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Bürokratie kostet den Mittelstand Milliarden von Arbeitsstunden

Bei größeren Mittelständlern verschlingt die Erledigung bürkratischer Pflichten mehr als 300 Stunden Arbeitzeit pro Monat.
Imago/PantherMedia/Andriy Popov)Stuttgart. Wenn Christian Albrings über die Belastung seines Unternehmens mit Bürokratie spricht, ist der Co-Vorstand und Gründer der Albrings + Müller AG vollkommen unaufgeregt. Dabei ist sein Unternehmen als Berater in der Immobilienbranche und Projektentwickler doppelt, sowohl auf der Kundenseite wie auch intern von Berichtspflichten, Auflagen und Vorschriften betroffen.
KfW befragt rund 10.000 Unternehmen zu Bürokratie
Die Zahlen und Fakten, die Albrings nennt, bedürfen keiner emotionalen Rhetorik. „Unser kaufmännischer Leiter ist 30 bis 40 Prozent seiner Arbeitszeit mit Bürokratiebewältigung beschäftigt“, erklärt der Stuttgarter Unternehmer, begründet dies aber auch mit der Rechtsform als Aktiengesellschaft. Ein Eintrag im Transparenzregister nehme drei bis vier Stunden Arbeitszeit in Anspruch, obwohl nur wenige Daten einzugeben seien, weil das Portal so benutzerunfreundlich sei, sagt Christian Albrings.
In welchem Umfang Mittelständler in Deutschland durch Bürokratie belastet werden, hat die bundeseigene Förderbank nun erstmals durch eine Abfrage bei rund 10.000 Unternehmen in Zahlen erfasst. Im Durchschnitt benötigen Unternehmen danach 32 Stunden im Monat für die Erfüllung gesetzlicher Anforderungen. Bei größeren Mittelständlern mit mehr als 50 Beschäftigten, zu denen auch Albrings + Müller mit seinen 70 Mitarbeitern gehört, liegt der Arbeitsaufwand mit 310 Stunden fast zehn Mal so hoch. Durchschnittlich werden sieben Prozent der Arbeitszeit für die Erfüllung bürokratischer Pflichten benötigt. Im Jahr summiere sich die Bürokratiebelastung auf: bei 3,8 Millionen mittelständischer Unternehmen auf 1,5 Milliarden Arbeitsstunden pro Jahr, so die KfW. Hochgerechnet entstehen den Unternehmen dadurch Kosten in Höhe von 61 Milliarden Euro pro Jahr.
Wissenschaftler: Bürokratie Grundlage für fairen Wettbewerb
In die Auswertung zur Bürokratiebelastung flossen neben Dokumentations- und Informationspflichten wie etwa das Ausfüllen von Formularen, Nachweise und Meldungen an Steuerbehörden und Sozialversicherungen, der Aufwand ein, der im Unternehmen durch die Befolgung von Gesetzen, Vorschriften und Verfahrensregeln anfällt. Dazu gehören beispielsweise Datenschutz, Arbeitsrecht und Arbeitsschutz, Umwelt- und Klimaschutz oder die Einhaltung technischer Mindeststandards.
Der Autor der KfW-Studie Michael Schwartz sieht die von der Wirtschaft oft heftig kritisierte Bürokratie aber nicht grundsätzlich negativ. Sie sei eine „wesentliche Grundlage unseres Wirtschaftssystems“. „Standardisierte und formalisierte Regeln und Verfahren für staatliche und administrative Tätigkeiten haben einen Nutzen“, erklärt Schwartz. Bürokratie sei eine Voraussetzung für regelgebundenes Handeln, das Rechtssicherheit und einen fairen Wettbewerb ermögliche.
Auch Christian Albrings hält rechtliche Vorgaben für sinnvoll, etwa in der Nachhaltigkeitsberichterstattung, die in der Wirtschaft umstritten ist. Das gelte vor allem im Bau- und Immobilienbereich, wenn eingesetzte Baustoffe oder die Rückbaubarkeit dokumentiert werden müssten. „Die Nachweisprozesse sind ein notwendiger Schritt“, betont der Firmenchef.
Unternehmer fordert mehr Risikobereitschaft
Mit der Umsetzung ist er allerdings nicht zufrieden. Es fehle noch an der Digitalisierung. Deshalb verursache die Nachhaltigkeitsberichterstattung zumindest derzeit noch eine Mehrbelastung. Für Bauprojekte lässt sich diese laut Albrings auch beziffern. Er geht von Mehrkosten von einem bis fünf Prozent aus.
Generell hält der Stuttgarter Unternehmer die Vorschriften vor allem im Bau- und Immobilienbereich für zu weitgehend. Dass diese in den letzten Jahren immer mehr zugenommen haben, sei Ausdruck eines immer stärkeren Sicherheitsbedürfnisses in der Gesellschaft. Hier sieht Albrings auch einen Ansatz, der zunehmenden Bürokratisierung zu begegnen: „Wir müssen Akzeptanz dafür schaffen, dass die Menschen wieder bereit sind, gewisse Risiken zu übernehmen und dafür gerade zu stehen.“ Dann ließen sich etwa bei Bauprojekten auch individuelle Lösungen bei Genehmigungsverfahren erzielen.