Themen des Artikels

Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen

Essay

Zwischen Papierakte und Prompt liegt nicht nur ein Technologiesprung

Die Einführung von Künstlicher Intelligenz in der Verwaltung ist kein Technik-, sondern ein Kulturprojekt, davon ist Gloria Keivani überzeugt. Sie leitet die Schriftgutverwaltung im Präsidium Technik, Logistik und Service der Polizei und beschäftigt sich viel mit dem Einsatz von KI. 
Laptopbildschirm mit Text und Suchleiste, mehrere Textfelder mit Fragen.

Die Einführung von Künstlicher Intelligenz in der Verwaltung ist kein Technik-, sondern ein Kulturprojekt, davon ist Gloria Keivani überzeugt.

IMAGO)

Formulare, Aktenordner, Stempel: Jahrzehntelang hat die Verwaltung auf bewährte Routinen gesetzt. Doch die Erwartungen haben sich verändert. Bürgerinnen und Bürger wünschen schnelle, digitale Antworten. Die Künstliche Intelligenz kann dabei unterstützen. Als Leiterin der Schriftgutverwaltung bei der Polizei erlebe ich täglich, wie groß die Spannbreite zwischen Papierakte und digitaler Zukunft ist.

Die öffentliche Verwaltung steht an einem Wendepunkt. Einerseits sind viele Abläufe noch papiergebunden und aufwendig. Andererseits eröffnet Künstliche Intelligenz neue Chancen: Sie kann helfen, Dokumente zu analysieren, Textbausteine vorzubereiten und Standardaufgaben zu beschleunigen. Gerade in der Polizei ist das Potenzial sichtbar.

Wer schon einmal mit meterlangen Akten, Beweismitteln und Verwaltungsunterlagen gearbeitet hat, weiß, wie komplex und zeitintensiv die Sichtung ist. Eine automatisierte Dokumentenanalyse erleichtert diese Arbeit spürbar. Statt dass Mitarbeitende stundenlang Ordner durchblättern, können Algorithmen wichtige Schlagworte oder bestimmte Fristen markieren. Ein Vorgang, der bisher Tage in Anspruch nahm, ließe sich so auf Stunden verkürzen – ohne die menschliche Prüfung zu ersetzen.

Eine KI-basierte Volltextsuche könnte Treffer in Sekunden liefern

Ähnlich ist es bei der Recherche. Heute bedeutet eine Anfrage oft: Schränke öffnen, Akten wälzen, vermerken, zurücklegen. Eine intelligente Suchfunktion kann hier enorm Zeit sparen. Stellen Sie sich vor, ein Ermittler sucht in einem älteren Fall nach einer bestimmten Person oder einem Kennzeichen. Mit klassischer Methode dauert es lange, bis die richtige Stelle gefunden ist. Eine KI-basierte Volltextsuche könnte Treffer in Sekunden liefern – präzise und nachvollziehbar.

Auch beim Erstellen von Bescheiden oder Berichten zeigen sich Chancen. Gerade Routinetexte folgen oft wiederkehrenden Mustern. KI-gestützte Assistenzsysteme können hier Textbausteine vorschlagen, Formulierungen prüfen und Fehlerquellen minimieren. Für die Mitarbeitenden bedeutet das: mehr Zeit für die komplexen Fälle, in denen Erfahrung, Fingerspitzengefühl und Verantwortungsbewusstsein gefragt sind.

Gloria Keivani leitet die Schriftgutverwaltung im Präsidium Technik, Logistik und Service der Polizei. Foto: privat
Privat)

Eine KI darf nicht zum „Black Box“-Instrument werden

Natürlich gibt es neben den Chancen auch Risiken. Eine KI darf nicht zum „Black Box“-Instrument werden, dessen Entscheidungen nicht nachvollziehbar sind. Bürgerinnen und Bürger müssen verstehen, auf welcher Grundlage Entscheidungen getroffen wurden. Datenschutz und Informationssicherheit sind nicht verhandelbar. Deshalb braucht es klare Leitlinien und Pilotprojekte, die zeigen, wie KI verantwortungsvoll eingesetzt werden kann.

Andere Verwaltungen haben bereits erste Schritte gemacht: In Kommunen helfen Chatbots, Bürgeranfragen rund um Öffnungszeiten oder Anträge schneller zu beantworten. In Skandinavien wird KI genutzt, um Verkehrsdelikte effizienter zu bearbeiten. Diese Beispiele zeigen, dass Künstliche Intelligenz kein fernes Zukunftsthema ist, sondern bereits heute greifbar. Entscheidend ist, wie die Einführung gestaltet wird. KI ist keine Abkürzung, sondern ein Werkzeug. Erfolgreich wird sie nur, wenn Mitarbeitende beteiligt werden. Denn sie sind die Expertinnen und Experten ihres Fachs – ihre Erfahrung und Expertise entscheidet darüber, ob Prozesse wirklich verbessert werden. Feedbackrunden, interne Tests und ein offener Umgang mit Bedenken sind unerlässlich. So entsteht Schritt für Schritt eine lernende Verwaltung, die KI sinnvoll integriert, ohne Überforderung zu erzeugen.

Es geht um Offenheit, Fehlerfreundlichkeit und eine neue Haltung

Für mich ist klar: Die Einführung von Künstlicher Intelligenz in der Verwaltung ist kein Technik-, sondern ein Kulturprojekt. Es geht um Offenheit, Fehlerfreundlichkeit und eine neue Haltung im Umgang mit Veränderungen. Das beginnt bei Führungskräften, die Orientierung geben, Kommunikation ernst nehmen und Mut machen. Als Leiterin der Schriftgutverwaltung ist es mein Ziel, beides zu verbinden: die Verlässlichkeit der Akte und die Chancen der digitalen Zukunft.

Am Ende gilt: Zwischen Papierakte und Prompt liegt nicht nur ein Technologiesprung, sondern ein Kulturwandel. Für die Polizei wie für jede Behörde gilt: Die Künstliche Intelligenz ist kein Selbstzweck. Sie ist dann wertvoll, wenn sie Verantwortung stärkt, Transparenz sichert und die Arbeit der Menschen unterstützt. Die Zukunft der Verwaltung entscheidet sich nicht an der Technik allein – sondern daran, ob wir sie mutig, klug und menschlich gestalten.

Nutzen Sie die Vorteile unseres

Premium-Abos. Lesen Sie alle Artikel aus Print und Online für

0 € 4 Wochen / danach 199 € jährlich Nachrichten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren

Lesen Sie auch