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Wie hältst du es mit der Migration, liebe Union?

Die Grenze zwischen Serbien und Ungarn ist nahezu unüberwindbar.
dpa/Darko Vojinovic)Wer sich von Süden, also von der serbischen Seite, dem Dreiländereck nähert, das Serbien, Ungarn und Rumänien im historischen Banat bilden, wird eines eigenartigen Schauspiels gewahr. Schon weit vor dem Grenzübergang nähert sich, von Ungarn kommend, ein übermannshoher Nato-Zaun der Landstraße. Hier ist kein Durchkommen, das ist klar.
Doch sollte der Reisende nicht über die notwendigen Dokumente verfügen, um legal in die Europäische Union einzureisen, steht ihm ein weit weniger strapaziöser Weg über die Felder offen. Rumänien scheint Migranten geradezu einzuladen. Hier hat nicht nur der Wind leichtes Spiel.
Das einzige, was darauf hindeutet, dass sich auch auf der anderen Straßenseite eine Landesgrenze befindet, sind Wachttürme. Stammen sie womöglich noch aus der Zeit, als die Richtung, in die hier „Illegale“ strebten, die entgegengesetzte war? Als man vor Ceausescu floh?
Eines zeigt sich jedenfalls an diesem Dreiländereck, das es erst seit 1918 gibt – zuvor hatte das gesamte Banat zur Habsburger Monarchie gehört: Staaten neigen dazu, sich abzugrenzen. Dies hindert Menschen jedoch nicht daran, diese Grenzen zu überwinden.
So viel zur Frage, ob sich Migration verhindern lässt. Und damit zur Frage, was die CDU bewegt, es immer wieder zu versuchen. Aktuell mit der geplanten Zurückweisung von Asylbewerbern an der Grenze, wobei ja noch nicht klar ist, was das bedeutet – „in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn“. Auch mit der Wiedereinführung von Grenzkontrollen könnte es Probleme geben, hat Deutschland doch das Schengenabkommen unterschrieben.
Und dann ist da noch der Plan, die legale Arbeitsmigration vom Westbalkan von 50.000 auf 25.000 Personen pro Jahr zu senken, der zu einem Sturm der Entrüstung gerade von jenen Verbänden führte, die sich von der Union einen Politikwechsel erhofften. War Friedrich Merz nicht mit dem Versprechen in den Wahlkampf gegangen, ausländische Fachkräfte zu gewinnen?
Das Verhältnis der Union zum Thema Migration ist seit jeher ein schwieriges. Lange Zeit hatte sich die konservative Volkspartei der Tatsache verschlossen, dass Deutschland ein Zuwanderungsland ist. Man erinnere sich nur an die Kinder-statt-Inder-Kampagne von Jürgen Rüttgers in Nordrhein-Westfalen und die Doppelpass-Kampagne von Roland Koch in Hessen. Doch dann kam 2015/2016 und die Öffnung der Grenzen unter Angela Merkel.
Seither geht es den Christdemokraten so ähnlich wie den Sozialdemokraten mit Gerhard Schröder und Hartz IV. Der angebliche Sündenfall muss mit aller Macht überwunden werden. Das führt dann dazu, dass zutiefst humanitäre Aktionen wie die Rettung der afghanischen Ortskräfte ins Kreuzfeuer der Kritik geraten.
Es ist eine Illusion, zu glauben, dass sich im Zeitalter der Globalisierung Migration verhindern lässt. Sie lässt sich allenfalls bis zu einem gewissen Punkt steuern. Außerdem kommt Deutschland nicht ohne Migration aus. Jedenfalls, wenn wir unseren Lebensstandard einigermaßen wahren wollen. Wenn wir keine positive Zuwanderungsbilanz haben, das hat in dieser Woche auch die Integrationsministerkonferenz festgestellt, werden wir massive Probleme auf dem Arbeitsmarkt bekommen.
Im gemeinsamen Wahlprogramm von CDU und CSU taucht der Begriff „illegale Migration“ zwölf Mal auf. Fünf Mal ist von ausländischen Fachkräften die Rede. Diesen Widerspruch muss die künftige Kanzlerpartei auflösen. Wer Stimmung gegen Ausländer macht, und sei es auch nur gegen diejenigen, die wir hier angeblich nicht brauchen können, riskiert, die anderen zu verscheuchen.
Gleichwohl muss versucht werden, die Migration und deren Folgen in den Griff zu bekommen. Es ist ja völlig unbestritten, dass von schlecht integrierten Flüchtlingen ein Gefahrenpotenzial ausgehen kann. Wir können nicht jeden bei uns behalten, nur weil er es nach Deutschland geschafft hat. Man darf auch Druck ausüben, wie es die Justizministerin von Baden-Württemberg, Marion Gentges (CDU), fordert. Man darf die Attraktivität des Flüchtlingsstatus‘ senken, indem man die Barmittel kürzt. Man darf diejenigen, die ausreisepflichtig sind, auch abschieben.
Doch das Problem lösen wir nicht, indem wir Nato-Zäune bauen. Es braucht abgestimmte Konzepte, auch mit den europäischen Partnern. Und den Mut, das Richtige zu tun, auch wenn die Populisten davon – hoffentlich nur kurzfristig – profitieren.