Themen des Artikels
Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen
Stefanie Weidner: Eine Architektin unter Ingenieuren

"Die Auswirkungen der Bauindustrie auf Müllaufkommen, Emissionen und Energieverbrauch sind immens. Wir dürfen da nicht untätig bleiben", sagt Stefanie Weidner, seit 2024 Vorständin der Werner Sobek AG.
Achim Zweygarth)Stuttgart . „Wir arbeiten immer noch am neuen Stuttgarter Hauptbahnhof. Wenn auch nicht mehr mit so vielen Leuten wie zu Beginn“, sagt Stefanie Weidner. Die Ingenieure von Werner Sobek haben die Tragwerksplanung für den Bahnhofsneubau von Anbeginn wesentlich mitgeprägt.
Als Weidner gerade ihr Architekturstudium 2014 beendete, war das Gröbste für S21 jedoch schon durch. „Die Kelchstützen sind eine ingenieurtechnische Meisterleistung“, findet die junge Architektin. „So umstritten das Projekt auch sein mag, allein, dass einem Infrastrukturbauwerk ein städtebaulich so hoher Stellenwert eingeräumt wird, ist bemerkenswert“, sagt sie.
„Mir war es immer wichtig, Theorie und Praxis zu verbinden“
Schon früh kam Weidner mit Architektur in Berührung. Geboren in eine Architektenfamilie, faszinieren sie Hochhäuser „wegen ihrer bildprägenden Qualität für das Stadtbild“ bis heute. Als Werner Sobek 1992 sein auf Planungsleistungen im Hochbau spezialisiertes Büro in Stuttgart gründete, war sie noch ein Kind. Der Architekt, Bauingenieur und Forscher hatte als Nachfolger von Frei Otto und Jörg Schlaich renommierte Lehrstühle an der Universität Stuttgart übernommen. Sobek, der für visionäre Projekte wie das verglaste, emissionsfreie und recycelbare Wohnhaus R128 bekannt ist, sollte aber auch den Weg von Weidner maßgeblich prägen – nicht nur als Doktorvater.
Schon während ihres Architekturstudiums an der Universität Stuttgart arbeitete Weidner parallel in Architekturbüros. „Mir war es immer wichtig, Theorie und Praxis zu verbinden.“ Zum Ende ihrer Diplomarbeit habe sie zu Sobek gesagt, sie möchte noch mehr von ihm lernen. „Das hat er unterstützt.“ 2014 ging sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an das im Jahr 2000 von Sobek gegründete Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK), um dort ihre Dissertation zu schreiben. Sieben Jahre lang forschte sie dort. Etwa an adaptiven Bauweisen, die sich flexibel an Umweltbedingungen und Nutzerbedürfnisse anpassen können .
Material durch Energie ersetzen
Was sie dazu erzählt, klingt wie aus einem Science-Fiction-Roman: „Wir wollten beweisen, dass man Material durch Energie ersetzen kann.“ An einem eigenen Demonstratorhochhaus am ILEK haben die Forscher getestet, wie sich Massen aus Beton durch „intelligente Muskeln und adaptive Elemente“ ersetzen lassen. „Bei passiven Strukturen wie den Kelchstützen für Stuttgart 21 ist die Form optimiert, aber sie ist auf den Maximalfall ausgelegt“, erklärt Weidner. Adaptive Strukturen reagieren mit Sensoren und Aktoren auf Belastungen. Die Sensoren erfassen etwa Wind, Schnee oder Personen. Die Steuerungseinheit gibt dann Befehle an Aktoren, die kurzfristig Spannung ins System bringen. „So kann man bis zu 40 Prozent Material einsparen“, erklärt die Forscherin.
