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Familienfreundliche Firmen haben weniger Fluktuation in der Belegschaft

Der Wäschehersteller Mey aus Albstadt hat schon vor Jahrzehnten für seine Mitarbeiter ein eigenes Hallenbad eingerichtet, dass auch von Familienangehörigen genutzt werden kann.
MEY GmbH & Co. KG)ALBSTADT. Ein eigenes Schwimmbad für die Mitarbeiter − das klingt erst einmal nach einem hippen Tech-Start-up in Kalifornien. Doch tatsächlich geht es um ein Angebot beim Textilunternehmen Mey in Albstadt. Der Mittelständler mit aktuell mehr als 1100 Beschäftigten lässt seine Belegschaft schon seit den späten 1970er-Jahren nicht nur Unterwäsche produzieren, sondern auch hausintern ein paar Bahnen ziehen – im firmeneigenen Hallenbad. Auch Schwimmkurse für Mitarbeiterkinder laufen dort. „Wir sind bestrebt, es unseren Mitarbeitenden zu ermöglichen, ihre persönliche Lebensgestaltung mit ihrer Arbeit zu vereinbaren“, teilt die 1928 gegründete Firma Mey mit.
Flexible Arbeitszeiten, Homeoffice-Möglichkeiten, eine wertschätzende Kommunikationskultur und individuelle Rückkehrmodelle nach einer Elternzeit gehören bei Mey ganz selbstverständlich zum Alltag. Dass derartige Angebote nicht nur gut für die Menschen, sondern auch für das Unternehmen ist, steht für Geschäftsführer Matthias Mey außer Frage: „Wir profitieren davon, wenn unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich bei uns wohl und unterstützt fühlen.“
Viele kleine und mittlere Unternehmen stehen vor der Herausforderung, passende familienfreundliche Maßnahmen effizient und wirkungsvoll im eigenen Haus umzusetzen. Ein Unterstützungsangebot ist die Initiative Family-Net, getragen vom baden-württembergischen Wirtschaftsministerium und verschiedenen Arbeitgeberverbänden. Sie bietet praxisnahe Beratung und das kostenfrei.
Flexibilität bei der Arbeitszeit wichtiger als viele Angebote
Nach einer Erhebung des Instituts der Deutschen Wirtschaft aus dem Jahr 2023 halten 86 Prozent aller Arbeitgeber Vereinbarkeit für ein wichtiges Thema. Die Studie zeigte auch: Betriebe, denen Familienfreundlichkeit egal ist, leiden rund 50 Prozent häufiger unter starker Fluktuation unter den Mitarbeitern als bewusst familienfreundliche Betriebe.
Ausgangspunkt bei Veränderungsprozessen sollte immer ein ausführlicher Blick auf die eigene Belegschaft und deren konkrete Situation sein: Kollegen mit kleinen Kindern haben andere Bedürfnisse als Eltern von Teenagern oder Mitarbeiter mit pflegebedürftigen Angehörigen. Generell gilt: Arbeitszeiten und -orte sollten so flexibel wie möglich gestaltet werden. Doch als ebenso entscheidend gilt eine Führungskultur, die individuelle Lösungen fördert und ermöglicht.
Beraterin: Familienfreundlichkeit muss gelebt werden
Konkretes Beispiel: Ein flexibler Arbeitsbeginn kann für Eltern mit Schulkindern eine immense Verbesserung bringen. Die Möglichkeit, im Sommer für einige Wochen mobil zu arbeiten, wenn das Kind nicht betreut ist, kann Gold wert sein, ohne dass ein Arbeitgeber komplett auf Homeoffice umsteigen muss.
Zu den wichtigsten Bausteinen einer familienbewussten Unternehmenspraxis gehören außer flexiblen Arbeitszeiten und Homeoffice-Regelungen, planbare Urlaubs- und Freistellungszeiten sowie ein betriebliches Gesundheitsmanagement. Andrea Jansen, Unternehmensberaterin und Expertin für familienfreundliche Unternehmenskultur aus Darmstadt, erklärt dazu: „Entscheidend ist am Ende immer die Frage, ob Familienfreundlichkeit im Unternehmen auch tatsächlich gelebt wird.“
Laut der Beraterin ist es nicht die Anzahl an Angeboten, die zählt, sondern deren tatsächliche Umsetzung im Alltag. Auch kleine Hilfen wie die Möglichkeit, im Notfall das Kind ins Büro mitbringen zu können, oder feste Ansprechpartner für Vereinbarkeitsthemen machten einen großen Unterschied.
Wettbewerb für kleine und mittlere Unternehmen startet wieder
Wichtig ist: Familienfreundlichkeit ist kein Einmal-Projekt, sondern besteht in einer veränderten Unternehmenskultur. Wer als Betrieb offen damit umgeht und seine Angebote klar kommuniziert, punktet nicht nur bei der bestehenden Belegschaft, sondern auch beim Recruiting. Das Prädikat „Familienbewusstes Unternehmen“ im Rahmen von Family-Net beispielsweise kann als sichtbares Signal wirken.
Aktuell startet eine neue, die nunmehr siebte Wettbewerbsrunde von „Family-Net 4.0“. Das Programm richtet sich gezielt an kleine und mittlere Unternehmen in Baden-Württemberg. In der vergangenen Wettbewerbsrunde wurden 18 Unternehmen ausgezeichnet – darunter Handwerksbetriebe, Industrieunternehmen und soziale Einrichtungen.