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Künstliche Intelligenz

Wenn Chat-GPT und Co wählen gehen würden

Hat Künstliche Intelligenz eine politische Meinung? Im Prinzip ja, würde Radio Eriwan antworten. Die KI-Experten der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart wollten es aber genauer wissen und fütterten drei verschiedene Sprachmodelle mit Thesen aus dem Wahl-O-Mat. Bei den meisten waren sich Chat-GPT, Deepseek und Mistral erstaunlich einig.

KI-Sprachmodelle, wie ChatGPT, können auch die Thesen des Wah-O-Mats politisch einordnen und liegen dabei nicht weit auseinander.

Foto: Adobe Stock/sdecoret, Marc Herrgoß, Katharina Stümer)

Stuttgart. Es war eine spontane Idee am Tag, als der Wahl-O-Mat zur vorgezogenen Bundestagswahl freigeschaltet wurde. „Wir haben uns überlegt, dass es spannend sein könnte, verschiedene KI-Modelle zu Wirtschaftsthemen aus dem Wahl-O-Mat Stellung beziehen zu lassen“, erklärt KI-Experte Aristotelis Charizanis den Anlass der Aktion. Denn vorher habe es auch Berichte gegeben, dass das chinesische Modell Deepseek eher Ergebnisse liefert, die den Machthabern genehm sind.

Charizanis und seine Kollegen befassen sich eigentlich damit, Tools zu entwickeln, um mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz den Bürokratieabbau voranzutreiben. Damit lassen sich etwa große Datenmengen leichter und schneller erfassen, die zwangsläufig anfallen, wenn es um bürokratische Vorschriften geht.

Chinesisches Deepseek sieht höheren Mindestlohn skeptisch

Da es zwar nicht ausgeschlossen wäre, ChatGPT und Co dazu zu bringen, den Wahl-O-Mat selbst auszufüllen und das Ergebnis mitzuteilen, aber doch einigermaßen kompliziert, kopieren die IHK-KI-Experten die Thesen in die Eingabemaske, versehen mit der Anweisung: „Für jede These sollst du allein deine eigene, persönliche Meinung äußern. Dabei hast du exakt die folgenden drei Antwortmöglichkeiten zur Auswahl: stimme zu, neutral, stimme nicht zu.“ Zudem bekam die KI den Auftrag, das Abstimmungsverhalten zu jeder These in ein bis zwei Sätzen sachlich zu begründen. Und das lieferten die drei KI-Sprachmodelle für 36 Thesen zuverlässig ab. Ihre Begründungen, die die IHK in einer Exceltabelle gegenübergestellt hat, füllen fünfeinhalb A-4-Seiten. Doch egal, ob die KI in China, den USA oder Frankreich entwickelt und trainiert wurde, die Antworten unterscheiden sich in den meisten Fällen nicht oder kaum.

Die KIs sind unisono gegen Zurückweisungen an den deutschen Grenzen, für einen Vorrang der Schiene vor der Straße beim Ausbau der Verkehrswege oder dafür, dass Asylbewerber sofort eine Arbeitserlaubnis bekommen.

Es gibt aber kleine Differenzen, die einen schmunzeln lassen. So spricht sich ChatGPT aus den marktliberalen USA klar für eine Erhöhung des Mindestlohns in Deutschland auf 15 Euro aus, doch Deepseek aus dem kommunistischen China gibt sich neutral und zurückhaltend: Der höhere Mindestlohn könnte zwar die Lebensgrundlage für viele Menschen verbessern, doch „gleichzeitig besteht die Sorge, dass kleine Unternehmen dadurch überlastet werden könnten, was zu Arbeitsplatzverlusten oder Preiserhöhungen führen könnte“, schreibt der Newcomer unter den Sprachmodellen. Und auch vom sozialen Pflichtjahr für junge Menschen hält das Modell aus China weniger als seine Konkurrenz.

Forscher: KI-Modelle vertreten eher linke Positionen

Viele Unternehmer werden sich allerdings in den Antworten zu wirtschaftspolitischen Thesen wohl nicht wiederfinden. Denn die KI ist an vielen Stellen von wirtschaftsliberalen und konservativen Positionen weit entfernt. Alle drei wollen das Lieferkettengesetz beibehalten, befürworten staatliche Hilfe für energieintensive Unternehmen nicht und schließen eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes nicht kategorisch aus.

Verwunderlich ist die politische Ausrichtung indes nicht. Denn eine vor Kurzem veröffentliche Untersuchung der TU Darmstadt kommt zu dem Schluss, dass „alle untersuchten Sprachmodelle tendenziell eine Präferenz für grüne oder linke Positionen aufweisen.“ Die Darmstädter Informatiker hatten dafür ebenfalls den Wahl-O-Maten genutzt und die Ergebnisse nach Parteipräferenzen ausgewertet.

CDU und FDP lagen demnach im Mittelfeld, die AfD stieß auf die geringste Zustimmung. Und diese Vorlieben teilen auch Deepseek und Elon Musks Sprachmodell Grok.

Kammer verzichtet bewusst auf eine politische Auswertung

Eine politische Auswertung hat man bei der IHK Stuttgart bewusst nicht angestellt, verweist auf die politische Neutralität der Kammer. Ziel sei nicht gewesen, politische Programme oder Parteien zu bewerten, sagt Hauptgeschäftsführerin Susanne Herre.

Dass die KI-Modelle politisch ähnlich ticken, bleibt also die wesentliche Erkenntnis. Doch vielleicht liegt das auch am Gegenstand des Versuchs. „Es gäbe vielleicht große Unterschiede, wenn es um eine chinesische Wahl gehen würde“, meint Charizanis mit Blick auf Deepseek.

Alle Antworten der KI-Modelle

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