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In der Wirtschaftskrise haben Produktfälscher Konjunktur

Unternehmen, wie der Kettensägenhersteller Stihl, haben schon seit langer Zeit mit Nachahmern ihrer Produkte zu kämpfen. Foto: IMAGO/Funke Foto Services
IMAGO/Funke Foto Services)Stuttgart. Brüchige Bremsbeläge und Felgen, wirkungslose Filter oder minderwertige Lenkräder: Allein im vergangenen Jahr hat Mercedes die Löschung von 212.000 Onlineangeboten erwirkt. Das sind 49 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Gleichzeitig wurden bei 793 Razzien weltweit 1,5 Millionen gefälschte Produkte beschlagnahmt und zerstört, teilt der Stuttgarter Konzern mit.
Fälscher haben gerade in Krisenzeiten, in denen die Verbraucher sparen, offenbar Hochkonjunktur. Das bestätigen auch die Zahlen des amerikanischen Versandriesen Amazon. Der hat nach eigenen Angaben allein im vergangenen Jahr 15 Millionen Plagiate gestoppt. Bei Amazon hat sich die Zahl der Fälle im Vergleich zum Vorjahr sogar verdoppelt. Der US-Handelsriese setzt inzwischen Künstliche Intelligenz ein, um Fälschungen zu identifizieren.
Stihl setzt auf Schutzrechte in möglichst vielen Ländern
Kein Geheimnis ist, dass die meisten Fälschungen aus China stammen. Das bestätigt auch der Waiblinger Gerätehersteller Stihl. Die Kettensägen mit dem orange-grauen Design sind weltweit ein Begriff und somit ein beliebtes Ziel von Fälschern. „Eine entscheidende Voraussetzung, um Marken- und Produktpiraterie zu bekämpfen, ist ein umfangreiches Schutzrechtsmanagement“, teilt das Unternehmen auf Nachfrage mit. So sei der Markenname Stihl in 170 Ländern der Welt geschützt. Auch die typischen Farben seien in über 100 Ländern geschützt, auch in China.
Bei Bosch setzt man ein „Anti-Fake“-Label etwa bei Elektrowerkzeugen. Privatkunden können per Website, Hotlines oder per SMS prüfen, ob es sich bei ihrem Einkauf um echte Produkte handelt. Zudem prüfe die eigene Abteilung für Markenschutzmanagement regelmäßig Fälschungen und gehe gezielt dagegen vor, teilweise auch rechtlich. Wie das im Einzelnen aussieht, sagt Bosch nicht.
Zoll kann Einfuhren nur stichprobenweise kontrollieren
Als „unverzichtbaren Baustein im Kampf gegen Fälscher“ nennt Stihl eine enge Zusammenarbeit mit Zollbehörden. „Diese können verdächtige Warenlieferungen stoppen und zur Begutachtung melden. Falls es sich tatsächlich um Fälschungen handelt, werden solche Produkte aufgehalten und vernichtet“, teilt ein Sprecher mit.
So weit die Theorie. Doch ein Sprecher des Hauptzollamtes in Stuttgart bestätigt, dass man allenfalls Stichproben vornehmen kann. Tätig werden sie oft auf Antrag der betroffenen Firmen. Anlaufstelle für Unternehmen ist die Zentralstelle Gewerblicher Rechtsschutz in München. Gemeinsam durchforsten Beamte und Spezialisten von Unternehmen etwa Messen.
Ein Drittel der Europäer hat nichts gegen gefälschte Produkte
Der tatsächliche Kampf gegen die Fälscher findet allerdings im Ausland statt. Da ende die Zuständigkeit des Zolls. „Da müssen die Unternehmen selbst aktiv werden“, so der Stuttgarter Zoll-Sprecher in. Tatsächlich beschäftigen große Unternehmen im Ausland Kanzleien und eigene Ermittler, um den Fälschern vor Ort das Handwerk zu legen.
Für Mittelständler sind solche Aktivitäten allerdings schnell zu kostenintensiv. Sie finden beim Aktionskreis gegen Produkt- und Markenpiraterie (APM) Beratung und Unterstützung (siehe Kasten).
„Unternehmen und Behörden können das Problem nicht allein lösen. Nachhaltige Erfolge im Kampf gegen Produktpiraterie sind nur möglich, wenn auch die Nachfrageseite betrachtet und die Verbraucher sensibilisiert sind“, betont APM-Chef Volker Bartels. Das ist allerdings noch ein weiter Weg, denn ein Drittel der Europäer findet nichts dabei, gefälschte Waren zu kaufen. „In der Vergangenheit wurden regelmäßig bis zu 40 Prozent der von den Behörden aufgegriffenen Fälschungen als potenziell gesundheitsgefährdend eingestuft“, warnt APM-Chef Bartels.
Gemeinsame Selbsthilfe
Der Aktionskreis gegen Produkt- und Markenpiraterie APM wurde 1997 von der Deutschen Industrie- und Handelskammer, dem Bundesverband der Industrie und dem Markenverband gegründet. Aus dem Südwesten haben sich unter anderem Stihl, ZF, Porsche, Mahle, Hansgrohe, Festo, Fischerwerke, Kärcher und Daimler Truck angeschlossen.