Ihre Dissertation über ressourcenminimale urbane Strukturen schloss sie 2020 mit „Summa cum laude“. Bereits damals arbeitete sie für Sobek. 2021 bekam sie die Chance, als Director Sustainability Strategies die Nachhaltigkeitsstrategie der Ingenieure neu auszurichten. Ein Herzensanliegen. „Die Auswirkungen der Bauindustrie auf Müllaufkommen, Emissionen und Energieverbrauch sind immens. Wir dürfen da nicht untätig bleiben“, sagt sie. „Wir wollen Bauherren nachhaltigere Alternativen aufzeigen und zugleich eine attraktive gebaute Umwelt schaffen.“
„Ich bin sehr dankbar, dass mir Werner Sobek als junge Frau, zumal als Architektin in einem Ingenieurbüro und inzwischen als junge Mutter diese Möglichkeiten und das Vertrauen gegeben hat“, sagt sie. Ihre Wissbegierde und ihr Tatendrang dürften ihr dabei geholfen haben. „Ich warte nicht darauf, dass mir etwas in den Schoß fällt, sondern arbeite aktiv daran, meine Themen zu platzieren.“
Netzwerke zu Hochschulen, Start-ups und Firmen
Als Vorständin fokussiert sie sich weiterhin auf Nachhaltigkeitsthemen. Zu ihrem Beritt gehört aber auch die Forschung und Entwicklung, die Digitalisierung und Qualitätssicherung. Im Turmhochhaus in Stuttgart-Degerloch leitet sie dazu Projektmeetings und treibt Spezialthemen wie Bauen im Bestand, Beton- oder Holzbau voran, erzählt sie.
„Wir versuchen, nicht nur Wissen zu generieren, sondern es auch von außen ins Unternehmen zu transferieren.“ Ihre Forschungserfahrung hilft ihr dabei, Netzwerke zu Hochschulen, Start-ups und Firmen zu pflegen und Kooperationen zu ermöglichen.
Außerdem betreut sie weiterhin das Kopenhagener Büro, das sie selbst aufbaute und zwei Jahre leitete. „Es war viel Arbeit nötig, bis wir den ersten Auftrag bekamen“, erzählt sie. Die Stiftung des Pharmaunternehmens Novo Nordisk, der bekannt für seine Abnehmspritzen ist, plante 2023 einen neuen Hauptsitz in Hellerup. Die Sobek-Ingenieure mussten dafür gegen die großen dänischen Planungsbüros antreten und erhielten den Auftrag für die Tragwerks- und TGA-Planung. Die Begeisterung darüber merkt man Weidner heute noch an. „Das war unser Lohn nach etwas mehr als einem Jahr Arbeit.“
„In Dänemark sind wir oft als „boutique engineers“ bezeichnet worden“, erinnert sie sich. Als Büro, das keine Standardware liefert, sondern erstklassiges Engineering. „Mit 450 Mitarbeitenden sind wir international gesehen eher klein, in Dänemark sind es oft mehrere Tausend“, sagt Weidner. Der Umsatz der Sobek Ingenieure liegt im mittleren zweistelligen Millionenbereich. Doch Größe ist nicht die Priorität der Planer aus Stuttgart. „Wir fokussieren uns auf unsere Qualität“, sagt Weidner.
Bauherren nachhaltigere Alternativen aufzeigen
Ein weiteres Thema, das ihr am Herzen liegt, ist „Female Leadership“. Als Mutter einer kleinen Tochter engagiert sie sich dafür, dass Frauen nicht nur mitgestalten, sondern auch mitentscheiden. „Im Stuttgarter Büro sind über 40 Prozent der Führungspositionen mit Frauen besetzt“, erzählt sie. Flexible Arbeitszeiten und Teilzeitmodelle seien dafür essenziell. „Ich möchte meine Position nutzen, um auch andere Büros hier zu inspirieren.“
Ihr Weg an die Spitze eines der bundesweit größten Ingenieurbüros zeugt von Entschlossenheit. „Es ist immer noch ein besonderes Gefühl, mit so viel Verantwortung betraut zu werden. Es haben sich Türen geöffnet, und ich bin hindurchgegangen“, blickt sie zurück. „Das war oft mit viel Mut und Tatendrang verbunden.“
Zur Person
Stefanie Weidner ist seit 2024 Vorständin der Werner Sobek AG. Zuvor baute sie eine Präsenz der Ingenieure in Kopenhagen (2022–2024) auf und war Director Sustainability Strategies in Stuttgart. Von 2014 bis 2021 forschte sie am Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK) der Universität Stuttgart zu „Adaptiven Hüllen und Strukturen“. Ihre Promotion an der Fakultät für Architektur und Stadtplanung schloss sie mit „Summa cum laude“ ab. Ihr Architektur- und Stadtplanungsstudium absolvierte sie dort von 2008 bis 2014.