir jetzt noch dran. Die erste Erhöhung hatten wir leider in reduzierter Form bekommen, also die Studienplätze, doch keine Sachmittel und Verwaltungsstellen. Das soll jetzt dann aber im Haushalt 2027 realisiert werden. Dazwischen liegen noch zwei Steuerschätzungen, eine Landtagswahl und ein Kassensturz. Aber ich glaube, herausgehört zu haben, dass es einen Konsens der demokratischen Parteien im Landtag gibt, die Verwaltungshochschulen zu stärken.
Was sind Ihre anderen Baustellen?
Was mich umtreibt, ist, die Nachhaltigkeit unserer Entwicklung sicherzustellen. Es ist dem Land ja zu wünschen, dass die Wirtschaft bald wieder anspringt. Dann wird sich die Verwaltung sehr schnell wieder in der Konkurrenz mit allen anderen Bildungseinrichtungen um die klugen Köpfe befinden. Das heißt, wir müssen heute darüber nachdenken, wie wir es auch morgen und übermorgen hinbekommen, weiter genügend Nachwuchs zu schaffen. Gerade ein hochentwickeltes Land wie Baden-Württemberg braucht eine funktionierende Verwaltung. Wenn wir nicht genügend Nachwuchs, und zwar qualifizierten, guten Nachwuchs, sicherstellen, dann wird man das auch spüren im Land.
Wie könnten Sie den Nachwuchs denn noch besser erreichen?
Wir sollten zum Beispiel unser Bewerbungsverfahren so umgestalten, dass wir früher verbindlich mehr jungen Menschen eine Zusage geben können. Diese warten teilweise immer noch ein Jahr, bis sie endlich zum Zug kommen, wegen der Bestenauslese. Davon werden wir nicht komplett wegkommen, wir sind und bleiben ja eine Beamtenhochschule. Aber wir können mit den Kommunen überlegen, wie man zur Personalgewinnung dezentral Impulse setzt und auch viel früher ansetzt.
Wie soll das konkret aussehen?
Wir beginnen ein Studienbotschafterprogramm. Wenn wir dann bald über 500 Studierende in der Praxisphase in drei verschiedenen Stationen haben, haben diese insgesamt über 1500 Kontaktmöglichkeiten mit Kommunen, können dort in Schulen gehen und für das Berufsbild werben. Dazu haben wir jetzt ein Spiel entwickelt für den Gemeinschaftskundeunterricht ab der achten Klasse. Da gestalten unsere Studierenden und auch die Ausbildungsverantwortlichen in der Schule mal eine Unterrichtsstunde. Dann lernt man, wie kommunalpolitische Entscheidungen ablaufen, was es für Rollen gibt – und wie spannend das ist. Man muss das Berufsbild Verwaltung anders erklären als bisher.
Soll auch das Studienangebot selbst angepasst und verändert werden?
Unser Kernprodukt, der Bachelor Public Management , läuft seit vielen Jahren sehr erfolgreich, da bilden wir hochkompetente Generalisten aus. Und doch sollte man auch da nachjustieren. Wir haben ein langes Einführungspraktikum von sechs Monaten, das ist historisch so gewachsen. Mir wird davon Unterschiedliches berichtet: Es gibt hervorragende Kommunen, die das wunderbar gestalten, aber es gibt auch junge Leute, die nach einigen Wochen einen Bore-out haben – und in sechs Monaten kann da dann auch viel kaputt gehen.
Was wäre die Alternative?
Eine Idee wäre ein kurzes, komprimiertes Onboarding, zwei oder vier Wochen, dann kommen sie ins Grundstudium und bekommen dort Kompetenzen vermittelt, und danach gehen sie in ihre Ausbildungskommune, in die erste Praxisphase – eben schon als kompetente Mitarbeitende. Und wenn die Kommune jetzt schon diesen jungen Menschen gefunden und rekrutiert hat in der Schule und vielleicht weiß, in vier Jahren wird die oder die Stelle frei, könnte man auch noch eine Bachelorarbeit in diese Richtung anlegen, eine echte Nachwuchs- und Karriereplanung machen und vielleicht in einem dann zweisemestrigen Vertiefungsstudium noch entsprechend tiefergehende fachliche Kompetenzen vermitteln. Das ist im System im Moment nicht wirklich angelegt.
