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Von Kindern und Kids

Kindererziehung einst und jetzt: Darüber macht sich unser Kolumnist Christoph Sonntag, selbst vierfacher Vater im Alter sehr unterschiedlicher Kinder, so seine Gedanken.
dpa/Westend 61)Ich bin ein glücklicher Vater von vier Kindern zwischen 27 und zehn, wobei Ersteres Lebensjahre und Letzteres -monate umschreibt. Ich habe also Zugang zu sämtlichen Problemen der ersten drei Lebensjahrzehnte und durch den Jüngsten wieder Kontakt mit anderen Ehepaaren und Familien, bei denen der Nachwuchs mittlerweile alles ist und es nichts anderes mehr gibt.
Der Nachwuchs wird heutzutage von Anfang an ernst genommen
Ich halte das für falsch, wegen des Kindes sein eigenes Leben aufzugeben. Anderseits ist es auch eine schöne Entwicklung, dass Kinder in unserer Gesellschaft plötzlich ernst genommen werden.
So etwas sind wir in den Sechzigern des vorigen Jahrhunderts geborene Boomer nicht gewöhnt! Damals wurden Kinder als sichtbares Zeichen für den familiären Erfolg (zumeist des Vaters) billigend in Kauf genommen. Und genauso haben wir uns auch gefühlt. Wie geduldete Schädlinge, die möglichst alles richtig machen sollten, aber meistens keine Ahnung hatten, was das Richtige war, weil man wenig mit uns gesprochen, aber viel von uns erwartet hat.
Eine Ohrfeige galt früher durchaus als Mittel zur Erziehung
Der Maßstab, an dem wir sehen konnten, ob ein Verhalten richtig oder falsch war, hieß „EO-KO“: Eine Ohrfeige-keine Ohrfeige.
Über Schmerzen in der linken oder rechten Backe wurden wir auf richtiges Verhalten hin konditioniert. Nach so einem erzieherischen Hinweis hat man dann automatisch damit aufgehört, in der Nase zu bohren und das zutage Geförderte zu verspeisen. Oder – was mir als Fünfjährigem mal gelungen ist – Papas Mutter zu sagen, sie habe ein Gesicht wie ein Faltenrock.
Auch bei unserem Autor dreht sich derzeit fast alles ums Kind
Heute sind Kinder in Deutschland die am besten behüteten Wesen, die es auf der Welt gibt. Mal abgesehen von blinden Mauerseglern, die schwer verletzt am Fuße eines Kirchturms gefunden werden, oder seltenen Stumpfnasenfledermäusen, denen beim täglichen Abhängen die Füße einschliefen, sie deswegen auf die Schnauze fielen und jetzt in einer Tierklinik für gefallene Tierarten wieder gesund gepflegt werden. Überwacht von einer täglichen Live-Doku bei einem Privatsender RTL.
So, jetzt muss ich aber leider schließen. Wir müssen in die Krabbelgruppe, bevor es nach der frühkindlichen Musikerziehung zum Montessori-Erlebnis-Kneten geht.
Zum Kolumnisten
Christoph Sonntag, Jahrgang 1962, ist Buchautor, Moderator, diplomierter Landschaftsarchitekt und Kabarettist. Mit seiner „Stiphtung Christoph Sonntag“ stemmt er vor allem in Baden-Württemberg zahlreiche soziale und ökologische Hilfsprojekte. Er trägt den Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg.