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Debatte um Strompreiszonen

Der Süden wehrt sich gegen teurere Energie

Europäische Netzbetreiber empfehlen, Deutschland in fünf Strompreis-Regionen aufzuteilen, um Angebot und Nachfrage lokal ins Gleichgewicht zu bringen. Im Süden dürfte Strom damit erheblich teurer werden. Dagegen wehren sich Industrie und Energiewirtschaft. Doch es spricht einiges für die Idee.

Große Ungleichgewichte bei der Stromerzeugung: Norddeutschland produziert viel Windstrom. Der Süden ist dagegen zur Stromimportregion geworden.

IMAGO/Daniel Kubirski)

Stuttgart . Der Verband der europäischen Übertragungsnetzbetreiber Entso-E sorgt für Unruhe. In einer Analyse werben die rund 40 Unternehmen dafür, Deutschland in fünf Strompreiszonen aufzuteilen. In Zeiten großer regionaler Unterschiede bei Strombedarf und -erzeugung könnten sich damit bis zu fünf unterschiedliche lokale Strompreise in Deutschland bilden. Das erhöhe die Anreize, regionale Unterschiede bei Angebot und Nachfrage von Strom besser auszugleichen. Auf diese Weise ließe sich der europäische Strommarkt wesentlich effizienter machen, schreiben sie in ihrer „Bidding Zone“-Analyse.

Zustimmung dafür kommt von Wirtschaftsforschern des ZEW i n Mannheim. „Derzeit ist Deutschland eine Bremse beim Aufbau des europäischen Stromsystems“, sagt ZEW-Präsident Achim Wambach. Dies könne sich Europa, aber auch Deutschland nicht leisten. Bei einem einheitlichen Strompreis, wie ihn das derzeitige Strommarktdesign aufweist, fehlt dem Forscher zufolge das Preissignal, das Angebot und Nachfrage lokal ins Gleichgewicht bringt. „Dadurch entstehen Fehlallokationen, die die Transportengpässe aufgrund fehlender Stromleitungen noch verstärken“, sagt Wambach.

Stromnachfrager müssen flexibel auf das Stromangebot reagieren

Regionale Preiszonen könnten die fundamentalen Probleme des deuts chen Energiemarkts lösen, glaubt Achim Wambach. Denn gegenwärtig würden Stromnachfrager nicht ausreichend flexibel auf das schwankende und zunehmende Angebot der eingeschränkt steuerbaren erneuerbaren Energien reagieren. Ferner fehlten regionale Anreize, die Stromproduktion und -nachfrage auszugleichen.

Für Spannungen sorgen die regional großen Unterschiede bei der Stromerzeugung. Norddeutschland produziert viel günstigen Windstrom. Den könnte der industriell starke Süden gut gebrauchen. Doch es fehlt an Trassen, um den Strom in den Süden zu transportieren. An windreichen Tagen kann der Windstrom die Netze überlasten. Im Süden werden aber genau dann die Gaskraftwerke hochgefahren, um den Bedarf auszugleichen. Dieses Vorgehen koste nicht nur viel Geld, so die ZEW-Forscher. Auch der Strompreis steige, und zwar in ganz Deutschland. Preiszonen sollen dies verhindern.

Die Forscher gehen davon aus, dass regionale Preise auch helfen, die Übertragungsnetze zu den europäischen Nachbarn besser zu nutzen. „Das aktuelle Modell macht den Stromhandel mit Deutschland für einige europäische Nachbarn unattraktiv“, so die ZEW-Forscher. Dies führe dazu, dass diese wenig Interesse an einem Ausbau des Stromnetzes hätten, was Stromimporte und -exporte in Zeiten von Überschuss oder Mangel einschränke. Statt eine Abwehrhaltung einzunehmen, raten die Forscher, den Vorschlag zu prüfen und mögliche Ausgleichsmechanismen für Regionen zu entwickeln, die zumindest anfänglich durch die Preiszonen mit höheren Preisen betroffen sein können.

Strompreise im industriestarken Süden würden erheblich steigen

Doch das lehnt die Wirtschaft ab. „Eine Aufspaltung führt zu einem massiven Wettbewerbsnachteil für die Unternehmen in Baden-Württemberg“, warnt Manuel Geiger vom Unternehmerverband UBW. Die Strompreise im industriestarken Süden würden dann erheblich steigen, während sie im Norden sinken. „Wir fordern die kommende Bundesregierung auf, alles dafür zu tun, dass die einheitliche Stromgebotszone erhalten bleibt.“

Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) stellt sich hinter diese Position: „In diesen Zeiten mit globalen Herausforderungen müssen steigende Strompreise und weitere Unsicherheiten unbedingt verhindert werden. Andernfalls drohen eine Schwächung des Standorts und Abwanderungen ins Ausland.“

Laut dem Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertag würden Strompreiszonen zudem für Unsicherheiten für dringend benötigte Investitionen in den Ausbau erneuerbarer Energien und Flexibilitäten sorgen. „Anlagen im Norden wären aufgrund niedrigerer Strompreise weniger rentabel, was den für die Energiewende essenziellen Ausbau von Offshore-Windkraftwerken ausbremsen könnte.“

Auch Werner Götz, der Chef des Übertragungsnetzbetreibers Transnet BW, lehnt den Vorschlag ab. Er berücksichtige nicht die erheblichen Kosten einer Umsetzung. „Die Energiewende erfordert Solidarität – eine Gewinner-und-Verlierer-Diskussion ist da kontraproduktiv“, sagt er. „Ein beschleunigter Netzausbau ist der effektivere Hebel, um Engpässe zu reduzieren, die Energiewende voranzutreiben und die industrielle Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.“

Widerstand kommt vom Bund und den Ländern

Die bisherige Bundesregierung und auch die geplante schwarz-rote Koalition lehnen eine Aufteilung Deutschlands in mehrere Preiszonen ab, vor allem wegen der möglichen Kostensteigerungen für die Wirtschaftsstandorte im Süden und Westen Deutschlands. Widerstand kommt auch aus Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Dort befürchtet man eine Schwächung der eigenen Wirtschaft.

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