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Auf Unternehmenskrisen frühzeitig reagieren

Wenn die Produktion in einem Betrieb ruht, drängt in den meisten Fällen die Zeit für ein Sanierungskonzept.
IMAGO/Westend61)Stuttgart. „Das StaRUG ist ein gutes Instrument, um Unternehmen vor der Insolvenz zu bewahren – und es hat sich auch als Restrukturierungsinstrument für kleine und mittlere Unternehmen bewährt.“ Rechtsanwalt Frank Schäffler, Partner bei der Stuttgarter Kanzlei Grub Brugger, die auf Krisenberatung und Insolvenzverwaltung spezialisiert ist, outet sich klar als Fan des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes, kurz StaRUG. Seit Anfang 2021 erlaubt dieses Unternehmen, sich mit Hilfe spezieller rechtlicher Instrumente frühzeitig zu restrukturieren – außergerichtlich, ohne öffentliches Insolvenzverfahren, aber mit gerichtlichem Rückhalt. Für Schäffler ist klar: Das StaRUG bietet in der Praxis eine tragfähige Brücke zwischen freier Verhandlung unter den betroffenen Parteien und einer umfassend gerichtlichen Lösung – wenn die Probleme rechtzeitig erkannt und umfassend angegangen werden.
Ein bemerkenswertes Beispiel war dem Experten zufolge die Sanierung der Varta AG. Der Batteriehersteller aus Ellwangen reduzierte mit Hilfe des StaRUG seine Schuldenlast drastisch. Das Grundkapital wurde auf null gesetzt, Altaktionäre gingen leer aus, was auch für Kritik sorgte . Doch zugleich brachten neue Investoren frisches Kapital ein, um den Betrieb zu stabilisieren.
Zahl der StaRUG-Verfahren hat sich mehr als verdreifacht
Solche Fälle sind indes bislang noch eher selten. 2021 wurden gemäß dem Rheinland-pfälzischen Zentrum für Insolvenzrecht und Sanierungspraxis bundesweit 22 StaRUG-Verfahren registriert, 2022 waren es 27, 2023 dann 56 und 2024 immerhin schon 84.
Auch im Mittelstand sind die Ursachen für eine wirtschaftliche Schieflage oft vielschichtig. Darauf weist Restrukturierungsexperte Werner Boysen aus Koblenz hin, der kürzlich das Fachbuch „Nachhaltige Bewältigung von Unternehmenskrisen“ veröffentlicht hat. Eine Phase der Ertragskrise, in der die Kosten schneller steigen als die Umsätze, spitze sich schnell zu einer Liquiditätskrise zu, die zur Insolvenz führen kann. Die tatsächlichen Ursachen für eine Ertragskrise liegen oft viel tiefer, nämlich in ungeeigneten Strukturen, die zu nachteiligen Strategien führen. Sein Beratungsansatz beginne daher nicht bei den Zahlen, sondern bei den Ursachen hinter den Zahlen. Neben der betriebswirtschaftlichen Analyse, bei der oftmals die Passivseite der Bilanz stark im Vordergrund steht, geht es um Strukturen, Führungsverhalten, Marktveränderungen − und oft auch um verlorenes Vertrauen.
Fehlende Anpassung an Marktveränderungen oft Ursache
In vielen Fällen liegt eine Strategiekrise zugrunde, etwa wenn ein Unternehmen nicht auf Veränderungen des Marktes reagiert hat. Eine Studie der Plattform United Interim, die mehr als 500 Interim-Manager aus dem deutschsprachigen Raum befragt hat, kommt zu dem Ergebnis, dass mangelnde Anpassung an Marktveränderungen die mit Abstand häufigste Ursache, warum Unternehmen in Schieflage geraten. In diesen Situationen brauche es keine Standardlösung, sondern eine fundierte Analyse mit Maß und Fingerspitzengefühl.
Falls eine außergerichtliche Lösung nicht mehr ausreicht, stehen gerichtliche Verfahren mit Zwangsmitteln zur Verfügung. Auch hier gibt es aber abgestufte Modelle. Eine Insolvenz in Eigenverwaltung, zum Beispiel in Form des Schutzschirmverfahrens, bietet einem krisengeschüttelten, aber noch nicht insolventen Unternehmen einen rechtlichen Schutzraum zur Erarbeitung eines Sanierungsplans. Es bietet im Gegensatz zum StaRUG insbesondere die Möglichkeit zur Lösung von langfristigen Verträgen, ist aber öffentlich und mit umfassenden Vollstreckungsschutz verbunden. Der Schuldner bleibt handlungsfähig, wird jedoch von einem gerichtlich bestellten Sachwalter kontrolliert.
Sanierer ist für die Auswahl der richtigen Werkzeuge zuständig
Schäffler spricht in diesem Zusammenhang vom „Werkzeugkasten des Sanierers“ und sieht seine Rolle unter anderem darin, aus diesem ein passgenaues Werkzeug auszuwählen und gemeinsam mit dem Unternehmen die Sanierung zu planen.
Gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten sollten Unternehmer bedenken: Sanierung bedeutet heute nicht mehr zwingend das Scheitern eines Unternehmens, sondern kann − wenn sie frühzeitig angegangen wird − der Einstieg in eine Neuausrichtung sein.
Einheitlicher Standard für Sanierungskonzepte
Das Institut der Wirtschaftsprüfer pflegt mit dem weithin anerkannten Standard IDW S6 eine Vorgabe dazu, wie ein professionelles Sanierungskonzept aufgebaut sein muss. Es muss demnach unter anderem eine Ursachenanalyse, eine Fortführungsprognose und konkrete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit beinhalten. Ein Konzept nach diesem Standard kann Banken und anderen Gläubigern als fundierte Entscheidungsgrundlage dienen.