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Hohe Militärausgaben bringen spärliche Rendite

Das Gepanzerte Transportfahrzeug Boxer wird von Artec produziert, einem Gemeinschaftsunternehmen von Rheinmetall und KNDS.
IMAGO/Chris Emil Janssen)Mannheim . Die Waffenbranche boomt. Auch im Südwesten. Nachdem der Waffenhersteller Heckler & Koch aus Oberndorf am Neckar (Kreis Rottweil) schon in den vergangenen Jahren 100 Millionen Euro in Produktionsanlagen, ein Schießzentrum und einen Logistikstandort investiert hat, sollen in den kommenden fünf Jahren weitere 150 Millionen Euro hinzukommen, kündigte das Unternehmen diese Woche an.
Niemals zuvor hatte die Branche einen solchen Rückenwind. Denn die Bundesregierung will Milliarden Euro in den Ausbau des Militärs stecken, um ihre sicherheitspolitischen Ziele zu erreichen. Aber nicht nur. Die Politik erhofft sich nach zwei schmerzlichen Rezessionsjahren auch Impulse für die Konjunktur.
Doch diese Erwartungen könnten sich als zu optimistisch erweisen. Das zeigt eine Studie der beiden Wirtschaftswissenschaftler Tom Krebs und Patrick Kaczmarczyk von der Universität Mannheim. Sie haben den Fiskalmultiplikator berechnet, der misst, wie stark zusätzliche Staatsausgaben in die Verteidigung das Bruttoinlandsprodukt erhöhen. Und der Wert liegt bei Militärausgaben in Deutschland bei maximal 0,5. „Das bedeutet: Ein ausgegebener Euro führt im besten Fall zu 50 Cent zusätzlicher wirtschaftlicher Aktivität“, so die Wissenschaftler.
Investitionen in Bildung, Infrastruktur oder Kinderbetreuung
Deutlich höhere Multiplikatoren erreichen hingegen öffentliche Investitionen in Bildung, Infrastruktur oder Kinderbetreuung. Laut der Studie erzeugen sie das Zwei- bis Dreifache an zusätzlicher Wertschöpfung. „Aus ökonomischer Sicht ist die geplante Militarisierung der deutschen Wirtschaft eine risikoreiche Wette mit niedriger gesamtwirtschaftlicher Rendite“, so das ernüchternde Fazit der Wirtschaftswissenschaftler.
Co-Autor Patrick Kaczmarczyk warnt gar vor Risiken einer Politik des „Geld spielt keine Rolle“. „Mit dem Signal so viel auszugeben, wie nötig, riskiert man, dass man deutlich mehr für die Produkte bezahlt, ohne dass die Verteidigungsfähigkeit signifikant gestärkt wird“, sagt er. „Das haben die Reagan-Jahre gezeigt, wo die Militärausgaben massiv stiegen, ohne dass es zu einem Fähigkeitsgewinn kam, während die Rüstungskonzerne sehr hohe Gewinne machten.“
Diese Gefahr wird gerade in Deutschland noch von strukturellen Besonderheiten der hiesigen Rüstungsindustrie verstärkt. „Die ist bereits stark ausgelastet und von geringem Wettbewerb geprägt“, sagt Kaczmarczyk. Neue staatliche Aufträge würden daher eher zu Preissteigerungen als zu einer Ausweitung der Produktion führen. Kaczmarczyk hält es daher für nötig, Lösungen auf gesamteuropäischer Ebene zu suchen. „Wir brauchen eine europäische Beschaffung, die den Wettbewerb unter Herstellern aus verschiedenen Ländern erhöht. So ließen sich die Übergewinne bei Rüstungsfirmen eindämmen.
Denkbar sei für ihn auch, dass sich der Staat an Rüstungsfirmen beteilige, um Informationen zu Investitionsentscheidungen, Produktionskapazitäten und Herstellungskosten zu erhalten, „damit nicht völlig überteuert eingekauft wird“.
Untermauert sieht der Wissenschaftler seine These, dass gerade in jüngster Zeit große börsennotierte Rüstungsunternehmen massiv von politischen Ankündigungen und Sonderbudgets profitiert hätten. Der Aktienkurs des größten, rein deutschen Rüstungsunternehmens Rheinmetall aus Düsseldorf etwa hat sich seit Beginn 2024 mehr als versechsfacht. Kaczmarczyk geht davon aus, dass „Investoren und Finanzmärkte einen deutlichen Anstieg der Margen und Profite erwarten, die nicht nur durch eine Ausweitung der Produktion zu erklären sind“.
Die beiden Wissenschaftler warnen zudem vor Verdrängungseffekten: „Der Ausbau der Rüstungsproduktion bindet sowohl finanzielle als auch personelle Ressourcen, die für andere gesellschaftlich relevante Aufgaben fehlen könnten − etwa für Investitionen in Klimaschutz, den Bildungsbereich oder den Erhalt der öffentlichen Infrastruktur.“
Auch die gesellschaftliche Akzeptanz für die hohen Verteidigungsausgaben könnte leiden. Trotz Reformen an der Schuldenbremse bleibe der finanzielle Spielraum des Staates begrenzt. Ein gleichzeitiger Ausbau aller zentralen Politikfelder sei daher kaum realistisch, so die Autoren der Studie. „Wie lange ein Freifahrtschein für Militärausgaben bei Kürzungen anderer Ausgaben im Bundeshaushalt politisch haltbar sein wird, ist eine offene Frage“, warnt Kaczmarczyk.
Positive Impulse für den Standort Baden-Württemberg
Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) begrüßt dagegen die Offensive bei den Verteidigungsausgaben. Langfristig rechnet sie dadurch mit positiven Impulsen für den Standort Baden-Württemberg. „Es gilt jetzt, die Unternehmen, die bereits in diesem Sektor tätig sind, und jene Unternehmen, die das Potenzial haben, hier aktiv zu werden, zusammenzubringen.“ Gerade Unternehmen, die sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich tätig sind, also Dual-Use-Anwendungen und -Services vertreiben, könnten profitieren, sagt sie. Es sei wichtig, bestehende Produktionskapazitäten zu skalieren und zugleich gezielt in neue, innovative Lösungen zu investieren.