Gleichstellung ist nach wie vor ein Thema, ebenso Diversität, wozu es in Kehl ein Projekt gibt. Wie kommt das voran?
Wir haben uns sehr erfolgreich auf ein Gleichstellungsprogramm beworben. Unsere Gleichstellungsbeauftragte und ihre Stellvertreterin, die das an der Hochschule managen, habe ich gefragt, ob es auch Mittel für Förderansätze gibt, damit wir mehr junge Männer für den Bachelor Public Management bekommen. Aber das gibt es nur für Frauen.
Sie müssen also anders ansetzen?
Ja, Vielfalt, Diversität ist das Thema. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Affinität zum öffentlichen Sektor und das Ansehen der Verwaltung bei der Nachwuchszielgruppe mit Migrationsgeschichte deutlich höher ist als in der Durchschnittsgesellschaft. Diese Ressource nutzen wir noch nicht richtig. Immerhin haben aber schon rund 20 Prozent unserer Studierenden Migrationsgeschichte. Das war eine große Überraschung.
Wie wollen Sie das nutzen?
Wir müssen in diese Zielgruppe richtig rein. Da bekomme ich wahrscheinlich die Leute, die ich für die Verwaltung suche, die haben ein Leuchten in den Augen, die sind intrinsisch motiviert, die haben ein hohes Ansinnen. Wenn ich dort ansetze, dann bekomme ich vielleicht im Studium auch wieder einen höheren Männeranteil. Aber daneben besteht in höheren Positionen das Problem weiterhin darin, wie ich endlich mehr Frauen in Führungspositionen bekomme.
Wie sieht da Ihr Lösungsansatz aus?
Das ist auch eine gesellschaftliche Aufgabe. Da ist vielleicht nochmals eine Förderung nötig. Wir brauchen mehr Rollenvorbilder. Auch wir haben noch zu wenige Professorinnen.
Derzeit liegt der Anteil an Ihrer Hochschule ungefähr bei 1:4 …
Ja, es ist schon besser geworden, aber wir müssen noch nachlegen. Und wir werben auch immer so gut wie möglich mit Role Models in Praxis und Forschung. Wir haben jetzt mit Professorin Ina Klingele zudem eine Prorektorin. Das finde ich richtig toll, weil dann auch eine andere Sichtweise in die Hochschulführung dazukommt. Auch das wird weibliche Studierende vielleicht motivieren, eine Führungsposition anzustreben.
Wie fördern Sie weiblichen Nachwuchs?
In der Forschung haben wir viele ehemalige Master- oder noch Master-Studentinnen, die sich dann auch in Forschungsprojekten bewähren. Das heißt, wir führen auch da, das ist eine Strategie, Frauen mehr in die Promotion. Und das wäre auch nochmals ein Weg, dass man sagt, da bilden wir auch Rollenvorbilder aus. Zudem ermutigen wir unsere weiblichen Studierenden, sich etwas zuzutrauen und später vielleicht auch mal Bürgermeisterin zu werden. Solche tollen Vorbilder gibt es ja in der Praxis – und wir müssen noch viel besser vermitteln, dass so was gehen kann.
Frankophiler Wahlbadener
Joachim Beck ist 1965 in Stuttgart geboren und aufgewachsen, lebt aber schon seit Jahrzehnten in Straßburg. Dorthin zog es ihn nach dem Studium der Verwaltungswissenschaften in Konstanz und Edinburgh, weil seine Frau eine Stelle beim Kultursender Arte annahm. Beck wurde an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer promoviert. Ab 2006 war er Direktor des Euro-Instituts in Kehl, ehe er 2014 als Professor für Verwaltungsmanagement an die dortige Hochschule für öffentliche Verwaltung wechselte. 2019 wurde zum Rektor gewählt und im Dezember 2024 ohne Gegenstimme für sechs Jahre im Amt bestätigt.