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Energieversorgung

Südweststrom digitalisiert als Hidden Champion Stadtwerke

Für viele Stadtwerke in Baden-Württemberg und darüber hinaus ist die Südwestdeutsche Stromhandels GmbH, kurz Südweststrom, ein wichtiger Dienstleister. Doch über die kommunalen Unternehmen hinaus ist das Unternehmen mit Sitz in Tübingen kaum bekannt, obwohl es schon seit einem Vierteljahrhundert am Markt ist.

Der Einkauf von Strom und Gas läuft bei Südweststrom vollständig über digitale Plattformen. Auch bei anderen Dienstleistungen hat das Unternehmen die Digitalisierung für Stadtwerke stark vorangetrieben.

Südweststrom)

Tübingen. Drei Milliarden Euro Jahresumsatz mit 100 Mitarbeitern. Von solchen Zahlen können Unternehmen in der Industrie nur träumen. Doch Südweststrom hat dies im vergangenen Jahr wohl erreicht, nach 2,2 Milliarden Euro Umsatz ein Jahr zuvor. Damit hat das Unternehmen sein Geschäftsvolumen innerhalb von drei Jahren fast verdreifacht.

Getrieben waren die Sprünge in erheblichem Umfang von den explodierenden Preisen am Strom- und Gasmarkt nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine, wie Südweststrom-Geschäftsführer Daniel Henne erklärt. Es seien aber auch im Strom- und Gashandel zahlreiche neue Kunden in den vergangenen beiden Jahren hinzugekommen. Denn bisherige Beschaffungswege für Energie fielen plötzlich weg oder standen auf der Kippe. Der Stadtwerke-Dienstleister aus Tübingen wurde so für weitere kommunale Energieversorger zum sicheren Hafen.

Sowohl die Zahl der Gesellschafter wie auch die der Kunden ist weiter gestiegen (siehe Kasten). Aktuell arbeiten mehr als 200 Stadtwerke mit Südweststrom zusammen, das ist etwa ein Fünftel aller Stadtwerke in Deutschland. Damit gehöre man zu den größten Kooperationen dieser Art in Deutschland, so Henne.

Eine der ersten Zusammenschlüsse in Deutschland

Und die Südwestdeutsche Stromhandels GmbH war auch eine der ersten, als sie im Februar 1999 gegründet wurde. Initiator war der damalige Chef der Stadtwerke Tübingen, Friedrich Weng, der damit auf die ein Jahr zuvor begonnene Liberalisierung des Strommarktes in Deutschland reagieren wollte. 1998 war das Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts in Kraft getreten. Weng übernahm zunächst die Geschäftsführung der neuen Gesellschaft neben seinem Job als Stadtwerke-Chef.

30 Stadtwerke schlossen sich damals zusammen, um Strom künftig gemeinsam zu beschaffen. Das sollte dazu beitragen, dass die Stadtwerke durch die größeren Strommengen im gemeinsamen Einkauf bessere Konditionen am Markt erzielen. So sollte die Position gegenüber den Energiekonzernen gestärkt werden.

Neben dem Einkauf von Strom erweiterte Südweststrom 2007 sein Portfolio um den Erdgashandel. In diesem Jahr übernahm Daniel Henne die Geschäftsführung. Und das Unternehmen wuchs ständig weiter. Von zwei Mitarbeitern unmittelbar nach der Gründung auf heute über mehr als 100.

Der Strom- und Gaseinkauf ist bei Südweststrom langfristig angelegt. Mit Großhändlern werden Kontrakte auf bis zu fünf Jahre geschlossen. Das macht die Beschaffung für die Stadtwerke verlässlicher, weil sie so von den Schwankungen der Preise unabhängiger sind. Denn die Minimierung des Risikos ist einer der Grundsätze für die Einkaufspolitik des Unternehmens.

Auch das Angebot an Dienstleistungen wurde in den 25 Jahren seit der Gründung nach und nach immer weiter ausgebaut. Heute ist Südweststrom ein Dienstleister, der Stadtwerken digitale Services für viele Bereiche ihrer täglichen Arbeit anbietet. So können Stadtwerke die Kundenbetreuung vom ersten Kontakt bis zum Auftragsabschluss über Südweststrom digital und automatisiert abwickeln. Und auf der Internetplattform „SWS-Connect“ können Stadtwerke Angebote kalkulieren, Energie beschaffen, ihr Portfolio steuern, die Marktentwicklung verfolgen und die Bilanzierung einsehen. Selbst der Emissionshandel kann über die Plattform gesteuert werden. Mehr als 60 Verteilnetzbetreiber lassen Südweststrom für sich arbeiten. So werden Netzentgeltabrechnungen oder EEG-Abrechnungen von Solaranlagen abgewickelt.

Entwickelt wurde die Plattform von Südweststrom selbst. „Wir haben eine starke Softwareentwicklung im Haus“, sagt Henne und lobt die Innovationskraft seiner Mitarbeiter: „Wir haben den Erfindergeist der ersten Jahre erhalten.“ Und der soll in den kommenden Jahren zur Entwicklung weiterer Dienstleistungen führen. Ein riesiges Wachstumspotenzial sieht Henne beispielsweise bei der Optimierung von Anlagen der Stadtwerke und der Einbindung regionaler Energieerzeugung.

Stadtwerke sehen sich bei digitalen Prozessen entlastet

Für die Stadtwerke als Kunden bringen die Dienstleistungen aus Tübingen erhebliche Erleichterungen. So schrieb der Brettener Stadtwerke-Chef und Südweststrom-Aufsichtsratsvorsitzende Stefan Kleck zum 20-jährigen Bestehen: „Wir müssen uns als Stadtwerk mit knapp 100 Mitarbeitern nicht um Software-Updates, ständige Personalschulungen in Details der Marktprozesse oder die IT-Integration der neuesten regulatorischen Entwicklungen kümmern.“ Denn das werde von Südweststrom gebündelt für viele Versorger erledigt. Und das bringt den kommunalen Unternehmen durch die Skaleneffekte Effizienzgewinne und niedrigere Kosten.

Zahl der Gesellschafter mehr als verdoppelt

Die Südwestdeutsche Stromhandels GmbH wurde 1999 von 30 Stadtwerken gegründet. Heute ist der Gesellschafterkreis auf 62, also mehr als das Doppelte, gewachsen. Dazu gehören kleine Stadtwerke, aber auch mittelgroße kommunale Energieversorger wie die Stadtwerke in Tübingen und Heidenheim oder das Stadtwerk am See der Städte Friedrichshafen und Überlingen. Der Kundenkreis ist allerdings weit größer. Aktuell arbeitet Südweststrom mit rund 200 Stadtwerken zusammen.

Jürgen Schmidt

Redakteur Wirtschaft und Vergabe

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